Nach mehr als einem halben Jahrhundert wird erstmals wieder eine rechtsradikale Partei in den Bundestag einziehen. Die Alternative für Deutschland (AfD) erreichte nach einer Hochrechnung der Forschungsgruppe Wahlen bei der Bundestagswahl knapp über 13,1 Prozent der Stimmen. Sie ist damit klar die drittstärkste Kraft hinter Union und SPD. Vor vier Jahren war die Partei noch mit 4,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. "Wir werden Frau Merkel jagen", sagte Spitzenkandidat Alexander Gauland. Die Partei wolle sich "unser Land und unser Volk zurückholen".
Bundestagswahl:Warum die AfD so gut abgeschnitten hat
Das starke Ergebnis der Rechtspopulisten bei der Bundestagswahl ist keine Überraschung. Fünf Faktoren, die zum Aufstieg der Partei maßgeblich beigetragen haben.
Die beiden Volksparteien mussten eine herbe Niederlage einstecken. Die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Schulz kamen der Hochrechnung zufolge auf einen Wert knapp unter 21 Prozent, deutlich weniger als 2013. Das ist das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte, "ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie", wie Martin Schulz sagte. "Es ist völlig klar, dass der Wählerauftrag an uns der der Opposition ist." Trotz des Ergebnisses betonte Schulz, Parteichef bleiben zu wollen. Er sehe sich "in der Verpflichtung".
CDU und CSU erhielten knapp über 32,8 Prozent der Stimmen - auch das ein drastischer Verlust im Vergleich zur vorherigen Wahl, als sie auf 41,5 Prozent kamen. Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Partei habe ihre strategischen Ziele erreicht: "Wir haben den Auftrag, eine Regierung zu bilden." Den Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Bundestag nannte sie eine "große, neue Aufgabe" und betonte: "Wir wollen die Wähler der AfD durch gute Politik zurückgewinnen."
Der FDP gelang wieder der Einzug in den Bundestag, sie bekam um die zehn Prozent der Stimmen. 2013 waren die Liberalen erstmals seit ihrer Gründung mit 4,8 Prozent nicht in den Bundestag gekommen. Die Linke und die Grünen lagen etwa gleichauf und wurden nach den ersten Zahlen bei um die neun Prozent geführt. Im Vergleich zu 2013 konnten sie sich nur leicht steigern. Besonders für die Grünen wäre dies dennoch eine Erleichterung: Im Verlauf des Wahlkampfs war sie bei der Fünf-Prozent-Hürde gesehen worden.
Während des Wahlkampfs waren die unterschiedlichen Koalitionen für eine neue Regierung durchgespielt worden - von Schwarz-Grün über Schwarz-Gelb und Jamaika bis zu einer rot-rot-grünen Koalition. Da alle Parteien ausgeschlossen haben, mit der AfD zu koalieren und die SPD in die Opposition gehen will, bleibt jedoch nur ein Jamaika-Bündnis von Union, FDP und Grünen ( lesen Sie hier einen Kommentar dazu). Bislang gab es eine solche Koalition nicht auf Bundesebene; im Saarland platzte ein Jamaika-Bündnis 2012, in Schleswig-Holstein hingegen regiert es seit Juni weitgehend reibungslos. "Ich habe Erfahrung mit Jamaika", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, der in Schleswig-Holstein mitregiert. "Ob das übertragbar ist, müssen wir erst noch sehen", sagte Kubicki. "Wir müssen sehen, ob wir zusammenkommen", kommentierte Grünen-Chef Cem Özdemir eine mögliche Jamaika-Koalition. "Sonst gehen wir in die Opposition."
Ein historisches Debakel dürfte die CSU eingefahren haben: Sie kommt nach einer Hochrechnung des Bayerischen Fernsehens nur auf 38,5 Prozent.
Insgesamt 61,5 Millionen Menschen waren an diesem Sonntag zur Wahl aufgerufen. Schon am frühen Nachmittag zeichnete sich vor allem in den Großstädten eine rege Teilnahme ab. Nach einer Wahlbeteiligung von 71,5 Prozent 2013 wird nun damit gerechnet, dass 77 Prozent der Wähler abgestimmt haben. Zahlreiche Spitzenpolitiker hatten öffentlich die Wichtigkeit der Wahl betont, noch am Sonntag appellierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die Bevölkerung: "Wer nicht wählt, lässt nur andere über die Zukunft unseres Landes entscheiden."