Süddeutsche Zeitung

Ehrenamtliche Flüchtlingshelferin:Sie ist das Gegenteil von Pegida

Lesezeit: 2 min

Von Ines Alwardt, Berlin

Bundesregierung dankt ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern

Es gibt Dinge, über die spricht Elisabeth Stanglmeier nicht gerne. Nicht mal, wenn man sie ins Auswärtige Amt einlädt, um ihre Arbeit zu würdigen, zu feiern, anzuerkennen. Wieso engagiert sie sich denn als ehrenamtliche Helferin in Anzing im Münchner Umland? Wie viele Stunden in der Woche verbringt sie mit eritreischen Flüchtlingen? Stanglmeier macht eine Handbewegung, als wollte sie die Frage von sich wegschieben. Sie ist keine, die Stunden zählt. Und überhaupt gehe es ja nicht um sie.

An diesem Donnerstag schon. Elisabeth Stanglmeier sitzt als eine von etwa 600 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern im voll besetzten Weltsaal des Außenministeriums in Berlin. Die Bundesregierung will ihnen mit einem großen Empfang am Tag der Migranten für ihre Hilfe danken und, wo man schon von Flüchtlingen spricht, gleich auch ein Zeichen gegen die Überfremdungs-Paniker von Pegida setzen. "Das Deutschland, das ich kenne, ist keine Angst-Nation, sondern eine zupackende Nation", sagt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Zupackend, das passt auf Elisabeth Stanglmeier, eine kleine Frau mit weißem kurzen Haar. In ihrem Wohnort gab es viel Ärger, als klar wurde, dass 20 Flüchtlinge aus Eritrea in einem Haus in einer noblen Wohngegend untergebracht werden sollten. Anwohner plakatierten Sprüche, die Stanglmeier nicht wiederholen möchte. Also hat sie einfach angepackt, zusammen mit anderen freiwilligen Helfern eine Initiative gegründet, die sich seither um das Wohl der Flüchtlinge kümmert. Es gibt jetzt zwei zusätzliche Duschen im Keller, Fahrräder für jeden Bewohner, ehrenamtlich organisierte Deutschkurse.

Gelebte Willkommenskultur

"Wir haben eine Willkommenskultur", sagt Elisabeth Stanglmeier. Sie lebt sie vor, genau wie die anderen Flüchtlingshelfer. Es ist eine Kultur, die das Gegenteil ist von dem, was Pegida-Anhänger seit ein paar Wochen auf Marktplätzen fordern. Steinmeier sagt, man werde die eigenen Probleme nicht lösen, indem man Zäune hochziehe. Das hätte auch Stanglmeier sagen können.

Mit künstlich aufgebauten Grenzen konnte sie noch nie etwas anfangen. Schon damals in den Neunzigerjahren, als die Flüchtlinge aus Jugoslawien kamen, hat sie sich gekümmert. Gerade versucht sie, das Internet im Flüchtlingsheim zum Laufen zu bekommen, das gestaltet sich aber schwierig, also sitzen regelmäßig vier oder fünf Bewohner bei ihr im Wohnzimmer und surfen.

Jeden Tag besucht sie die Flüchtlinge und schaut, ob alles in Ordnung ist, erklärt ihnen die Mülltrennung oder geht mit ihnen zum Amt oder zum Arzt. Früher war sie Grundschullehrerin, sie kennt viele Leute in ihrem Ort: den Optiker, den Supermarktbetreiber, Anwälte, Ärzte, die helfen, wenn sie fragt.

Fast alle der 20 eritreischen Flüchtlinge haben inzwischen eine Arbeitserlaubnis. Ob sie auch einen Job finden? "Das wird noch mal schwierig", sagt Stanglmeier, "aber den ersten habe ich schon."

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Quelle:
SZ vom 19.12.2014
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