Ehemaliger Putin-Berater:Der tote Hotelgast

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Wladimir Putin und PR-Stratege Michail Lesin (hinten) arbeiteten schon früh zusammen.

(Foto: Sergei Karpukhin/Reuters)

Warum starb Ex-Putin-Berater Michail Lesin im November in einem Hotelzimmer in Washington? Es wird viel spekuliert, auch über die Rolle des FBI.

Von Frank Nienhuysen

Von den vielen Rätseln rund um den ehemaligen russischen Minister Michail Lesin scheint eines zumindest gelöst zu sein: wie er 40 Tage nach seinem Tod noch aus den USA ausreisen konnte. Der russische Blogger und Regierungskritiker Alexej Nawalny hatte diese Frage aufgeworfen, indem er einen angeblichen Ausreisestempel der amerikanischen Grenzbehörde veröffentlichte, der auf den 15. Dezember datiert ist. Wer denn damals nach Lesins Tod überhaupt in Los Angeles beerdigt worden sei, fragte Nawalny und bekam zumindest indirekt eine Antwort: Die angebliche Ausreise im Dezember sei in Wirklichkeit keine gewesen, zitierte die Nachrichtenagentur Tass die US-Behörde; es sei lediglich darum gegangen, formal das Visum des gestorbenen Russen zu beenden.

Es bleibt auch so genug Mysteriöses übrig in dem Fall des früheren Moskauer Medienministers. Klar ist: Lesin wurde am 5. November in der Früh in seinem Hotelzimmer in Washington tot aufgefunden. Nachdem in russischen Medien zunächst von einem Herzversagen die Rede gewesen war, erklärten die amerikanischen Ermittler am vergangenen Freitag, dass sie beim 57 Jahre alten Lesin Verletzungen an Kopf, Hals, Rumpf und Beinen festgestellt hätten. Ob er nun aber Opfer eines Verbrechens oder eines Unfalls war, darauf wollten die Ermittler sich nicht festlegen.

Nach einem Bericht der New York Times dauerten die Untersuchungen so lange, weil erst noch die Ergebnisse von Drogentests abgewartet worden seien, darüber hinaus würden die Ermittlungen derzeit noch andauern. Ein komplexer Fall offenbar. Die russische Botschaft in Washington zeigte sich am Montag bereits etwas ungeduldig und kritisierte, dass sie von den USA "noch kein ausführliches Informationspaket im Fall Lesin" erhalten habe. Bei so viel Unklarheit ist der Raum für Spekulationen groß. Denn Lesin war einer der einflussreichsten Medienfunktionäre in Russland, und er war reich.

In Los Angeles soll er drei Immobilien im Wert von 28 Millionen Dollar besessen haben, was Lesin allerdings in einem Gespräch mit der russischen Forbes-Ausgabe mit dem Hinweis abstritt, dass die Grundstücke seinen Kindern gehörten. Der US-Senator Roger Wicker hatte dennoch vor zwei Jahren bei den Justizbehörden beantragt, gegen Lesin wegen möglicher Verstöße gegen das Anti-Geldwäschegesetz zu ermitteln. Eine der Spekulationen handelt nun davon, dass Lesin dabei war, mit der amerikanischen Polizeibehörde FBI über einen Deal zu verhandeln. Allerdings ist unklar, ob die beantragten Ermittlungen überhaupt aufgenommen wurden.

Nach dem Amtsantritt Putins half Lesin, kritische Medien unter staatliche Kontrolle zu bringen

Die Washington Post berichtete wiederum, dass nach Polizeiaussagen Lesin vor seinem Tod offenbar betrunken gewesen sei; Videokameras hätten Bilder eines zerzausten Mannes gezeigt, der allerdings äußerlich nicht sichtbar verletzt gewesen sei. Auch von einer Schlägerei, in die Lesin verwickelt gewesen sein könnte, ist in den US-Medien die Rede. Der russische unabhängige Kanal Doschd berichtete unter Berufung auf einen "nahen Bekannten" Lesins, dass dieser als einstiger Boxer in seiner Jugendzeit des Öfteren in Konflikte hineingezogen worden sei; "das entspricht seinem Charakter, er ist hartnäckig".

Lesin hatte schon in den Neunzigerjahren eine wichtige Rolle gespielt. Mit einer Werbeagentur war er im neuen, unabhängigen Russland so erfolgreich, dass er den damaligen Präsidenten Boris Jelzin bei dessen siegreicher Stichwahl gegen den Kommunistenchef unterstützte. Beim zweiten Tschetschenienkrieg half Lesin, den sehr viel schmeichelhafteren Begriff der "Spezialoperationen russischer Einheiten" zu verbreiten. Nach dem Wechsel im Kreml von Jelzin zu Putin trug der PR-Stratege entscheidend dazu bei, die russischen Medien wieder unter die Kontrolle Moskaus zu bringen. Ruppig ging es unter anderem beim kritischen Fernsehsender NTW zu, den Moskau damals einem mächtigen Oligarchen entriss, der dann außer Landes flüchtete. NTW wurde daraufhin sehr regierungsfreundlich.

Lesin war dabei, als später das englischsprachige Mediennetzwerk Russia Today gegründet wurde. Und Leiter der Gazprom-Media-Holding war er auch, bis er ein Jahr vor seinem Tod das Amt abgab.

Warum aber starb er? "Unbestimmt" sei die Todesursache, erklärten die US-Ermittler. Und die russische Botschaft in Washington: "Ich denke, diesen Tod zu politisieren, wäre respektlos."

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