Ehemalige RAF-Mitglieder:Für manche RAF-Taten gelten noch immer Haftbefehle

Andererseits gibt es ein "vitales Interesse" des Staates an der Aufklärung der Taten der dritten RAF-Generation, hält Notz dagegen. Und sind nicht die heutigen Überfälle der drei Gesuchten auch eine Art Nachfinanzierung ihrer Terroristenkarriere? Dient das nicht weiter der Verdeckung? Mord und Mordversuch verjähren nicht, deshalb gelten zumindest für manche ihrer Taten aus ferner RAF-Vergangenheit noch immer Haftbefehle der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Einst taten die Strafverfolger dort alles, um dranzubleiben an den Ehemaligen der RAF. Kaum hatte sich die Bande aufgelöst, gingen Terrorermittler dem Verdacht nach, sie könnten es sich anders überlegt haben. Mit einer Panzerfaust und einer Maschinenpistole überfielen Staub und Klette, wie später DNA-Spuren ergaben, 1999 ihren ersten Geldtransporter in Duisburg-Rheinhausen und erbeuteten eine Million Mark. Die Bundesanwaltschaft mutmaßte, dies diene nur dem Zweck, Bargeld für eine neue Terroristentruppe zu beschaffen. Das BKA übernahm, akribisch wurde ermittelt, in Spanien, Frankreich, sogar in Nicaragua.

Der Bund sei nicht mehr zuständig, sagen Juristen

Doch man blieb erfolglos, auch als Klette, Staub und Garwegs Freunde gründlich ausgeforscht wurden, sagt ein Ermittler, "und zwar nicht nur einmal, sondern sehr regelmäßig und nachhaltig". Das Ergebnis: Alle Kontakte in die Szene seien verstummt. Und so wanderte die Zuständigkeit 2015 endgültig von BKA und Bundesanwaltschaft nach Verden und Hannover - dort gab es damals einen Überfall, bei dem die Täter DNA-Spuren hinterließen.

Der aus Coburg stammende Jurist Thomas Beck war noch jung, als er 1988 zur Bundesanwaltschaft kam, er wurde "sozialisiert mit der RAF", wie er sagt. Heute leitet er als Stellvertreter des Generalbundesanwalts alle Terrorismus-Fälle. Der Polizist Holger Münch hatte zur selben Zeit als Personenschützer des Entwicklungshilfeministers Jürgen Warnke mit der RAF zu tun, heute ist er Präsident des BKA. Beide beteuern, man könne juristisch gar nicht anders: "Bedauerlicherweise", so sagte Beck im Innenausschuss, gebe es nun mal keine Zuständigkeit des Bundes mehr.

Während die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz kritisiert, es fehle am politischen Willen der Bundesregierung, nimmt inzwischen ausgerechnet eine Vertreterin der Linkspartei die Ermittler in Schutz. "Das Kapitel RAF ist wirklich beendet", sagt Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin. Pikant ist, dass Jelpke nach eigenen Angaben Mitglied im Verein "Rote Hilfe" ist, dessen Vereinszeitung noch 2016 in einem Editorial an das flüchtige RAF-Trio schrieb: "Daniela, Burkhard und Volker: Wir wünschen Euch viel Kraft und Lebensfreude. Lasst es Euch gutgehen ... und lasst Euch nicht erwischen!"

Andere, wie der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch, stellen sich mit einer anderen Begründung hinter die Ermittler. Es befremde ihn sehr, "dass sich Teile der Unionsfraktion um drei alternde Ex-Terroristen offenbar mehr Sorgen machen als um mehr als 500 Rechtsextremisten, gegen die offene Haftbefehle bestehen, die aber nicht auffindbar sind".

"Allmählich geht es an die Ehre"

Am Tag vor Weihnachten 2015 stiegen in Niedersachsen zwölf Polizeihubschrauber auf, sie sollten eine Flotte von Geldtransportern beschatten, die in verschiedene Richtungen ins Land ausschwärmten. Wann immer unten am Boden ein Wagen anhielt, um Geld aus einem Supermarkt zu holen, schwebte etwas abseits ein Hubschrauber - bereit, aus der Deckung zu kommen, falls etwas passiert. "Wir wussten, dass die Täter meist kurz vor oder kurz nach Feiertagen zuschlagen", sagt der Leiter der Ermittler in Hannover, Matthias Behnke. Es war eine gigantische Falle, eine der aufwendigsten in der Geschichte der Bundesrepublik, mit der das Landeskriminalamt die drei Flüchtigen erwischen wollten.

Doch dann kam es wie schon oft: Die drei Flüchtigen überfielen zwar tatsächlich einen Geldtransporter in der Gegend - aber genau zwei Tage nach Weihnachten, als die Aktion gerade vorbei war.

Die RAF-Rentner tanzen der Polizei auf der Nase herum, sagt ein BKA-Mann, der dies seit Jahren erlebt. Es gebe Videoaufnahmen, wie sie nach einer Tat seelenruhig wegfahren, mit dem Auto an der roten Ampel halten. "Allmählich geht es an die Ehre", sagt der BKA-Mann. Wenigstens muss er die Fahndung seit drei Jahren nicht mehr selbst verantworten.

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