Ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika:Bitte um Vergebung

Germany returns remains from 1904-1908 genocide to Namibia

Rückgabe-Zeremonie in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Die Bundesregierung bekennt sich, vertreten durch Michelle Müntefering, zu den Gräueln an Herero und Nama zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Von Susanne Klein

Bei der Rückgabe menschlicher Gebeine an Namibia hat sich Staatsministerin Michelle Müntefering (SPD) als Vertreterin der Bundesregierung zu den Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit bekannt. Das Unrecht der Vorfahren könne nicht rückgängig gemacht werden, sagte die Staatsministerin für internationale Kulturangelegenheiten im Auswärtigen Amt am Mittwoch anlässlich eines Gedenkgottesdienstes und einer Übergabezeremonie in Berlin. Sie bitte aber "aus tiefstem Herzen um Verzeihung".

Die menschlichen Gebeine stammen von Opfern aus den Volksgruppen Herero und Nama und waren in der Kolonialzeit aus Deutsch-Südwestafrika gebracht worden - die Kolonie lag auf dem Gebiet des heutigen Namibia. Am Freitag sollen die Schädel, Knochen und Hautreste in Windhuk mit einem Staatsakt empfangen werden. Müntefering will an der Zeremonie in der namibischen Hauptstadt teilnehmen.

Während des Gottesdienstes in der Französischen Friedrichstadtkirche sagte die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland, Petra Bosse-Huber, das Gedenken an die Opfer solle wachgehalten werden. Namibias Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa erklärte, dass sich das namibische Volk eine Entschuldigung für den Genozid an den Herero und Nama im Rahmen eines offiziellen Bekenntnisses der Bundesregierung wünsche. Müntefering betonte, die Deutschen würden sich zu ihrer historischen Verantwortung bekennen. "Die damaligen Gräueltaten waren das, was wir heute als Völkermord bezeichnen würden", sagte sie.

Einen Eklat löste während des Gottesdienstes in der Französischen Friedrichstadtkirche eine Gruppe von Herero und Nama aus. Nach wie vor zeige Deutschland eine arrogante Einstellung gegenüber Afrika, sagte der namibische Rechtsanwalt Vekuii Rukoro, der als Stammeschef der Herero vertreten war. Nicht alle angereisten Vertreter hätten an der Zeremonie teilnehmen können. Einer Gruppe, die vor der Kirche eine Mahnwache abhielt, waren 25 Plätze in der Kirche angeboten worden, die Anmeldung von 44 Personen wurde dann aber negativ beschieden. Rukoro kritisierte zudem, er habe zur Auflage bekommen, nicht länger als drei Minuten zu sprechen und das Wort Genozid zu vermeiden. Das sei entwürdigend, so der Rechtsanwalt. Am offiziellen Versöhnungsprozess ist seine Gruppe bislang nicht beteiligt.

Die Übergabe der menschlichen Überreste war bereits die dritte ihrer Art, allerdings die erste mit Beteiligung der Bundesregierung. Die Kolonie Deutsch-Südwestafrika bestand von 1884 bis 1919. Während dieser Zeit wurden die Einheimischen ausgebeutet und unterdrückt. Besonders brutal gingen deutsche Truppen von 1904 bis 1908 gegen Aufstände der Herero und Nama vor. Sie lehnten sich gegen den Landraub durch deutsche Siedler auf, der mitverantwortlich war für ihren dramatischen wirtschaftlichen Abstieg und sie zu Lohnarbeiten für deutsche Farmer zwang. Etwa 65 000 der 80 000 Herero und 10 000 der 20 000 Nama starben bei den Kämpfen, verdursteten in der Wüste, in die sie von den deutschen Kolonialtruppen abgedrängt worden waren, oder ließen in anschließend eingerichteten Konzentrationslagern ihr Leben, infolge von Misshandlungen, Zwangsarbeit und Krankheiten.

"Diese Schädel erzählen die Geschichte brutaler, gottloser kolonialer Vergangenheit und der folgenden Unterdrückung des namibischen Volkes. Sie sagen: Nie wieder!", sagte ein Vertreter des namibischen Kirchenrats, Ernst Gamxamub, anlässlich der Rückgabe. Zurückgegeben wurden 27 menschliche Überreste, die aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika für angebliche "Rassenforschung" ins deutsche Kaiserreich gebracht worden waren. Zuletzt lagerten sie in anthropologischen Sammlungen in Berlin, Greifswald, Ennigerloh, Witzenhausen, Jena, Hannover und Hamburg.

Die Gräuel an Herero und Nama bezeichnen Wissenschaftler inzwischen übereinstimmend als Völkermord. Offen ist noch, ob es in den USA zu einem Prozess gegen Deutschland kommt. Vertreter von Herero und Nama hatten 2017 in New York eine Klage eingereicht, um an den Verhandlungen über eine Wiedergutmachung beteiligt zu werden, die Berlin bislang nur mit der Regierung Namibias führt.

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