Ehe für alle:"Kinder brauchen Vater und Mutter"

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Johannes Singhammer möchte die "objektiv beste Lösung für die zu adoptierenden Kinder". (Foto: picture alliance / Maurizio Gamb)

Der CSU-Politiker Johannes Singhammer sieht durch die Öffnung der Ehe die Rechte von Adoptivkindern berührt. Sie hätten ein Recht auf die "bestmögliche Entwicklung".

Interview von Kim Björn Becker

SZ: Herr Singhammer, Sie haben vor, bei der Abstimmung über die Ehe für alle mit Nein zu stimmen. Warum sind Sie dagegen, dass Schwule und Lesben heiraten?

Johannes Singhammer: Die Lebenspartnerschaften von Homosexuellen sind weitgehend gleichgestellt mit der Ehe. Es geht im Kern um die Frage, ob sie fremde Kinder adoptieren dürfen. Die CSU ist gegen jede Art von Diskriminierung. Bei der Adoption geht es aber nicht nur um zwei Partner, auch das Kind hat eigene Rechte - unter anderem ein Recht auf bestmögliche Entwicklung. Es ist keine reaktionäre Grundhaltung, wenn man sich Gedanken macht, welche Bezugspersonen für Kinder die bestmöglichen sind. Und da bin ich der Meinung: Kinder brauchen Vater und Mutter.

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Von Julia Ley

Sie befürchten, Kinder homosexueller Eltern würden sich nicht so gut entwickeln?

Es ist für Kinder wichtig, Vater und Mutter in ihrer Unterschiedlichkeit zu erleben. Da es mehr Interessenten als zu adoptierende Kinder gibt, muss man überlegen, wer am besten geeignet ist. Ich meine, Vater und Mutter sind anderen vorzuziehen.

Es gibt bereits Familien, in denen sich gleichgeschlechtliche Paare liebevoll um Kinder kümmern.

Ich kenne solche Familien auch. Aber es geht nicht nur um persönliche Erfahrungen mit Einzelfällen. In diesem Gesetzgebungsprozess wollen wir die objektiv beste Lösung für die zu adoptierenden Kinder.

Ihr Nein könnte Menschen Unrecht tun, die vielleicht großartige Eltern wären.

Wir haben in der CSU nach langer Diskussion festgestellt: Die Ehe besteht nur zwischen Mann und Frau. Da niemand diskriminiert werden soll, wurden viele Rechte angeglichen. Aber bei der Adoption geht es mehr um die Kinder als um die Eltern.

Die Wissenschaft hat keine Belege dafür gefunden, dass es einem Kind schadet, wenn es von zwei Männern oder zwei Frauen aufgezogen wird.

Ich frage mich, wie diese Studien zustande kommen. Sie können nicht bei uns erstellt worden sein. In Deutschland ist bisher die Volladoption nicht möglich. Es reicht auch nicht, nur zu schauen, wo möglicherweise kein Schaden entsteht. Es geht beim Kind ganz entscheidend darum, die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Und das sind eben Vater und Mutter.

Es heißt oft, die Ehe müsse geschützt werden. Dabei ändert sich für Verheiratete nichts, wenn man die Ehe auch für Schwule und Lesben öffnet.

Es gibt ganz unterschiedliche Ehebegriffe auf der Welt. In anderen Ländern ist es üblich, dass ein Mann mehrere Frauen heiratet oder umgekehrt. Bei uns ist seit Jahrhunderten unbestritten, dass nur Männer und Frauen die Ehe schließen können. Ich sehe keine neuen Argumente, warum wir das jetzt ändern sollten.

Zeiten ändern sich.

Das ist das Wesen einer demokratischen Gesellschaft, ja. Aber es ist genauso richtig, eine eigene Überzeugung zu haben und dafür um Mehrheiten zu werben. Ich werbe dafür, dass es bei der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau bleibt.

Sie sind selbst seit vielen Jahren verheiratet. Hätten Sie das Gefühl, Ihre Ehe würde durch eine Reform herabgesetzt?

Ich glaube, das ist unabhängig von meiner eigenen Erfahrung. Ehe ist ein Ort der Verlässlichkeit. Dazu gehört die christlich geprägte Gewissheit, dass sie ein Bund zwischen Mann und Frau ist. Man braucht gute Gründe, um solche Gewissheiten aufzugeben. Ich sehe diese Gründe nicht.

Das Konzept der traditionellen Ehe ist eine der letzten wirklich konservativen Positionen, die man vertreten kann.

Es hat etwas Symbolhaftes und Prinzipielles, das ist richtig. Dass viele da emotional betroffen sind, verstehe ich. Das macht es auch so schwierig und erfordert ein hohes Maß an gegenseitiger Rücksicht. Trotzdem rate ich zu einer sehr rationalen Auseinandersetzung.

Andererseits könnte es auch heißen: Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Gerade jetzt kommt es darauf an, sehr vorsichtig zu entscheiden und nicht aus dem Gefühl heraus. Wir Abgeordnete dürfen uns nicht in einen emotionalen Reinraum begeben, aber wir müssen nüchtern abwägen. Sonst bekommen wir eine emotionale Diskussion, die viele Gräben aufreißt.

War eine solide Debatte angesichts des Zeitdrucks in dieser Woche möglich?

Nein. Wir sprechen zwar schon lange über das Thema, aber wir haben uns 2013 beim Koalitionsvertrag klar festgelegt. Die überfallartige Erzwingung einer anderen Entscheidung ist nicht klug. Es gibt auch gravierende verfassungsrechtliche Bedenken. Justizminister Heiko Maas hat vor zwei Jahren noch gesagt, für eine Öffnung der Ehe braucht es eine Grundgesetzänderung. Jetzt sagt er, das ist nicht notwendig. Dieser Widerspruch muss alle Alarmglocken zum Läuten bringen. Und selbst wenn es eine Mehrheit für die Reform gibt, fehlt uns die Rechtssicherheit. Der nächste Schritt würde eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht sein, und zwar sehr rasch.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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