USA-Russland:Snowden ist jetzt russischer Staatsbürger

USA-Russland: Per Video nimmt Edward Snowden im November 2019 an einer Konferenz in Lissabon teil. Seit neun Jahren lebt er in Moskau.

Per Video nimmt Edward Snowden im November 2019 an einer Konferenz in Lissabon teil. Seit neun Jahren lebt er in Moskau.

(Foto: Henrique Casinhas/imago)

Der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden ist nun auch Russe. Heißt das, er kann zum Kriegsdienst eingezogen werden?

Von Peter Burghardt, Washington

Am frühen Nachmittag traf an der amerikanischen Ostküste die Meldung ein, dass Edward Snowden jetzt auch Russe ist. Der Kreml hatte zuvor ein Dekret veröffentlicht, wonach der Amerikaner und 74 weitere Ausländer russische Pässe bekommen hätten. Die Spitzennachricht der US-Medien war es nicht, es geht derzeit eher um die anstehenden Wahlen, einen anschwellenden Sturm vor Florida, die Börse und auch um den Krieg in der Ukraine. Aber natürlich fiel die Neuigkeit auf.

Hunderte streng geheimer Dokumente hatte Snowden als vormaliger Mitarbeiter der National Security Agency, kurz NSA, 2013 den Zeitungen The Guardian und Washington Post zukommen lassen. Er enttarnte damit internationale Spionageprogramme und galt fortan den einen als Whistleblower und Held, der US-Regierung dagegen als Spion und Verräter. In seiner Heimat würden ihm bis zu 30 Jahre Gefängnis bevorstehen.

Julian Assange hatte Zuflucht in Ecuadors Botschaft in London gefunden, Snowden wollte Asyl in Südamerika suchen. Er landete auf der Flucht vor den US-Behörden über Hongkong allerdings auf Moskaus Flughafen Scheremetjewo, blieb 40 Tage in der Transitzone und lebt nun seit inzwischen neun Jahren in der russischen Hauptstadt.

In einem Dokumentarfilm von Oliver Stone sagte Russlands Präsident Wladimir Putin, Snowden sei kein Verräter, "er hat die Interessen seines Landes nicht verraten". 2014 zog Snowdens Freundin Lindsay Mills zu ihm, 2017 heirateten die beiden, sie haben einen Sohn. 2020 gab der Exilant auf Twitter bekannt, dass er nach jahrelanger Trennung von den Eltern nicht von seinem Sohn getrennt werden wolle. Deshalb bemühten er und seine Frau sich in Zeiten von Pandemie und geschlossenen Grenzen um die doppelte Staatsbürgerschaft.

US-Amerikaner möchte er bleiben

Nun hat er sie, sie bewirbt sich ebenfalls, aber das verändert die Lage für die USA offenbar wenig. Eine Sprecherin des Weißen Haues verwies auf das Justizministerium, es sei ja strafrechtliche Anklage gegen ihn erhoben worden. Geändert habe sich nur, dass der 39-Jährige aufgrund seiner neuen, russischen Staatsbürgerschaft möglicherweise zu Russlands Krieg in der Ukraine eingezogen werde, so das US-Außenministerium laut CNN. "Herr Snowden sollte in die Vereinigten Staaten zurückkehren, wo er sich der Justiz stellen sollte, wie jeder andere amerikanische Bürger auch."

Das täte er offenbar gern. Snowden twitterte vor zwei Jahren auch, dass Lindsay und er Amerikaner bleiben und ihren Sohn mit allen Werten jenes Amerikas großziehen würden, "das wir lieben - einschließlich der Freiheit, seine Meinung zu sagen". Und er freue sich darauf, eines Tages in die USA zurückkehren zu können, damit die Familie wieder vereint werden könne. Aber das wird wohl kaum passieren, solange ihm daheim ein Prozess und lange Haft drohen.

In Russland hat der neue Staatsbürger diesbezüglich nichts zu befürchten, die von ihm gewünschte Meinungsfreiheit findet er jedoch in Putins Reich kaum. Außerdem werden gerade Hunderttausende Reservisten zu den Waffen gerufen, um den Angriff auf die Ukraine nach schweren Rückschlägen fortzusetzen. Daran hatte ja auch das State Department erinnert. Doch die New York Times zitiert die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti, wonach Snowdens Anwalt Anatoli Kutscherena versichere, sein Mandant sei kein Teil der Teilmobilisierung: Snowden komme nicht für die Einberufung zum Kriegsdienst in Frage, weil er keine Erfahrung mit der russischen Armee habe.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusEdward Snowden im Interview
:"Ich hatte nie vor, hier zu sein"

Seit fünf Jahren sitzt Edward Snowden in Russland fest. Im SZ-Interview verrät er, wo er viel lieber leben möchte, was er von Russlands Präsident Putin hält und warum er von Kanzlerin Merkel enttäuscht ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: