Edathy-Ausschuss:Hartmanns denkwürdiger Auftritt

  • Es ist ein denkwürdiger Nachmittag im Edathy-Ausschuss: Ein Zeuge verbietet Obfrau Högl den Mund, der SPD-Abgeordnete Hartmann verweigert die Aussage und Grüne und CDU sind empört.
  • Obfrau Högl erklärt die Befragung von Hartmann und Edathy für beendet.
  • Deren widersprüchliche Aussagen werden nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Es geht um mögliche strafbare Falschaussagen.

Von Kim Björn Becker, Berlin

"Dann bleiben Sie bitte still!"

Es ist ein Satz, dessen Schärfe für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zumindest ungewöhnlich ist: "Lachen Sie nicht! Wenn Sie davon nichts verstehen, dann bleiben Sie bitte still!" Nicht der SPD-Politiker Michael Hartmann sagt ihn. Der sollte an diesem Donnerstag zu seiner Beteiligung in der sogenannten Kinderporno-Affäre um seinen früheren Fraktionskollegen Sebastian Edathy befragt werden. Es ist Hartmanns Berliner Rechtsanwalt Stefan König, der die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) verbal angeht und ihr im Anhörungssaal, wenn man so will, den Mund verbietet.

Kurz zuvor hat ein Fax (hier der vollständige Wortlaut) aus Königs Berliner Kanzlei den Edathy-Untersuchungsausschuss erreicht und so manchem Mitglied die Zornesröte ins Gesicht getrieben: In dem mehrseitigen Schreiben teilt der Rechtsanwalt im Namen seines Mandanten Michael Hartmann mit, dass dieser sich auf sein umfassendes Aussageverweigerungsrecht beruft - Hintergrund sind laufende Vorermittlungen der Staatsanwaltschaften Berlin und Hannover wegen des Verdachts der Strafvereitelung gegen Hartmann. Er soll Sebastian Edathy frühzeitig über bevorstehende Kinderporno-Ermittlungen gegen ihn informiert haben. Bislang bestreitet Hartmann das jedoch.

Hartmann attackiert U-Ausschuss

Den ersten beiden Absätzen, die in bestem Anwaltsdeutsch gehalten sind, folgen vier Seiten, die den Obmann der Linksfraktion, Frank Tempel, später zu der Feststellung treiben, Hartmann habe wohl "den Bezug zur Realität verloren": Grund für den Entschluss Hartmanns, die Aussage kurzfristig zu verweigern, sei "die Erkenntnis, dass er keine Chance hat, im Rahmen der Beweiserhebung zur Wahrheitsfindung beizutragen, weil tragende Mitglieder dieses Ausschusses daran gänzlich uninteressiert sind". Aufgrund von Medienberichten unterstellt Hartmann den Vertretern von Grünen und Linken, dass er aus "erkennbar politischen Motiven als Lügner gebrandmarkt" werde.

Hartmanns Anwalt begründet die These anhand von etwa zwei Dutzend Zitaten aus der Medienberichterstattung der vergangenen Tage. Zur Sicherheit schickt er der Auflistung noch den Satz voraus, er sei "auf eigene Recherchen angewiesen" und kenne "den Beweismittelstand, der dem Ausschuss vorliegt, nicht vollständig".

Der Untersuchungsausschuss zitiert Michael Hartmann dennoch in den Anhörungssaal 3.101 - wo dieser, in Begleitung seines Anwalts, jede Äußerung zur Sache ablehnt. Kurz entbrennt eine Debatte darüber, ob Hartmann nun bei jeder Frage der Ausschussmitglieder einzeln begründen muss, warum eine Beantwortung vom Zeugnisverweigerungsrecht gedeckt ist, oder ob eine pauschale Ablehnung ausreicht.

Als Armin Schuster, Obmann der Union, zu seiner zweiten Frage ansetzt, kontert Hartmanns Anwalt, er befürchte, es gebe jetzt "ein Schaulaufen, um später zu sagen, was Michael Hartmann alles nicht beantwortet hat. Was soll das denn?" Zur Not müsse man sich eben vor Gericht streiten, fügt König hinzu. "Versetzen Sie sich mal in die Lage Michael Hartmanns, wie er hier vorgeführt wird. Das finde ich nicht fair."

Högl beendet Befragung Hartmanns

Eva Högl unterbricht die Befragung daraufhin für eine Beratungssitzung. Später heißt es, der Ausschuss nehme den Wunsch Hartmanns "zur Kenntnis". Bloß zwei Fragen habe man dann doch: Warum Hartmann sich nicht zur Sache äußern wolle und seinen Anwalt zugleich inhaltlich argumentieren lasse. Und ob er zu dem Schreiben nicht doch Angaben machen wolle. Hartmann will erst seinen Anwalt für sich antworten lassen, doch der Ausschuss besteht darauf, dass der Zeuge sich wenigstens zu diesen Fragen persönlich einlässt. Nach einer Beratung unter vier Augen sagt Hartmann dann, dass er lieber doch nichts sage: "Ich verweise darauf, dass das Schreiben ein Schreiben eines Anwalts ist, mit der entsprechenden Wortwahl. Das ist weiter von mir nicht zu erörtern."

Damit beendet Högl die Befragung Hartmanns - und weist darauf hin, dass man die Protokolle seiner Befragung vom 18. Dezember und von diesem Tag der Berliner Staatsanwaltschaft zuleiten werde, damit diese dem Verdacht nachgehen kann, ob Hartmann den Ausschuss belogen hat oder nicht. Im Untersuchungsausschuss ist eine Falschaussage strafbar.

Kurz vor Beginn einer in jeder Hinsicht denkwürdigen Befragung des SPD-Innenpolitikers vertraten die Mitglieder des Ausschusses unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der Schritt Hartmanns, sich nicht zur Sache äußern zu wollen, zu deuten ist. Armin Schuster (CDU) sagte, der Schritt könne Hartmanns Glaubwürdigkeit "erheblich untergraben"; seine Entscheidung sei "rechtlich zulässig, aber politisch ein Affront". Auch Irene Mihalic (Grüne) nannte den Schritt "ungeheuerlich".

Nach dem Ende der Sitzung forderte Frank Tempel von der Linken eine "Distanzierung der SPD" von ihrem Abgeordneten Hartmann - so klingt eine unverhohlene Aufforderung, den Politiker aus der Fraktion auszuschließen. Die Frage stelle sich nicht, entgegneten die Sozialdemokraten. Es sei vielmehr "extrem ärgerlich" und "nicht vorhersehbar" gewesen, dass Hartmann sich nicht äußern wollte, sagte Obfrau Högl. Es sei jedoch falsch, deswegen "Rückschlüsse über den Wahrheitsgehalt einzelner Aussagen" Hartmanns zu ziehen.

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