Edathy-Affäre:Wann das Bundeskriminalamt petzen muss

"Wichtige Ereignisse" muss das BKA dem Innenministerium melden. So war es im Fall Edathy. Doch was ist "wichtig"? Die Grünen fordern ein Gesetz, um die Immunität der Bundestagsabgeordneten zu garantieren. Der Regierung werfen sie grobe Fahrlässigkeit vor.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Fall Edathy hat viele Facetten, die in den vergangenen Wochen zu grundsätzlichen Betrachtungen Anlass gegeben haben: Hat das Strafrecht im Bereich der Kinderpornografie Lücken, die dringend geschlossen werden müssen? Oder besteht die Gefahr, dass das Recht durch weitere Verschärfungen zum Moralrecht mutiert? Darf ein Innenminister zum vermeintlichen oder tatsächlichen Wohle des Landes Informationen weitergeben, die eigentlich vertraulich sind? Und: Ist es zeitgemäß, dass gegen einen solchen Minister nur mit Zustimmung des Innenministeriums ermittelt werden darf?

Eine Frage ist bisher aber ziemlich untergegangen: Hätte das Bundeskriminalamt den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) überhaupt über die Vorwürfe gegen Sebastian Edathy informieren dürfen? Schließlich war der Sozialdemokrat damals Bundestagsabgeordneter - er genoß sogar noch den Schutz der Immunität. Friedrich bekam also kompromittierende Informationen über einen politischen Gegner, gegen den noch nicht einmal ermittelt wurde. Und das, obwohl selbst das BKA damals zu der Auffassung gelangt war, dass die von Edathy bezogenen Knaben-Bilder vermutlich nicht in die strafbare Kategorie fallen.

Schutzrecht gegen Übergriffe der Exekutive

Für die Grünen hat das Verhalten des Bundeskriminalamts deshalb einen Hautgout. Schließlich würde ein solches Vorgehen, wenn es denn Schule machte, die Immunität als Schutzrecht des Parlaments gegenüber einer möglicherweise übergriffigen Exekutive gefährden. In einer Anfrage an die Bundesregierung wollten die Grünen deshalb wissen, auf welcher Rechtsgrundlage das BKA den Minister informiert hat.

Die Antwort ist jetzt da - und man kann nicht sagen, dass sie die Grünen zufrieden stellt. "Die Bundesregierung erkennt zwar, dass die Weitergabe von personenbezogenen Daten, wie hier des Namens von Edathy, ein rechtliches Problem darstellt", sagt Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Die Regierung wolle "sich mit diesem Problem aber nicht weiter auseinandersetzen". Das sei "zumindest grob fahrlässig". Um was geht es?

"Nicht hinnehmbare" Rechtsgrundlage?

In ihrer Antwort verweist die Regierung auf einen Erlass des Innenministeriums "an alle seine Geschäftsbereichsbehörden", dazu gehört auch das BKA. Darin sei festgelegt, dass bei "wichtigen Ereignissen" das Ministerium "unverzüglich schriftlich per E-Mail zu unterrichten" sei. Dieser Erlass sei "von der Arbeitsebene veranlasst und vom zuständigen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern gebilligt" worden.

Für die Regierung ist das eine ausreichende Rechtsgrundlage, sie hält es nicht für nötig, die Berichtspflicht auch per Gesetz zu regeln. Die Regierung stört sich auch nicht daran, dass der Erlass nur schwer zu bekommen ist. Anders als Hunderte vergleichbare Verfügungen des Innenministeriums wurde er nicht in die Datenbank des Bundes für Verwaltungsvorschriften aufgenommen. In diese würden derartige Erlasse nur dann aufgenommen, "wenn dies für allgemein bedeutsam erachtet wird", erklärt die Regierung in ihrer Antwort an die Grünen trocken.

In dem Erlass vom 8. November 2010 wird der Begriff "wichtige Ereignisse", über die das Innenministerium zu unterrichten sei, zwar präzisiert. Die Formulierungen sind aber so allgemein gehalten, dass man fast jedes größere Fehlverhalten von Bundestagsabgeordneten darunter subsumieren kann. So sind wichtige Ereignisse laut Erlass auch "alle Informationen, Erkenntnisse, Vorgänge und Ereignisse von grundsätzlicher politischer...Bedeutung, die einen politischen Bezug aufweisen und parlamentarische...Auswirkungen möglich erscheinen lassen".

Schwammiger Erlass bringt Behördenleiter in die Bredouille

Die Grünen verlangen deshalb eine Präzisierung des Erlasses. "Ein System, das aus politischen Gründen eine Information der Bundesregierung über ein mögliches Strafverfahren gegen eine Abgeordneten vorsieht, bevor die zuständige Staatsanwaltschaft den Bundestag eingeschaltet hat", sei nicht hinnehmbar, sagt Beck. Außerdem sollten die Details der Auskunftspflicht nicht in einem einfachen Erlass, sondern in einem Gesetz geregelt werden.

Aber wie hätte das Bundeskriminalamt dann mit dem Fall Edathy umgehen sollen? "Das BKA hätte den Minister nur darüber informieren dürfen, dass es Ermittlungen gegen Hunderte von Verdächtigen wegen Kinderpornografie gibt - und dass unter diesen auch ein Abgeordneter ist", sagt Beck. Den Namen Edathy hätte das BKA aber keinesfalls nennen dürfen. Dies müsse klargestellt werden.

Bisher sei der Erlass so schwammig formuliert, dass er auch Behördenleiter wie den BKA-Präsidenten in die Bredouille bringe. "Muss er bei politisch bedeutsamen Fällen die Klarnamen mitliefern oder darf er dies im Gegenteil gerade nicht tun?", diese Frage beantworte der Erlass ja gerade nicht, sagt Beck. Auch deshalb müssten die Regeln schnell geändert werden.

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