Süddeutsche Zeitung

Ecuador:Moreno versucht, die Lage zu beruhigen

  • In Ecuadors Hauptsstadt Quito und anderen Städten kam es am Donnerstag wieder zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.
  • Präsident Lenín Moreno hat mittlerweile Gespräche mit Vertretern der demonstrierenden Gruppen begonnen.
  • Seit mehr als einer Woche protestieren die Menschen in Ecuador gegen Sparmaßnahmen der Regierung.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Die ecuadorianische Regierung hat am Donnerstag nach schweren Unruhen Gespräche mit Vertretern der Gruppen begonnen, die seit einer Woche gegen ihre Reformpolitik protestieren. Einen Streik der Bus- und Taxifahrer konnte sie beilegen, Bauern und Indigenen versprach Präsident Lenín Moreno Kredite und eine Verbesserung der Infrastruktur. An der Streichung der Treibstoffsubventionen will der Präsident jedoch festhalten. "Indigene Brüder, ich habe euch nie angegriffen, ich habe euch immer mit Respekt und Zuneigung behandelt, und das will ich nun wieder tun", sagte Moreno; und schob nach: "Ich freue mich, dass ihr eure friedlichen Kundgebungen von den schädlichen Elementen getrennt habt."

Gemeint waren Anhänger von Morenos Vorgänger Rafael Correa. Der lebt im belgischen Exil. Moreno hat ihn in einer Fernsehansprache für die Krawalle verantwortlich gemacht. Auch für Donnerstag waren trotz der Gespräche wieder Proteste angekündigt. In Quito und anderen Städten kam es denn auch zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Steine flogen, Autoreifen wurden angesteckt und Barrikaden gebaut. Demonstranten blockierten Straßen und besetzten Erdölförderanlagen. Die Polizei setzte gepanzerte Fahrzeuge ein. Am Mittwoch hatte ein Generalstreik weite Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt.

Seit mehr als einer Woche protestieren die Menschen in Ecuador gegen Sparmaßnahmen der Regierung. Dabei geht es vor allem um eine drastische Erhöhung der Treibstoffpreise. Über Jahrzehnte hinweg waren diese in dem südamerikanischen Land stark subventioniert, nun aber ist Ecuador hoch verschuldet, die Regierung sucht darum nach Einnahmequellen, genauso wie nach Möglichkeiten, Ausgaben einzusparen. Ende September erklärte Ecuador, aus der Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) auszutreten. So kann das Land die Fördermenge erhöhen und mehr Einnahmen generieren.

Gleichzeitig hat sich Ecuador Geld beim Internationalen Währungsfonds geliehen, insgesamt mehr als vier Milliarden Dollar. Der Kredit ist aber mit Auflagen verbunden, welche die Regierung nun umsetzen muss. Das Maßnahmenpaket umfasst Privatisierungen, Kürzung von Urlaub bei Staatsangestellten, Einschränkungen beim Arbeitsschutz, vor allem aber eine Streichung der Treibstoffsubventionen. Sie haben den Staat alleine dieses Jahr schon über 1,4 Milliarden Dollar gekostet.

Am Donnerstag vergangener Woche traten die neuen Regelungen in Kraft, über Nacht stiegen die Preise für Benzin um ein Viertel, die für Diesel verdoppelten sich. Viele Menschen waren geschockt. Teurer Treibstoff kann Bauern und Arbeiter um die Existenz bringen. Gleichzeitig bedeuten höhere Preise für Benzin und Diesel auch teurere Lebensmittel und Konsumgüter. Viele Ecuadorianer fühlen sich von ihrer Regierung betrogen. Präsident Lenín Moreno war 2017 mit einer moderat linken Agenda angetreten. Viele sahen in ihm eine gemäßigte Variante seines exzentrischen Vorgängers Rafael Correa, der Ecuador von 2007 bis 2017 regiert hatte. Mittlerweile verbindet die Männer offene Feindschaft. Moreno hat seit seinem Amtsantritt immer stärker marktliberale und konservative Positionen eingenommen.

Die Regierung ist mittlerweile in die Hauptstadt zurückgekehrt

Gewerkschaften, Studentenverbände und indigene Gruppen schlossen sich darum den Demonstrationen an, zu denen Bus- und Taxifahrer am letzten Donnerstag aufgerufen hatten. Die Heftigkeit der Proteste überrumpelte die Regierung, vor allem auch die Schlagkraft der mächtigen Konföderation der Indigenen Völker, Conaie. Polizeiwagen gingen in Flammen auf, Demonstranten schafften es sogar, kurzzeitig ins Parlamentsgebäude einzudringen. Lenín Moreno verhängte den Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre. Kurzzeitig verlegte er den Regierungssitz nach Guayaquil. Die Hafenstadt ist das wirtschaftliche Zentrum Ecuadors, sie liegt weit weg von den Anden, wo die indigenen Gruppen stark sind.

Moreno selbst hat seinem Vorgänger die Schuld an den Unruhen gegeben. Dieser plane einen Staatsstreich, erklärte Ecuadors Präsident in einer Fernsehansprache. Correa selbst bestreitet alle Vorwürfe. Kein externer Faktor sei schuld an den Protesten, sondern allein die schlechte Wirtschaftsführung der Regierung, sagte Correa. Er würde gerne wieder kandidieren, aber seit einem Referendum 2018 verbietet ein Gesetz unbegrenzte Wiederwahl. Der Freitag ist ein landesweiter Feiertag in Ecuador, viele Menschen fahren da lieber aufs Land zu ihren Familien, statt zu demonstrieren. Die Regierung hofft, dass dies die Lage beruhigen könnte

Anm. der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass der regierende Bürgermeister von Guayaquil zu einer Gegendemonstration aufrief. Bei dem Mann handelt es sich allerdings um den ehemaligen Bürgermeister. Wir haben die Textpassage korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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SZ vom 11.10.2019/mkoh
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