Ebola im Kongo:Wo Ärzte Waffen tragen

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Wie vielerorts im Ostkongo wurden auch in der Stadt Beni im vergangenen Jahr viele Gräber für Opfer des Ebola-Virus ausgehoben. (Foto: Jerome Delay/AP)

Trotz Tausender Helfer und neuer Krankenstationen bleibt die Zahl der Ebola-Neuinfektionen im Kongo hoch. Weil Regierung und Ausländer bisher selten Gutes brachten, sind dort viele misstrauisch.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

"Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dauert die Epidemie noch zwei oder drei Jahre", sagt Jean-Jacques Muyembe. Es ist Anfang August in Goma, der Millionenstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, als Muyembe einen neuen Ebolafall in der Stadt vermelden muss - etwa 300 Kilometer entfernt vom ursprünglichen Epizentrum der Seuche. Ein Jahr nach ihrem ersten Ausbruch dort breitet sie sich immer noch weiter aus, trotz aller internationalen Hilfe. Nur etwa die Hälfte aller Fälle würden identifiziert, sagt Muyembe, der Beauftragte der kongolesischen Regierung zur Bekämpfung von Ebola. Die restlichen Infizierten können weiter unbemerkt Verwandte anstecken, Freunde oder einfach Fremde auf der Straße - eine Berührung genügt.

Zehn Ebola-Epidemien sind seit der Entdeckung des Virus im Kongo 1976 aufgetreten, meist blieb das Gebiet lokal begrenzt, konnte die Krankheit nach einem überschaubaren Zeitraum wieder besiegt werden. Diesmal ist es anders, diesmal droht die Infektion auch auf die Nachbarländer Ruanda und Uganda überzugreifen, wo bereits zwei Fälle registriert wurden.

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Vor genau einem Jahr meldete Kongo eine Ebola-Epidemie. Seitdem sind fast 1800 Menschen an der Krankheit gestorben - zuletzt gab es zwei Todesfälle in der Grenzstadt Goma. Jetzt reagierte das Nachbarland.

2700 Infektionsfälle wurden offiziell registriert - 1800 der Erkrankten starben

Die Weltgesundheitsorganisation hat Mitte Juli den internationalen Notstand ausgerufen, erst zum fünften Mal in ihrer Geschichte. Etwa 2700 Ebola-Fälle wurden bisher offiziell registriert, mehr als 1800 Menschen starben. Hilfsorganisationen haben Tausende Helfer, ganze Krankenstationen, Geländewagen und Impfstoffe ins Land gebracht, dennoch steigt die Zahl der Neuerkrankungen eher an. Der Mai war bisher der schlimmste Monat.

Es mangele nicht an internationaler Aufmerksamkeit oder der Ausstattung, berichten Helfer. Ein großes Problem sei die Bevölkerung, die sich oft nicht helfen lasse. "Das Misstrauen und die gewalttätigen Angriffe gegenüber den Ebolahelfern nehmen nicht ab, erst am 13. Juli wurden zwei Pfleger getötet", berichtet etwa die Organisation Ärzte ohne Grenzen.

Die Epidemie wütet in einem Teil des Kongo, in dem die Menschen seit Jahrzehnten nur schlechte Erfahrungen mit allem gemacht haben, was von außen kam. Die Belgier wüteten hier so brutal wie kaum eine andere Kolonialmacht in Afrika. Jahrzehnte später bekämpften sich zwischen 1998 und 2003 Truppen aus neun Nationen und Dutzende Milizen in einem Krieg, der so viele Opfer forderte wie kein anderer nach dem Zweiten Weltkrieg. Seitdem ist es kaum besser geworden, marodierende Gruppen kämpfen um Rohstoffe und terrorisieren die Bevölkerung, mehr als drei Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Es ist ein Umfeld voller Misstrauen und Gerüchten, lange allein gelassen von der Welt und der eigenen Regierung, in dem die Helfer nun mit teuren Geländewagen auftauchen und plötzlich neueste Gerätschaften mitbringen. "Ihr macht mit uns Geschäfte", lautet ein Vorwurf, den die Ärzte häufig hören.

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Mehr als 200 Angriffe gab es bisher auf Helfer und Kliniken, was dazu führte, dass Ärzte nur noch schwer bewaffnet in die Krisenregionen kommen, was wiederum bei der Bevölkerung Misstrauen und Angst schürt. Kongolesische Regierungssoldaten haben in einigen Fällen Kranke mit vorgehaltener Waffe zusammengetrieben. Nach Befragungen von Hilfsorganisationen glaubt bis zur Hälfte der Betroffenen gar nicht an Ebola, sondern an eine Intrige der Regierung.

Ganz unbegründet sind solche Ängste nicht, das Regime in der Hauptstadt Kinshasa hatte Ende 2018 die Wahlen in zwei Provinzen im Ostkongo abgesagt - mit der Begründung, die Ebola-Epidemie mache die Abstimmung unmöglich. In Wahrheit war die Krise eine willkommene Ausrede, der Opposition die Stimmen aus zwei ihrer Hochburgen zu verwehren.

Aus der gefälschten Wahl ging Félix Tshisekedi als Sieger hervor, dessen Regierung hat nun einen Haushalt von sechs Milliarden Euro, was in etwas dem Jahresbudget der Stadt Köln entspricht - für ein Land mit 80 Millionen Einwohnern, das so groß ist wie ganz Westeuropa. Viele westliche Regierungen akzeptierten die gefälschte Wahl, dementsprechend skeptisch sind nun die Bewohner gegenüber den Helfern aus dem Ausland.

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Die hatten bei der Krise in Westafrika in den Jahren 2014 und 2015 die Erfahrung gemacht, dass Ebola auch deshalb lange nicht unter Kontrolle zu bekommen war, weil die Gesundheitssysteme von Ländern wie Liberia und Sierra Leone schnell in sich zusammenbrachen. Im chronisch korrupten Kongo wurde deshalb eine Art Parallelsystem etabliert, die Zentren zur Ebola-Behandlung befinden sich meist außerhalb des bisherigen Gesundheitssystems.

Von den Betroffenen werden sie aber oft als Orte wahrgenommen, in denen Menschen sterben, nicht als solche, in denen geholfen wird. Viele Erkrankte kommen erst spät in die Kliniken, was die Heilungschancen verschlechtert. Derzeit sterben etwa zwei Drittel der Erkrankten, bei früher Behandlung könnten es viel weniger sein. Wer Ebola überlebt, ist lebenslang immun.

"Wir hoffen darauf, hier bald die ersten Menschen heilen zu können", sagt Jean-Jacques Muyembe zur Situation in der Millionenstadt Goma. In anderen Regionen habe sich gezeigt: Die positiven Erlebnisse einer Heilung sprechen sich in Windeseile herum, die Vorurteile gegen die Ebola-Kliniken sinken.

Aus Sicht vieler Kongolesen ist Ebola nur eine Gefahr unter vielen - die Malaria fordert mehr Opfer

Gleichzeitig drängen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen darauf, die Hilfsangebote wieder stärker in das kongolesische Gesundheitssystem zu integrieren. Aus Sicht des Auslandes hat die Bekämpfung von Ebola höchste Priorität, es soll eine Ausweitung der Epidemie auf die Nachbarländer verhindert werden. Aus der Sicht vieler Kongolesen ist Ebola aber nur eine Gefahr unter vielen anderen. Die Versorgung im Ostkongo ist schlecht, weit mehr Menschen sterben dort an den Folgen von Malaria als an Ebola.

Impfungen sind hier weitgehend unbekannt, die gegen das Ebola-Virus steht bei manchen im Verdacht, die Seuche erst auszulösen. Wer erkrankte Angehörige in ein Ebola-Zentrum bringt, verliert zudem erst einmal den Kontakt zu ihnen, kann sie höchstens durch dicke Plastikfolien sehen.

Dennoch gibt es auch Fortschritte, entlang der Straßen im Ostkongo sind an vielen Orten Stationen aufgebaut, an denen sich die Durchreisenden die Hände desinfizieren können. Viele Hinterbliebene beerdigen ihre Verstorbenen rasch nach deren Tod, was weitere Ansteckungen verhindert. Die Bewohner der Regenwald-Regionen halten vermehrt Abstand zu Flughunden und Affen, die die Krankheit übertrage. Mehr als 170 000 Menschen wurden bisher mit einem effektiven Impfstoff behandelt. Bald soll ein zweites Präparat zum Einsatz kommen - Jean-Jacques Muyembe, der Regierungsbeauftragte des Kongo im Kampf gegen die Seuche, prüft es bereits.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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