Süddeutsche Zeitung

E-Zigaretten:Viel Dampf zum Rauch

Nach allem, was man bisher weiß, sind sie weniger schädlich als ihr klassisches Pendant. Harmlos sind sie damit allerdings noch lange nicht.

Von Berit Uhlmann

Als der chinesische Tüftler Hon Lik Anfang des Jahrtausends seine elektronische Version der Zigarette vorstellte, erntete er zunächst nur ein mildes Lächeln. Das Gerät wirkte künstlich, die Vermarktung stümperhaft. Es gab Berichte über Produktionsfehler und kryptische Gebrauchsanleitungen. Doch bald sahen Forscher Potenzial in der Erfindung. Die E-Zigarette verbrennt schließlich keinen Tabak, sondern verdampft Nikotin. Dabei entstehen deutlich weniger Schadstoffe als bei der herkömmlichen Zigarette. Die Hoffnung war, dass die E-Zigarette ähnlich wie Nikotinkaugummis den Ausstieg aus dem Tabak ermöglichen könnte.

Seither hat sich einiges verändert. Die E-Zigarette ist vom Nischenprodukt zu einem profitablen Industriezweig geworden, längst ist auch die Tabakindustrie eingestiegen. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die Branche in ein Produkt investiert, dessen Hauptzweck es ist, sich selbst überflüssig zu machen. Die Folgen sind in den USA zu sehen, wo der Markt eher lax reguliert ist. Dampfgeräte sind dort weniger Ausstiegshilfe, sondern befördern eher den Einstieg neuer Generationen. Jeder fünfte Highschool-Schüler dampft - angelockt von einem coolen Design, dem oft hohen Nikotingehalt und Aromen, die besonders Jugendliche ansprechen, die gerade erst noch Kinder waren: Kaugummi, Vanillemilch, Mango-Smoothie. Klingt zudem doch alles ganz harmlos.

Deutschland ist davon weit entfernt. Allerdings beobachtet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), dass junge Menschen auch hier die E-Zigarette zunehmend ausprobieren. Die Daten des Zentrums scheinen zu bestätigen, was bereits andere Studien herausgefunden hatten. E-Zigaretten sind nur mäßig zur Tabakentwöhnung geeignet. 86 Prozent aller Dampfer in Deutschland rauchen trotzdem weiter. Den doppelten Konsum nennt das DKFZ "problematisch, da ein gesundheitlicher Vorteil durch E-Zigaretten vor allem dann entsteht, wenn sie herkömmliche Zigaretten vollständig ersetzen".

Prinzipiell gibt es Konsens darüber, dass E-Zigaretten weniger schädlich sind als ihr klassisches Pendant. Harmlos sind sie deshalb nicht. Sie enthalten unter anderem Propylenglykol und bisweilen Aromen, die die Atemwege reizen, sowie Formaldehyd, das krebserzeugend ist. Was macht das auf Dauer mit dem Körper? "Die Langzeitfolgen des Konsums von E-Zigaretten lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht umfassend abschätzen. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen aber, dass von diesen Geräten eine beträchtliche Gesundheitsgefahr ausgeht", sagt Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Erschwerend kommt hinzu, dass der lukrative Markt so viele verschiedene Geräte und Liquids hervorbringt, dass die Forschung kaum hinterherkommt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt davor, dass neue Produkte mit noch unbekannten Risiken einhergehen können. Darunter fallen neue Flüssigkeiten und besonders leistungsstarke Geräte, bei denen große Mengen Dampf direkt in die Lunge gelangen. Auch nikotinfreie Liquids seien problematisch, weil sie nicht unter das Tabakrecht fallen und damit weniger streng reguliert sind.

Zudem haben die Geräte ein Missbrauchspotenzial, das sich auf erschreckende Weise in den USA zeigt. 2300 meist junge Menschen leiden an schweren Lungenproblemen, wahrscheinlich, weil sie Öl mit dem Cannabis-Inhaltsstoff THC in die Kartuschen ihrer E-Zigaretten gefüllt hatten. 47 sind gestorben.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2019
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