„Wenn ich in Kneipen dampfe, dann nur so, dass es niemanden stört.“ Ben Neubauer demonstriert, wie er langsam den weißen Dampf herausbläst, der sich in wenigen Sekunden verflüchtigt. Hinter ihm stapeln sich kleine bunte Verpackungen wie in einem Kiosk. Auf der Theke vor ihm liegen verschiedene Modelle von E-Zigaretten: rund, schmal, mintgrün oder eckig, handbreit, in Gold. Aus einer Musikbox in der Ecke rappt Snoop Dogg.
Neubauer verkauft in einem der kleinen Pipeline-Stores in München „Vapes“, elektronische Zigaretten, mit denen aromatisierte „Liquids“ in allen möglichen Geschmacksrichtungen verdampft werden können. „Solange ich niemanden belästige, schade ich ja beim Dampfen niemandem“, antwortet Neubauer auf die Frage, was er von einem Verbot von E-Zigaretten in Kneipen hält. Denn darüber wird gerade in einigen Bundesländern diskutiert.
Die Europäische Kommission empfiehlt, den Nichtraucherschutz auszuweiten
Schätzungen zufolge nutzen knapp drei Prozent der Deutschen die Alternative zur qualmenden Zigarette. Den Großteil machen jüngere Menschen zwischen 14 und 24 Jahren aus. Verboten ist der Konsum von E-Zigaretten bisher nur in öffentlichen Einrichtungen oder im Nah- und Fernverkehr. Hessen bildet dabei die einzige Ausnahme, dort ist Dampfen generell in Nichtraucherbereichen schon seit 2021 untersagt.
Vergangenen Dienstag kam allerdings eine Empfehlung der Europäischen Kommission: Die EU-Mitglieder sollen ihren Nichtraucherschutz auch auf neue Produkte ausweiten. Rechtsverbindlich ist diese Empfehlung nicht. Regeln für das Rauchen und Dampfen bestimmen in Deutschland letztlich ohnehin die Bundesländer. Seit Cannabis im April dieses Jahres legalisiert wurde, wird aber bereits über Änderungen der jeweiligen Landesnichtraucherschutzgesetze (LNRSG) diskutiert. Darum liegt bei manchen Bundesländern nun auch der Umgang mit der E-Zigarette auf dem Verhandlungstisch.
Vergangene Woche hat die niedersächsische Landesregierung eine Gesetzesänderung des LNRSG vorgeschlagen. Demnach soll das Dampfen von E-Zigaretten dem „normalen“ Rauchen gleichgestellt werden. Überall dort, wo Rauchen verboten ist, wäre dann auch das Dampfen verboten.
Der Bundesverband der Tabakwirtschaft findet den Vorstoß „übergriffig“
Das Deutsche Krebsforschungszentrum befürwortet eine solche Änderung, wie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung, das sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um den gesundheitlichen Verbraucherschutz beschäftigt. Passivdampfen sei „potenziell gesundheitsschädlich“, heißt es in dem neuen Gesetzentwurf. Die SPD in Niedersachsen sieht die Anpassung des Nichtraucherschutzgesetzes deshalb als präventiven Schritt, insbesondere für sensible Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schwangere und ältere Menschen.
Auch in Baden-Württemberg steht eine Änderung des LNRSG bevor. Mit einer breiten Bürgerbeteiligung wurden Ideen und Vorschläge gesammelt, die im Landtag bis zum Ende des Jahres diskutiert und berücksichtigt werden sollen. Auch dort wird der Umgang mit E-Zigaretten und deren Gebrauch in gastronomischen Betrieben voraussichtlich Thema sein.
Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse ist ebenfalls in die Bürgerbeteiligung eingebunden. Ein pauschales E-Zigarettenverbot in Nichtraucherbereichen findet der Verband aber falsch. „Übergriffig“ nennt der Geschäftsführer Jan Mücke diese Idee. „Produkte werden hier gleichgesetzt, die nicht gleichgesetzt werden könnten.“
Sogar Ben Neubauer mag die dicken Dampfwolken nicht
Ben Neubauer aus dem Pipeline-Store sieht das ähnlich. Man müsse differenziert an die Sache rangehen. „Dampfen ist nicht gleich Dampfen“, sagt er, während er einem Kunden das „Menü“ mit den verschiedenen Aromen präsentiert. Auch zwischen den E-Zigarettenmodellen gebe es große Unterschiede. Mit „Direct Lung“-Verdampfern zum Beispiel würden die Leute dicke Dampfwolken ausstoßen, die auch er unglaublich störend findet. „Mouth to Lung“-Modelle dagegen ähneln etwas mehr dem klassischen Rauchen und haben teilweise fast gar keine Dampfentwicklung. „Aber egal wie, am Ende schadet Passivdampfen ja niemandem“, sagt Neubauer.
Das sieht Wolfram Windisch anders. „E-Zigaretten sind nicht gesünder als Zigaretten“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Je nach Zusammensetzung der Inhaltsstoffe könne deren Toxizität, also die gesundheitsschädigende Wirkung, sogar höher sein als bei Zigaretten. Das sei medizinisch unbestritten. Allerdings mangele es an Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Folgen. Und wie gefährlich das Passivdampfen ist, müsse ebenfalls noch genauer untersucht werden.
Zwar könne man davon ausgehen, dass Passivdampfen weniger gesundheitsschädlich ist als Passivrauchen, denn im Gegensatz zu Rauch wird Dampf bereits nach wenigen Sekunden flüssig, regnet zu Boden und verschwindet somit aus der Luft. Dennoch, so Windisch, müsse davon ausgegangen werden, dass Restbestände in der Luft zurückbleiben, die bei einer passiven Inhalation gesundheitsschädlich sein könnten.
„Wir müssen wegkommen von dem ganzen Zeug“, sagt Lungenfacharzt Windisch
Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2022 bestätigt eine potenzielle Gesundheitsgefährdung. Etwa 2000 überwiegend jugendliche Studienteilnehmer wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtet. Jene, die regelmäßig passiv dem Dampf von E-Zigaretten ausgesetzt waren, zeigten im Vergleich mit jenen ohne Kontakt ein 40 bis 50 Prozent höheres Risiko für bronchiale Beschwerden.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin hat gemeinsam mit mehr als einem Dutzend weiterer medizinischer Fachgesellschaften mehrere Positionspapiere verfasst, in denen sie sich für stärkere Regulierungen von E-Zigaretten aussprechen und vor deren Verharmlosung warnen.
Für Wolfram Windisch trägt das unregulierte Dampfen im öffentlichen Raum zudem dazu bei, auch das Rauchen im Allgemeinen wieder mehr zu normalisieren. „Wir müssen wegkommen von dem ganzen Zeug“, fordert der Lungenfacharzt. Dennoch hält Windisch eine breitere Debatte über den gesellschaftlichen Umgang mit dem Rauchen und Dampfen für wichtiger als eine Diskussion über ein Verbot.
Einem potenziellen Verbot von E-Zigaretten in Innenräumen und Nichtraucherbereichen sieht Ben Neubauer gelassen entgegen. Viele Kneipen würden ohnehin bereits von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und E-Zigaretten nicht dulden. Für seinen Laden befürchtet er aber keine besonderen wirtschaftlichen Konsequenzen. „Die Leute, die Bock auf Dampfen haben, kommen und kaufen. Ob mit oder ohne Einschränkungen.“