E-Mail-Liste "Organizing for America":Obama und die Superwaffe

Barack Obamas perfekte Wahlkampfmaschine will unter dem Namen "Organizing for America" weiterbestehen. Amerikas Parteien, Verbände und Medien zittern jetzt schon.

Barbara Vorsamer

Schon vor der Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten spekulierte Washington darüber, was das Obama-Team mit der Liste anstellen werde. "Die Liste" war von so unschätzbarem Wert, dass irgendwas mit ihr geschehen musste.

Er will interaktiv regieren: Präsident Barack Obama

Er will interaktiv regieren: Präsident Barack Obama

(Foto: Foto: AP)

Besitzer der Liste war David Plouffe, der Wahlkampfmanager von Barack Obama: 13 Millionen Namen stehen darauf, inklusive E-Mail-Adressen und verschiedener demographischer Angaben. Und als Plouffe nach der Wahl eine kumpelhafte E-Mail mit der Frage "Bist du noch dabei?" an die 13 Millionen Menschen schickte, antworteten fast alle mit: "Ja."

So sind sie nun Mitglied geworden bei Organizing for America, der Nachfolgeorganisation von Barack Obama for America, die nun die Domain barackobama.com weiter nutzt. Der Eigendarstellung zufolge sind ihre Ziele, Basisdemokratie zu fördern und die Agenda des Präsidenten zu unterstützen.

Beschreibungen von anderer Seite gibt es nicht viele. Denn noch nie hat ein Präsident mit so einer Liste in der Tasche das Weiße Haus bezogen. Obwohl Obama offiziell gar nicht mehr die Kontrolle über die Liste hat: Da er die Adressen für politische Zwecke gesammelt hat, dürfen sie nicht von der Regierung weiterverwendet werden.

Obamas Wunsch war daher, dass eine unabhängige Organisation die Kontakte verwaltet. Daraufhin musste er sich vorwerfen lassen, er wolle neben der Demokratischen Partei eine Gegenorganisation aufbauen. Nun hat sich der Präsident mit dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Tim Kaine, geeinigt: Organizing for America bleibt eigenständig, ist jedoch an das Democratic National Committee angeschlossen.

Organizing for America organisiert nun E-Mail- und Telefonaktionen, mobilisiert Helfer und setzt Themen - global und lokal. Am Wochenende zum Beispiel machte die Website mit den Überschwemmungen in North Dakota und Minnesota auf, bat die Mitglieder um Hilfe und verlinkte zum Roten Kreuz.

Wie schon im Wahlkampf nutzt die Seite alle Möglichkeiten, die das Netz bietet: Die Mitglieder finden zu jedem erdenklichen Thema detaillierte Informationen, es gibt zahlreiche weiterführende Links, Videos, Downloads und interaktive Applikationen. Barackobama.com ist mit jedem wichtigen sozialen Netzwerk verlinkt - und ist selbst eines. Jedes Mitglied kann sich eine mybarackobama.com-Seite erstellen und sich mit anderen Obama-Fans anfreunden.

Während bis vor einigen Jahren Marketingorganisationen noch für jeden versendeten Brief Porto bezahlen mussten, fliegen nun virtuelle Informationen kostenlos durchs Netz. Trotzdem hat Organizing for America ein Jahresbudget von 75 Millionen Dollar.

Obama-Manager David Plouffe

Mastermind hinter Organizing for America ist David Plouffe, der Wahlkampfstratege, dem Barack Obama seinen Wahlsieg verdankt. Seine Idee war auch die Eichhörnchen-Strategie: der erfolgreiche Plan des Obama-Teams, nicht auf einzelne große Staaten zu setzen, sondern Staat für Staat und Distrikt für Distrikt um jede einzelne Wählerstimme zu kämpfen.

E-Mail-Liste "Organizing for America": Der Mann hinter der Maschine: Barack Obamas ehemaliger Wahlkampfleiter David Plouffe

Der Mann hinter der Maschine: Barack Obamas ehemaliger Wahlkampfleiter David Plouffe

(Foto: Foto: AFP)

Um mit so einer Strategie gegen die prominenten Politprofis Hillary Clinton und John McCain zu bestehen, brauchte Plouffe zweierlei: Zum einen die durchdachteste Internetkampagne, die es jemals gegeben hatte. Über das Netz sammelte die Obama-Kampagne Spenden, rekrutierte Freiwillige und schickte Informationen raus. Die Seite Barackobama.com war modern, attraktiv und interaktiv - und ist es nun unter dem neuen Namen Organizing for America immer noch.

Außerdem war Plouffe klug genug, nicht nur auf das Netz zu setzen. "Nie darf man sich zu sehr auf neue Technologien verlassen", erklärte der erfolgreiche Studienabbrecher dem Magazin Esquire. "Klinkenputzen und Telefonanrufe sind noch immer das, worauf es im Wahlkampf ankommt." Was er aber auch sagt: Ein Großteil der Freiwilligen, die Flugblätter verteilt und Wähler angerufen haben, sind über das Netz zur Kampagne gestoßen. Auch die meisten Spenden hat Obama über das Internet bekommen.

Mit der genialen Kombination aus altbewährten Mitteln und hochmoderner Technik gelang Plouffe ein schwindelerregender Erfolg: Barack Obama wurde Präsident - ein Junior-Senator, ein im Vergleich zu Clinton und McCain unbeschriebenes Blatt, ein Afroamerikaner, ein Jungspund.

Es ist kein Wunder, dass Gegner Obamas bei dem Gedanken, dass diese Maschine nun weiterläuft, Schwindelanfälle bekommt. Republikanische Blogs wie 24ahead.com beschreiben Organizing for America als gefährlich und gruselig. Auch Lobbyorganisationen müssen um ihren Einfluss auf das politische Washington fürchten. Denn wie Obama selbst will Organizing for America keinen Cent von Lobbyisten annehmen - und darüber hinaus jeden an den Pranger stellen, der das Geld nimmt.

Die mächtigen Verbände der USA versuchen daher, Organizing for America als digitalen Mob hinzustellen, der ohne jegliche Berechtigung in die politische Debatte eingreift. Auch die Medien fürchten um ihre Funktion als Vermittler, weil der Präsident mit Hilfe dieser Website direkt mit den Bürgern kommuniziert. "Die Regierung beginnt eigenen Journalismus zu betreiben und schaltet so jede unabhängige Stimme aus", beschwerte sich die Journalistenvereinigung Committee of Concerned Journalists.

Bedenken bei den Demokraten

Obamas Kabinett - hier geht's zur Grafik

Obamas Kabinettl



Sogar Obamas eigene Parteifreunde haben Angst vor seiner Mobilisierungskraft. Denn wer 13 Millionen Wähler erreichen kann, bringt Abweichler schnell wieder auf Kurs. Derzeit versucht der Präsident genau das: Um den Kongressabgeordneten und Senatoren die Zustimmung für seine Wirtschaftspolitik abzutrotzen, versucht er, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu bringen - kräftig unterstützt von Organizing für America.

Auch vor wenigen Wochen, als der Präsident mit dem Kongress um die Zustimmung zu seinem 878 Milliarden Dollar schweren Konjunkturpaket rang, versuchte die Organisation Einfluss zu nehmen. Barack Obama wandte sich über die Website mit einer Videobotschaft an seine Anhänger, in der er sagte: "Wir können den Traum am Leben erhalten. Aber die Menschen müssen dies einfordern." Er bittet seine Zuhörer um Engagement und darum, "auch ihre Freunde und Nachbarn von dem Programm zu überzeugen".

Das taten sie: Die Bürger schrieben Millionen E-Mails an ihre Abgeordneten, um sie dazu zu bringen, dem Gesetz zuzustimmen, und sie diskutierten auf mehr als 3500 Hauspartys und privat organisierten Treffen über die Krise, die Konjunktur und ihren Präsidenten. Trotzdem musste Barack Obama auf die parteiübergreifende Unterstützung verzichten, die er sich für sein erstes wichtiges Gesetzesvorhaben gewünscht hat. Das Konjunkturpaket wurde nur knapp verabschiedet.

Die Zeit wird zeigen, wie groß der Erfolg der selbsternannten Graswurzelorganisation ist und wie gefährlich sie tatsächlich werden kann. Es hängt davon ab, ob die 13 Millionen wirklich bei der Stange bleiben - und wie lange noch.

Denn statt für Polit-Popstar Barack Obama müssen sie nun für die sperrige Agenda des Präsidenten werben. Statt den Slogan "Change" zu verbreiten, gilt es nun, komplizierte Zusammenhänge zu erklären. Und anders als ein Wahlkampf hat diese Kampagne weder ein klares Ziel noch ein absehbares Ende.

Doch wenn auch nur ein Bruchteil der Organizing-for-America-Mitglieder bis 2012 dabei bleibt, wird Obama für seine Wiederwahl eine der schlagkräftigsten Organisationen aller Zeiten haben. Obamas zweite Amtszeit sei aber im Moment kein Thema und auch keineswegs das Ziel von Organizing for America. Behauptet zumindest Organizing for America.

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