Süddeutsche Zeitung

Dunkle Gründerjahre des BKA:Braune Wurzeln

Zuerst Gestapo, dann Bundeskriminalamt: Viele hohe Beamte der frühen BKA-Jahre hatten NS-Vergangenheit. Nun arbeitet die Behörde die Zeit auf.

Hans Leyendecker

Ende der fünfziger Jahre bestand die Führungsetage des Bundeskriminalamtes (BKA) aus 47 Beamten. Nur zwei von ihnen hatten keine braune Weste. Viele waren bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gewesen, bei Einsatzgruppen oder der Geheimen Feldpolizei, die vor allem in Weißrussland schwere Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung begangen hatte. 33 der Beamten hatten als ehemalige SS-Führer gedient.

Auch einige der Gründer des BKA waren dem Terrorregime der Nazis willfährig gewiesen, bei etlichen ihrer engsten Mitarbeiter handelte es sich entweder um Täter oder zumindest um frühere Mitläufer. Sie fanden damals leicht Zuflucht im neuen Polizei- und Sicherheitsapparat und auch im Bundesinnenministerium. Für ein Fortkommen in der von alten Kameraden durchsetzten Behörde war die frühere Teilnahme an Lehrgängen der "Führerschule" hilfreich und nicht etwa ein Hindernis.

Erstmals wird nun das BKA über diese dunkle Gründerzeit diskutieren. In drei Kolloquien soll die Geschichte der Behörde aufgearbeitet werden. Auf der Eröffnungsveranstaltung an diesem Mittwoch in Wiesbaden sprechen BKA-Präsident Jörg Ziercke, der Schriftsteller Ralph Giordano und der Historiker Hans-Gerd Jaschke.

In den BKA-Kolloquien soll auch darüber diskutiert werden, "ob und mit welchem Inhalt Kriminalbekämpfungsansätze und Konzepte bruchlos fortgeschrieben" wurden und ob sich, wie manche Kritiker meinen, noch "Verbindungslinien zur heutigen Aufgabenwahrnehmung zeigen".

Erst nach der für Oktober geplanten Abschlussveranstaltung soll entschieden werden, ob bei Historikern eine gründliche Studie über die NS-Vergangenheit der Behörde in Auftrag gegeben wird. Andere Ministerien, wie beispielsweise das Auswärtige Amt, haben schon vor Jahren Historiker mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte beauftragt.

Noch vor zwei Jahren hatte der damalige Dienstherr der Sicherheitsbehörden, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), erklären lassen, es bedürfe keiner solchen Studie. Zu dem Thema gebe es bereits "umfassende historische Untersuchungen", einschließlich "der Rolle und der Tätigkeit der ehemaligen Reichsregierung".

Zum Thema BKA und NS-Zeit liegt aber - neben ein paar kleineren Studien - lediglich eine größere Arbeit des früheren BKA-Direktors Dieter Schenk vor. In seinem vor sechs Jahren erschienenen Buch "Auf dem rechten Auge blind - Die braunen Wurzeln des BKA" hatte er die Übernahme belasteter Funktions- und Elitenträger des Dritten Reiches in den Bereich der Polizei geschildert.

Mit großer Mehrheit war 1951 vom Bundestag der Artikel 131 des Grundgesetzes verabschiedet worden. Darin wurde die Wiedereinstellung von Beamten geregelt, die "aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen" entlassen worden waren - wegen ihrer NS-Vergangenheit. "Wir sollten jetzt mit der Nazi-Riecherei Schluss machen" erklärte ein Jahr später der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer. Das war der Startschuss zu einer Art Resozialisierung der NS-Kriminalbeamten.

Einer von ihnen war der Alt-Nazi Theo Saevecke, der im BKA Referatsleiter für Hoch- und Landesverrat wurde. Als Polizeichef von Mailand hatte er die Erschießung von Widerstandskämpfern geleitet. Er überstand im Amt alle Disziplinarverfahren. Erst 1999 wurde er in Italien wegen seiner Verbrechen in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Jahr später starb er.

Das Leitungspersonal des BKA der fünfziger und sechziger Jahre, so Schenk, sei "auf schlimmste Weise unmittelbar in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt" gewesen. Dementsprechend hätten "Duckmäusertum, Wagenburgverhalten und autoritärer Führungsstil" geherrscht. Spätestens 1943, SS-Chef Heinrich Himmler war von Hitler zum Innenminister berufen worden, war die Einheit von Schutzpolizei, SS und Gestapo fast erreicht.

Die Sicherheitsbehörden agierten als Vollstrecker und organisierten den Staatsterror der Nazis. Beispielsweise wurden sogenannte Asoziale von der Kripo in Konzentrationslager verschleppt. Dazu schreibt Schenk: "Es war nicht die Aufgabe der Gestapo, sondern der Kriminalpolizei, Menschen durch einen Vorbeugehaftbefehl in den oft sicheren Tod zu schicken."

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SZ vom 8.8.2007
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