Duisburg: Loveparade-Katastrophe:Die Schuld der Bürokraten

Ein neuer Bericht der Staatsanwälte wirft der Duisburger Stadtverwaltung eklatante Fehler bei der Genehmigung der Loveparade vor. Einem Dezernenten der Stadt sollen sogar alle Gefahren bekannt gewesen sein - doch das Event war politisch gewollt.

Bernd Dörries

Im vergangenen Jahr hat Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das ihn und die Stadt freisprechen sollte von jeglicher Schuld an der Loveparade-Katastrophe. Fast 300.000 Euro hat die Stadt ihren Anwälten bezahlt, die lieferten, was in Auftrag gegeben wurde, während Opfer und Hinterbliebene auf Entschädigung warteten.

Loveparade

21 Menschen starben auf der Duisburger Loveparade, als der Besucherstrom zwischen Tunnel und einer Rampe zum Gelände außer Kontrolle geriet.

(Foto: dpa)

Nun ist klar, dass das Gutachten der mit der Stadt eng verbundenen Juristen wenig wert ist: Die Verwaltung hat nach Ansicht der ermittelnden Duisburger Staatsanwaltschaft eklatante Fehler bei der Planung der Parade gemacht. In einem 452-seitigen Zwischenbericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: "Die Genehmigung hätte zu keinem Zeitpunkt erteilt werden dürfen" - sie sei "rechtswidrig".

Der Bericht rekapituliert die gesamte Entstehungsgeschichte der Loveparade und des Unglücks. Am 24. Juli waren 21 Menschen gestorben, weil der Besucherstrom zwischen Tunnel und einer Rampe zum Gelände außer Kontrolle geriet. Die Staatsanwälte kommen zu dem Schluss, dass bei Stadt und Veranstalter - der Firma Lopavent des Fitnessstudio-Betreibers Rainer Schaller - eindeutige Planungsfehler gemacht und Sicherheitsbedenken bewusst ignoriert wurden. Die Polizei handelte auch nicht immer richtig, hatte mit einem Ausfall von Funk- und Handynetz zu kämpfen, man reagierte zu langsam auf die sich anbahnende Katastrophe.

Der Stadt, besonders einem verantwortlichen Dezernenten, werfen die Ermittler vor, ihm seien bei der Genehmigung "alle Gefahrenpunkte bekannt" gewesen. Dennoch habe er darauf "gedrängt", das Festival müsse stattfinden, es sei "politisch gewünscht". Das ist auch ein Verweis auf das Verhalten des Oberbürgermeisters, der wie viele im Ruhrgebiet wohl der Ansicht war, man könne sich im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres keine Absage leisten. Sauerland ist wie Schaller derzeit noch kein Beschuldigter im Verfahren, das sich wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung gegen elf Mitarbeiter der Stadt, vier von Lopavent sowie die Einsatzleiter der Polizei richtet.

Die Staatsanwälte hoffen, noch in diesem Jahr eine Anklage erheben zu können. Aus ihrer Sicht war das Gelände mit dem schmalen Zugang durch einen Tunnel grundsätzlich die falsche Wahl. Sie glauben aber, dass die Katastrophe durch beherztes Eingreifen noch hätte verhindert werden können. Spätestens am Morgen des Unglückstags hätten alle Beteiligten erkennen müssen, dass entscheidende Voraussetzungen der Genehmigung nicht eingehalten waren. So habe Lopavent nicht so viele Ordner wie vereinbart eingesetzt, um die Besucher von der Rampe auf das höher gelegene Festivalgelände zu lotsen.

Vor allem fehlte aber die bei Großveranstaltungen obligatorische Lautsprecheranlage, um bei Problemen die Massen lenken zu können. "Hätten sie die erforderlichen Prüfungen sorgfältig vorgenommen, hätten sie den Abbruch der Veranstaltung veranlassen müssen", heißt es im Bericht über die Versäumnisse zweier Stadt-Mitarbeiter.

Sauerland hatte nach der Katastrophe noch behauptet, weder er noch seine Mitarbeiter hätten Fehler gemacht - sich nun aber doch zu einer Art moralischen Verantwortung durchgerungen. Nach langem Schweigen entschuldigte er sich am Montag im Duisburger Rat bei Opfern und Hinterbliebenen. Für viele Betroffene kam das ein Jahr zu spät. Sie wollen ihn bei den Gedenkveranstaltungen in den kommenden Tagen nicht dabei haben.

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