Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Kindergärten in Nordrhein-Westfalen werden nach Überzeugung von Familienminister Joachim Stamp (FDP) trotz Corona-Krise nicht über Jahre in der Notbetreuung bleiben müssen. Die Landesregierung sei dabei, einen neuen Regelbetrieb zu organisieren, erklärte er am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags. Dieser Übergang werde wissenschaftlich begleitet. Noch vor den Sommerferien sollten alle Kinder wieder in frühkindliche Angebote eingebunden werden, bekräftigte Stamp.
Damit räumte der Minister eine missverständliche Äußerung ab: Wenn er gesagt habe, dass ein normaler Regelbetrieb wie vor der Pandemie erst komme, wenn ein Impfstoff da sei, dann habe er einen Regelbetrieb gemeint wie er bislang gesetzlich formuliert sei. Er habe keineswegs Eltern signalisieren wollen, dass es damit nun für Monate oder gar bis Ende 2021 oder Anfang 2022 nur Notbetreuung in NRW gebe.
Vorerst werde die Notbetreuung aber weiter ausgebaut, sagte Stamp. Bund und Länder seien gemeinsam zu der Auffassung gelangt, dass aus Infektionsschutzgründen eine durchschnittliche Größenordnung von zehn Prozent der üblichen Besetzung vorerst nicht überschritten werden sollte. „Wir haben an Uniklinik-Standorten aber schon deutlich mehr in der Notbetreuung gehabt - in anderen Bereichen wiederum gar keinen“, sagte Stamp. NRW sei im Vergleich zu anderen Ländern mit der erweiterten Notbetreuung schon deutlich vorangeschritten.
Bislang sind hier bereits zahlreiche Berufsgruppen definiert, die Eltern erlauben, ihre Kinder wieder in die Kita oder zu Tageseltern zu geben. Das gilt auch für den Nachwuchs erwerbstätiger Alleinerziehender und für gefährdete Kinder.
Wie das Familienministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf berichtete, waren in dieser Woche laut Rückmeldungen aus rund 80 Prozent der Kitas 8,7 Prozent der zur Verfügung stehenden Notbetreuungsplätze belegt. Insgesamt wurden demnach täglich rund 46 000 Kinder betreut. In der Vorwoche seien es mit rund 32 000 Kindern erst 6 Prozent gewesen.
Als nächstes sollten Kinder mit sonderpädagogischem und vor allem mit sprachlichem Förderbedarf wieder in die Einrichtungen kommen dürfen sowie Vorschulkinder, kündigte Stamp an. Das sei wichtig für einen guten Übergang in die Grundschule. „Der Abschluss von Kita ist ein Lebenseinschnitt“, betonte Stamp. Dieser Übergang dürfe nicht „zerfasern“.
Einen festen Zeitplan für die Aufnahme weiterer Kita-Kinder nannte der FDP-Politiker nicht. Er sei noch in Gesprächen mit den Trägern, erwiderte Stamp auf entsprechende Kritik aus der Opposition.
„Es ist eine unglaublich historisch schwierige Aufgabe, in differenzierten Schritten ein solches System wieder hochzufahren“, betonte der Minister. „Wir werden das mit aller Sorgfalt, mit aller Leidenschaft und auch, wo es irgendwie geht, mit hohem Tempo machen, weil wir nicht einen Tag länger als es unbedingt notwendig ist, den Kindern in Nordrhein-Westfalen diese Situation zumuten wollen.“
Der Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter beklagte in einer Mitteilung zu viele Interpretationsspielräume für Kita- und Schulleitungen, wer in die Notbetreuung dürfe. „Alleinerziehende brauchen Klarheit“, unterstrich die Vorsitzende Nicola Stroop. Für systemrelevante Berufe - etwa in der Pflege oder im Einzelhandel - müsse die Notbetreuung auch in Randzeiten und am Wochenende gesichert werden.
Zudem fordert der Verband ein „Corona-Elterngeld“. Nicht für alle Alleinerziehenden sei der Zugang zur Notbetreuung die optimale Lösung. Wenn ein Kind zur Corona-Risikogruppe zähle und zu Hause betreut werden müsse, hätten Vater oder Mutter derzeit keinen Anspruch auf Lohnersatzleistung, kritisierte Stroop.
Alle Landtagsfraktionen sprachen sich dafür aus, Konzepte zu erstellen, um schnellstmöglich unter Einhaltung des Infektionsschutzes wieder die Spielplätze öffnen zu können. Stamp versicherte, es sei auch der Wunsch der Landesregierung, jetzt zu verantwortungsvollen Lösungen für die Spielplätze zu kommen.
Der SPD-Abgeordnete Dennis Maelzer schlug vor, Sozialpädagogen einzubeziehen. Es könne jedenfalls nicht sein, dass Ordnungsamtsmitarbeiter demnächst in schwarzen Uniformen um die Spielplätze herum liefen, um Schaukelzeiten zu protokollieren.
Maelzer forderte die Landesregierung zudem auf, Eltern zu ermöglichen, sich in kleinen, festen Gruppen bei der Kinderbetreuung zu helfen - auch wenn Stamp Zweifel habe, dass solche „Corona-Gemeinschaften“ rechtssicher seien. „Sonst werden Eltern den Weg auf eigene Faust im Verborgenen gehen, mahnte Maelzer. „Keine Regelung ist die gefährlichere Variante.“
Die Oppositionsfraktionen forderten außerdem, die Elternbeiträge so lange verbindlich auszusetzen, bis es wieder reguläre Angebote für alle gebe. Stamp lehnte eine schon auf Monate im Voraus festgelegte Regelung ab. „Wir geben bewusst kein Signal, dass es im Juni genauso mit der Notbetreuung weitergeht wie im Mai.“ Deswegen werde weiterhin Monat für Monat entschieden.