Der Herrgott, die Touristen oder doch die Politik - wer ist schuld am Wassermangel in Katalonien? Seit Monaten herrscht Dürre im Nordosten Spaniens, Meteorologen zufolge waren die vergangenen beiden Jahre die trockensten seit 1914, dem Beginn der Aufzeichnung. "Wir haben 32 Monate Dürre hinter uns", resümierte Kataloniens Regionalpräsident Pere Aragonès an diesem Dienstag und nannte die Wasserknappheit das Problem höchster Priorität für seine Regierung. Er verspricht ein Maßnahmenpaket, aber das verspricht er nun schon eine Weile und liefern kann er es nicht, aus politischen Gründen, die mit fehlenden Mehrheiten und bald bevorstehenden Kommunalwahlen zu tun haben. Am liebsten wäre ihm wohl, er könnte es einfach regnen lassen.
Derweil versuchen die Menschen, das Problem selbst anzugehen. Landwirte säen in diesen Wochen Wintergetreide statt Mais und Gemüse. Das bringt zwar weniger Geld, außerdem steigen die Preise für viele Produkte, die weniger angebaut werden. Aber immerhin liegen die Felder so nicht brach. Die Wasserreservoire sind in diesem Frühjahr gerade einmal zu 42 Prozent gefüllt, normalerweise sind es um diese Zeit 73 Prozent. In anderen Jahren hilft die Schneeschmelze. Nur, Schnee gab es in diesem Winter in den Pyrenäen auch kaum. Besonders gravierend ist die Dürre in der Provinz Barcelona. Dort liegen die Füllstände der Reservoire bei 14 Prozent, normal wären 78 Prozent.
Und so hat der Bischof von Solsona, hundert Kilometer weiter im Landesinneren, sich kürzlich direkt an den Herrgott gewandt und ihn um Regen gebeten. Zu seiner Messe kamen rund 500 Gläubige. Anschließend trugen sie bei einer Prozession die Marienfigur der Heiligen Jungfrau von Torrents über die staubigen Wege. Geholfen haben die Gebete bislang nicht. Bis auf ein kurzes Gewitter an diesem Donnerstag bleibt die Wettervorhersage bei gnadenlosen null Prozent Niederschlagswahrscheinlichkeit.
Wenn es der Himmel nicht richten kann, suchen manche die Schuldigen auf Erden: Die Touristen seien die Wasserverschwender, heißt es mittlerweile aus Barcelona, einer Stadt, die unter den Massen an Urlaubern ächzt, auch wenn nicht gerade Dürre herrscht. Eine aktuelle Auswertung der Agentur für Stadtentwicklung Barcelona Regional zeigt, dass Hotels zwölf Prozent des verfügbaren Trinkwassers verbrauchen. Ein Tourist der Luxusklasse verschwende fünfmal so viel Wasser pro Tag wie ein Bewohner der Stadt.
Nun streitet man darüber, ob die Hotels in Katalonien in diesem Sommer ihre Swimmingpools füllen dürfen. Regionalpräsident Aragonès war erst dagegen und ist nun doch dafür: Öffentliche Freibäder und private Pools, die gemeinschaftlich genutzt werden, sollen volllaufen dürfen. Zum Wohle der erhitzten Gemüter - und der Tourismusbranche.
Wo ein Grund für die Wasserknappheit tatsächlich zu suchen wäre, legen Daten der katalanischen Wasser-Agentur ACA nahe: Deren Erhebungen zufolge gingen im Dürre-Jahr 2022 rund 24 Prozent des Trinkwassers verloren. 1,34 Milliarden Hektoliter versickerten irgendwo. Die ACA sieht die Verantwortung bei den Kommunen und deren maroden Wassernetzen. Das Problem ist nicht neu und doch schauen viele Bürgermeister lieber anderswohin. In den Himmel zum Beispiel, ob da nicht doch eine Regenwolke zu sehen ist.