Landwirtschaft:Stinkt zum Himmel

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Die Landwirte bringen zu viel Nitrat ins Grundwasser - das Problem ist schon lange bekannt: Ein Feld in Brandenburg. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Bundesregierung muss Brüssel endlich einen Plan vorlegen, wie sie die Nitrat-Belastung des Grundwassers in den Griff bekommen will. Das könnte noch ungemütlich für sie werden.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Kommissar wirkte genervt. Selbstverständlich stünden er und seine Leute der Bundesregierung mit Rat und Tat zur Seite bei diesem Prozess, der hoffentlich zur "raschen und vollständigen Einhaltung" der Nitrat-Richtlinie führe. "Andernfalls muss ich erwägen, der Kommission vorzuschlagen, den Fall (...) vor den EuGH zu bringen" - den Europäischen Gerichtshof. Dann wird es happig.

Acht Monate liegt dieser Brief von EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius mittlerweile auch schon zurück, gemessen am deutschen Verzug ist das aber ein Wimpernschlag. Seit 30 Jahren gibt es die Richtlinie, seit zwanzig Jahren liegen Brüssel und Berlin darüber im Clinch, und die Gerichte gaben der Kommission regelmäßig Recht. Diesen Freitag nun will die Bundesregierung nach Brüssel einen neuen Plan melden, er soll das Thema buchstäblich beerdigen. Man wolle den Landwirten endlich Planungssicherheit geben , sagt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). "Die peinliche Aufschieberitis beenden wir jetzt." Wobei der Spaß für ihn nun erst richtig losgehen könnte.

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Deutschland reißt die Nitrat-Grenzwerte, so lange es sie gibt. Derzeit melden mehr als ein Viertel aller Messstellen eine Verletzung des Grenzwertes, der bei 50 Mikrogramm je Liter Grundwasser liegt. Und weil vor allem dort fleißig gedüngt wird, wo viel Gülle anfällt, ist der Norden mit seinen großen Ställen besonders betroffen. Überschreitungen finden sich aber faktisch in jedem Bundesland.

Abhilfe sollte eine neue Düngeverordnung schaffen, sie gilt seit Anfang vorigen Jahres. In so genannten "roten Gebieten" sollen die Landwirte seither mit 20 Prozent weniger Dünger wirtschaften. Das sollte die Belastung in jenen Bereichen vermindern, die besonders belastet sind. Zumindest in der Theorie.

Die "roten Gebiete" wachsen um mindestens 30 Prozent

In der Praxis aber führte eine "Allgemeine Verwaltungsvorschrift" in die genau andere Richtung. Sie legte die Kriterien fest, nach denen Länder-Behörden die "roten Gebiete" ausweisen - sah dafür aber eine komplizierte Modellierung aller möglichen Einflüsse vor. So ließen sich Gegenden, in denen Messstellen glasklar überhöhte Nitrat-Werte maßen, dennoch frei von Gülle-Auflagen halten - etwa unter der Annahme, dass unterirdische Grundwasserströme das Nitrat von ganz anderswoher befördert hatten. Und das gelang bei erstaunlich vielen Messstellen. Eine erste Bewertung seiner Dienststellen habe ergeben, so schrieb ein erboster Sinkevičius im Juni, dass 80 Prozent der Überwachungsstellen mit überhöhten Nitratwerten "außerhalb der ausgewiesenen Gebiete liegen".

Bis in den Donnerstagabend hinein verhandelten Bund und Länder darüber, wie eine Neufassung der "roten Gebiete" aussehen könnte - die sich nicht mehr an einer Modellierung, sondern an realen Messwerten orientiert. Nach ersten Abschätzungen werde sich die Fläche der roten Gebiete um mindestens 30 Prozent erhöhen, hieß es aus Ministeriumskreisen. Bislang gelten die strengen Düngeregeln für zwei Millionen Hektar, künftig könnten es einige hunderttausend Hektar mehr sein. Brüssel muss dem Plan aber noch zustimmen.

Deutsche Wasserwerke hatten lange für eine solche Ausdehnung gekämpft. "Eine Dünge-Vorgabe, von der ein Großteil der Flächen ausgenommen wird - das war ein unhaltbarer Zustand", sagt Karsten Specht, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen. "Die spannende Frage wird nun sein, ob die Länder die Vorschläge für besseren Schutz unserer Trinkwasserressourcen mittragen." Schließlich müsse der Bundesrat zustimmen, und das in einem Jahr mit vielen Landtagswahlen. Mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind gleich drei Länder dabei, in denen Nitrat im Grundwasser ein großes Thema ist. "Stimmt der Bundesrat nicht zu, stehen wir wieder bei null", sagt Specht.

Das aber könnte teuer werden. Denn die Drohung des EU-Kommissars aus dem Sommer war nicht aus der Luft gegriffen. Denn einmal schon hatte Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof in der Sache gegen Deutschland gewonnen. Im nächsten Schritt könnte die Kommission nun Strafzahlungen durchsetzen, und zwar bis zu 857.000 Euro - pro Tag. Wie sich Bund und Länder solche Strafen teilen würden, das ist offen.

Die Umweltministerin will "einen großen Konflikt befrieden"

Aber soweit soll es nicht kommen. Ziel sei es, "einen großen Konflikt zu befrieden", sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke, ebenfalls eine Grüne. Die Bundesregierung unterbreite der Kommission einen Vorschlag, "der einen Interessenausgleich zwischen Bauern und einem besseren Umweltschutz findet und das Grundwasser wirklich schützt".

Fragt sich nur, wie viele Bauern ihre Interessen letztlich darin wiederfinden. Mit verminderter Düngung verbinden viele von ihnen weniger den Schutz des Grundwassers als einen Rückgang ihrer Erträge. Der Bauernverband jedenfalls meldete schon einmal Bedenken an. "Für die Ausweisung riesiger roter Gebiete" habe man kein Verständnis, sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken - und das "ohne Berücksichtigung wasserwirtschaftlicher Zusammenhänge". Dem Verursacherprinzip werde das nicht gerecht. Vor zwei Jahren, als über die derzeitige Regelung verhandelt wurde, hatte die Angst vor weiteren Auflagen Tausende Bauern zur Fahrt nach Berlin motiviert - mit dem Traktor.

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