LandwirtschaftDas Düngegesetz droht zu scheitern

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Ein Landwirt in Niedersachsen bringt Gülle auf einem seiner Felder aus.
Ein Landwirt in Niedersachsen bringt Gülle auf einem seiner Felder aus. (Foto: Philipp Schulze/dpa)

Brüssel will, dass Deutschland strenger prüft, was an Gülle und Dünger im Grundwasser landet. Doch nun droht das entsprechende Gesetz im Bundesrat durchzufallen – aus Rücksicht auf die Bauern. Dabei würde es vielen von ihnen helfen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auf so einem Bauernhof herrscht ein Kommen und Gehen. Da liefern zum Beispiel Lastwagen Saatgut und Dünger. Und da fahren, ein paar Monate später, Lastwagen voll mit Getreide und anderen Ackerfrüchten wieder weg. Nährstoffe kommen, in Form von Dünger, und Nährstoffe gehen, in Form von Futter und Lebensmitteln. Dazwischen liegt das Werk des Landwirts. Wenn der aber mehr Dünger verwendet, als seine Pflanzen brauchen, dann gibt es ein Problem.

Dieses Thema beschäftigt deutsche Regierungen nun schon seit etwa 30 Jahren. Diesen Freitag soll das Kapitel eigentlich vorläufig geschlossen werden, im Bundesrat. Doch es sieht eher nach einer Fortsetzung aus. Nach Lage der Dinge wird sich keine Mehrheit für eine Neufassung des Düngegesetzes finden. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses liegt in der Luft. Und jede Menge neuer Ärger.

Grenzwerte für Nitrat werden immer noch überschritten

Darum geht es: Weil auf vielen deutschen Äckern seit Jahren mehr Dünger landet als nötig, zum Beispiel in Form von Stickstoff, werden auch Europas Grenzwerte für Nitrat gerissen. Für die gibt es aber seit 1991 schon eine Richtlinie. Deren Grenzwerte wurden in Deutschland nie eingehalten, bis heute nicht. Just diesen Donnerstag legt das Bundesumweltministerium neue Zahlen vor, danach reiße mehr als ein Viertel der Messstellen im Land den Grenzwert – eine minimale Verbesserung gegenüber den Vorjahren.

2013 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Sie stellte es erst im vorigen Jahr ein, nachdem die Bundesregierung wirksame Antworten auf die Grundwasserkrise in Aussicht gestellt hatte. Darunter jene Novelle des Düngegesetzes, die mutmaßlich an diesem Freitag am Bundesrat abprallen dürfte.

Die Novelle soll vor allem für eine bessere Überwachung des Grundwassers sorgen. Damit würde klarer werden, in welchen Regionen die Grenzwerte gerissen werden. Diese Regionen sind es auch, wo Landwirte das Düngen einschränken müssen, man nennt sie „rote Gebiete“. Doch darin liegt auch eine Ungerechtigkeit: Schließlich sind in diesen Gegenden nicht alle Landwirte gleichermaßen schuld am schlechten Grundwasser.

Ungerechtigkeiten auf dem Acker

Große Viehbetriebe etwa bringen massenhaft Gülle aus und versorgen so nicht nur ihre Pflanzen mit reichlich Stickstoff und Phosphat. Andere dagegen achten peinlich darauf, kein Gramm Wirtschaftsdünger zu viel auszubringen – der kostet schließlich auch Geld. Im roten Gebiet aber müssen sich beide gleichermaßen einschränken.

Als Lösung erdachten schon frühere Regierungen die „Stoffstrombilanz“. Was an Nährstoffen auf den Hof kommt und was ihn wieder verlässt, das sollen Landwirte mit Viehhaltung dokumentieren. Wer auf diese Weise nachweisen kann, dass er nicht überdüngt, muss sich auch nicht einschränken. Doch seit Monaten kämpft auch der Bauernverband gegen diese Art der Bilanzierung, er sieht darin ein Übermaß an Bürokratie. „Es braucht keine Stoffstrombilanz“, klagte Bauernpräsident Joachim Rukwied erst vorige Woche beim Bauerntag in Cottbus. „Die gehört sofort gestrichen.“

Das mögliche Strafmaß liegt bei 1,1 Millionen Euro täglich

Ähnlich sieht das auch der Agrarausschuss des Bundesrats. Es habe sich gezeigt, „dass der Berufsstand der Landwirtschaft massiv bürokratisch überfordert ist“, befand er Ende Juni. Die ganze Bilanzidee erscheine „überholt“. Seine Empfehlung: Ablehnung des ganzen Gesetzes.

Die Folgen sind schwer abzusehen. Der Frieden mit der EU-Kommission wäre erst einmal dahin, das alte Verfahren könnte wieder aufleben; Strafmaß: bis zu 1,1 Millionen Euro täglich. Aber auch alle Pläne, gut wirtschaftende Betriebe von Dünge-Einschränkungen auszunehmen, hätten dann keine Grundlage mehr. „Diese Betriebe sind die Verlierer“, sagt der Kieler Pflanzenbauexperte Friedhelm Taube.

Bis wann über den Vermittlungsausschuss eine neue Lösung gefunden werden könne, sei völlig ungewiss. Und auch von anderer Stelle droht Ungemach: Denn Deutschlands Flüsse und Seen leiden ebenfalls unter Nährstoffen aus der Landwirtschaft, allen voran Phosphor. Brüssel bietet auch dies eine Handhabe, den Bund in die Zange zu nehmen, über die Wasserrahmenrichtlinie.

In ihrer Verzweiflung hat die Bundesregierung den Ländern inzwischen ein ungewöhnliches Angebot unterbreitet. Sollten diese das neu gefasste Düngegesetz passieren lassen, könne die Stoffstrombilanz im September aufgehoben und neu erarbeitet werden, dann als bürokratieärmere „Nährstoffbilanz“. Doch es spricht nicht viel dafür, dass das Angebot verfängt. Es dürfte nur eine weitere Episode werden in einem endlosen Konflikt.

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