·:Duell der Generäle

(SZ vom 06.02.2001) - Ab 21 Uhr deutscher Zeit am heutigen Dienstagabend wird Ehud Barak wieder Klavier spielen und Uhren reparieren können. Dann wird die erste Hochrechnung veröffentlicht - und Israels bisheriger Premierminister arbeitslos. Auch den Vorsitz der Arbeitspartei wird Barak abtreten müssen; schon scharren Parlamentssprecher Avraham Burg und Kabinettsmitglied Chaim Ramon mit den Füßen.

Thorsten Schmitz

Auch Schimon Peres wird Lust auf den Posten nachgesagt. Die Niederlage Baraks im Duell der Generäle gilt als ausgemachte Sache. Die Umfrageergebnisse fallen seit Wochen konstant vernichtend aus für den 58-jährigen Vater dreier Töchter.

Dem einzigen Gegenkandidaten Ariel Scharon vom rechts-nationalen Likud räumen sie einen Vorsprung von 20 Prozentpunkten ein. Keiner seiner neun Vorgänger im Amt des Premierministers hatte in der Geschichte Israels eine kürzere Amtszeit als Ehud Barak.

Erst im Mai 1999 war der höchst dekorierte Soldat Israels und Ex-Generalstabschef mit dem Versprechen angetreten, Regierungschef "für alle Israelis" zu sein. Doch im Stich gelassen von seinen Koalitionspartnern und mit dem Ruf der Arroganz behaftet, muss Barak schon nach 19 Monaten das Zepter wieder abgeben.

An einen, der eigentlich selbst nicht mehr damit gerechnet hat, mit 72 Jahren noch einmal die Geschicke des Landes zu lenken.

Weil die vorgezogene Direktwahl zum Premierminister durch Baraks Rücktritt im Dezember erst kurzfristig anberaumt wurde, blieb den beiden Kandidaten kaum Zeit, ihr Programm unters Wahlvolk zu bringen.

Der Wahlkampf beschränkte sich deshalb darauf, die Fehler des jeweils anderen aufzulisten. Barak suchte Stimmen zu gewinnen, indem er Scharon als Kriegstreiber darstellte und landesweit plakatieren ließ: "Es ist verboten, die Zukunft aufzugeben."

In Fernsehspots wurde Scharons kriegerische Vergangenheit ausgeschlachtet und in Frage gestellt, wie jemand Frieden bringen könne, der den Libanonkrieg initiiert hat, um Jassir Arafat und dessen PLO aus Beirut zu vertreiben.

In den letzten Stunden vor Schließung der Wahllokale machte sich Baraks Team über Scharons Gesundheit lustig und unterstellte ihm Schwerhörig- und Vergesslichkeit.

Scharons Team wiederum erteilte seinem schwergewichtigen Kandidaten, der vom Bauern zum General aufstieg, ein partielles Redeverbot; gegenüber ausländischen Medien schwieg Scharon.

Sein Image als Hardliner, der Palästinenser verachtet und Kriege gegen sie anzettelt, suchten Scharons Helfer zu korrigieren. So gab sich der Likud-Vorsitzende in der Öffentlichkeit sanft wie nie und versicherte unermüdlich:

"Niemand weiß besser als ich, wie Frieden geschaffen werden kann, nach all den Kriegen, an denen ich teilgenommen habe."

Tatsächlich versuchten Barak und Scharon mit den Schlüssel- und Reizwörtern "Frieden" und "Sicherheit" die Wähler zu gewinnen. Allerdings sind ihre Wege dorthin unterschiedlich.

Barak will den Nahost-Konflikt durch einen endgültigen Status zwischen beiden Seiten beenden. Ihm schwebt eine israelisch-palästinensische Region vor, die wirtschaftlich aufblüht und politisch kooperiert.

Barak aber schneidet bei den Umfragen deshalb so schlecht ab, weil er genau das versucht hatte - und nun schon seit vier Monaten ein Mini-Krieg tobt mit mehr als 400 Toten. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Barak wiedergewählt würde, könnte er nicht lange im Amt bleiben: Er fände dasselbe Parlament vor, in dem er seit einem halben Jahr keine Mehrheit mehr besitzt.

Scharon wiederum vermittelt vielen von der Intifada geschockten Israelis die Sicherheit eines mutigen Zionisten, der sich von der Gewalt der Palästinenser nicht einschüchtern lasse.

Was seinem Wahlkampfteam als Katastrophe erschien, war in Wahrheit Wasser auf die Mühlen von Scharons Klientel: In einem Interview mit der Zeitschrift New Yorker lange vor dem Wahlkampf hatte Scharon verraten, was er von Palästinenserpräsident Arafat hält: "Er ist ein Mörder, ein Lügner und ein bitterer Feind."

Scharon schwimmt auf einer Welle der Angst dem Amt des Premierministers entgegen: Die Gewalt, die seine Stippvisite auf der Tempelberg-Esplanade in Jerusalem im September vorigen Jahres mit ausgelöst hatte, hat ihm ein politisches Comeback verschafft.

Er spricht sich gegen die Vorstellung aus, ein Frieden mit den Palästinensern sei realistisch: "Oslo ist tot", findet Scharon im Hinblick auf den in der norwegischen Hauptstadt einst in Gang gesetzten Friedensprozess. Scharon schwebt daher vor, erneut ein langfristiges Übergangsabkommen mit Arafat zu schließen, in dem man sich auf naheliegende Dinge wie einen Gewaltverzicht einigt - und nicht auf grundlegende wie die Zukunft Jerusalems oder die Anteile am Westjordanland, die den Palästinensern zurückgegeben werden sollen.

Auch will Scharon keine einzige jüdische Siedlung aufgeben und widerspricht damit einer der zentralen Forderungen der Palästinenser.

Diese sähen in einem Wahlsieg Scharons denn auch eine "Kriegserklärung".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: