Die drei Männer hatten ein Ziel: Sie wollten Autobomben vor amerikanische Militäreinrichtungen, vor Diskotheken und Bahnhöfen in Deutschland zünden. Den Vorsatz hatten sie einige Monate zuvor in Waziristan, dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, gefasst, in einem Ausbildungslager der Terrorgruppe "Islamische Dschihad-Union". Zurück in Deutschland begannen sie zu planen: "Wenn jeder von uns 50 tötet und ein paar verletzt, dann haben wir mindestens 150 Tote", rechnete einer der Männer in einem abgehörten Gespräch vor. Wenig später schlug die Polizei zu und stürmte ein Ferienhaus im Sauerland und verhinderte damit mutmaßlich den ersten Anschlag von deutschen Dschihad-Rückkehrern.
Seither sind sieben Jahre vergangen. In Waziristan leben nur noch ein paar verstreute Islamisten aus Deutschland. Längst hat Syrien den Hindukusch als Topziel unter deutschen Dschihadisten abgelöst. Hunderte Männer - und auch Frauen - sind seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges bereits dorthin gezogen.
Es ist eine Entwicklung, die Deutschlands Sicherheitsbehörden mit wachsender Sorge beobachten. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach jüngst in einem Interview von einer " potenziellen Gefahr für die innere Sicherheit" der Bundesrepublik Deutschland. Denn in Syrien, so die Angst der Behörden, lernen die Islamisten den Umgang mit Waffen. Sie lernen zu töten. Und die Erfahrung lehrt laut Maaßen: "Wer einmal einen Menschen getötet hat, dem fällt erneutes Töten leichter."
Am 24. Mai ist nun offenbar erstmals eingetreten, wovor die Behörden seit Monaten warnen: Ein radikaler Syrien-Heimkehrer hat auf europäischem Boden einen Anschlag verübt. Der Mann schoss im Jüdischen Museum in Brüssel um sich und tötete ein Touristenpaar aus Israel sowie eine Französin.
320 Islamisten aus Deutschland nach Syrien aufgebrochen
Eine Spur des mutmaßlichen Täters führt auch nach Deutschland: Er war wenige Tage vor dem Anschlag, offenbar aus Asien kommend, mit dem Flugzeug in Frankfurt gelandet - und hatte damit bei der Bundespolizei intern Alarm ausgelöst. Die Bundespolizei warnten ihre französischen Kollegen. Der Islamist aber konnte offenbar unbehelligt weiterreisen. Was genau passiert ist, versuchte die Bundespolizei am Montag noch zu klären.
Dschihadisten:Einsamer Wolf im Heiligen Krieg
Jung und radikalisiert: Der mutmaßliche Attentäter von Brüssel soll über ein Jahr lang an der Seite von syrischen Dschihadisten gekämpft haben. Mehdi Nemmouche ist einer von Hunderten Europäern, die sich Islamisten angeschlossen haben - und von Anschlägen in der Heimat träumen.
Tatsächlich wäre es mehr als peinlich, wenn den Sicherheitskräften ausgerechnet ein einschlägig bekannter Syrien-Rückkehrer durch die Lappen gegangen wäre. Seit Monaten warnen Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt schließlich schon vor der wachsenden Gefahr durch Dschihadisten aus Syrien. Fast wöchentlich korrigiert Verfassungsschutzpräsident Maaßen die Zahl der deutschen Dschihad-Reisenden nach oben. Mehr als 320 waren es, Stand Montag, die nach Syrien aufgebrochen sind. So viele Islamisten sind nicht einmal zu den Hochzeiten von Al-Qaida & Co. nach Waziristan gereist.
Die meisten Kämpfer aus Deutschland schließen sich nach Einschätzung der Behörden dem "Islamischen Staat im Irak und Syrien", kurz: ISIS, an - einer Gruppe, die mittlerweile selbst Al-Qaida zu brutal ist. Angeblich unterhält ISIS regelrechte Schlachthäuser, in denen Dschihadisten das Töten beigebracht wird. Im Internet kursieren bereits Bilder, die deutsche Islamisten zeigen, wie sie mit den abgeschlagenen Schädeln ihrer Gegner posieren. Für Sicherheitsexperten war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein in Syrien radikalisierter und im Umgang mit Waffen geschulter Dschihadist gegen den Westen wendet. In einem Lagebericht des BKA hieß es, Deutschland könne jederzeit Ziel von Dschihadisten werden.
Islamische Extremisten:Deutscher Terror für die Welt
Für Islamisten, gerade aus dem Ausland, war Deutschland lange ein Rückzugsort. Das änderte sich nach 9/11. Internationale Dschihadisten machten die Bundesrepublik zum Ziel ihres Terrors - und auch zu ihrem Stützpunkt. Ein Überblick.
Den Behörden sind oft die Hände gebunden
Vor einigen Monaten hatte das BKA bereits mit Plakaten vor einem Syrien-Kämpfer aus Berlin gewarnt. "Die abgebildete Person ist verdächtig, terroristische Anschläge gegen westliche Einrichtungen und Interessen zu planen", war da zu lesen. Dutzende Dschihadisten sollen längst wieder aus Syrien zurück nach Deutschland gekommen sein, mehrere Rückkehrer hat der Generalbundesanwalt im Frühjahr festnehmen lassen.
Oft sind den Behörden allerdings die Hände gebunden. Allein die Tatsache, dass jemand in Syrien war, reicht nicht für eine Festnahme. Die Ermittler müssen ihm schon eine Straftat nachweisen können. Wie aber soll man das nachweisen, wenn es beispielsweise keine Zeugen und kein Beweisvideo gibt? Assads Polizei kann man schließlich schlecht um Amtshilfe bitten. So wissen die deutschen Ermittler nicht einmal, welcher Rückkehrer in Syrien tatsächlich gekämpft hat. Gemunkelt wird von etwa einem Dutzend, sicher ist man sich aber nicht.
Die einzige Gewissheit, die die deutschen Behörden haben, ist, dass sie nicht allein sind: Auch aus Frankreich, Großbritannien und Belgien sind Islamisten nach Syrien gereist, auch dorthin sind einige zurückgekehrt. Erst Anfang Mai trafen sich Vertreter der Länder zum Austausch von Informationen. Tagungsort war Brüssel - dort, wo nur zwei Wochen später die tödlichen Schüsse fielen.