Dschibuti:Babylon am Horn von Afrika

Dschibuti: 2018 wurde die Zugstrecke eröffnet, erst für den Frachtverkehr - und dann auch bald wieder geschlossen, weil die Gleise unterspült waren. Der Personenverkehr kommt erst jetzt so richtig ins Rollen.

2018 wurde die Zugstrecke eröffnet, erst für den Frachtverkehr - und dann auch bald wieder geschlossen, weil die Gleise unterspült waren. Der Personenverkehr kommt erst jetzt so richtig ins Rollen.

(Foto: Carl de Souza/AFP)

An kaum einem Ort befinden sich so viele ausländische Militärbasen wie in Dschibuti - hier tummeln sich rivalisierende Amerikaner, Chinesen, Europäer. Das kleine Land verdient gut an der Politik.

Von Bernd Dörries, Dschibuti

Alexej sieht aus, als habe er sich als russischer Geheimdienstmitarbeiter verkleidet. Er trägt ein akkurat gebügeltes Kurzarmhemd, einen gepflegten Schnauzbart und hält ein ledernes Herrenhandtäschchen umschlungen am Unterarm. Er ist ein nicht allzu großer Mann, dessen Nachnamen keiner kennt, und steht in der Wüste von Dschibuti. Von links beugt sich ein Mann zu ihm hinunter, der aussieht, als habe er sich als das Klischee eines US-Soldaten verkleidet, grüner Overall, Meister-Proper-Glatze und Stiernacken. Über die beiden fliegt eine französische Mirage hinweg, was Alexej für einen Gesprächsanfang nutzt: "Was fliegst du? F-16?", fragt er den Amerikaner. "Nein, F-15", antwortet der Amerikaner.

Beide lächeln sich an und schauen dem Düsenjet nach, der am Horizont verschwindet. Ein ungleiches Paar mit Herrenhandtäschchen und Stiernacken, Alexej ist der Geheimdienstrepräsentant der russischen Botschaft, der Amerikaner ein ranghoher Soldat im Africa-Command der US-Armee. Um sie herum wuseln spanische Soldaten, eine Abordnung Chinesen in Tarnuniform, die alles fotografiert, dazu Franzosen, Deutsche, Koreaner und Kenianer.

Sie alle sind in die Wüste am Horn von Afrika gekommen, um sich ein Militärmanöver der französischen Streitkräfte anzuschauen, die eine halbe Stunde lang ihre Kampfjets in niedriger Höhe vorbeifliegen und Fallschirmjäger vom Himmel regnen lassen. Am Boden stehen Hunderte Soldaten und Diplomaten, die sich die Ohren zuhalten, wenn die Mirage wieder sehr tief heranfliegt. Zum Schluss gibt es Applaus. Woanders auf der Welt trifft sich das diplomatische Corps eher zu Cocktailempfängen, in Dschibuti laden sich die ansässigen Nationen zum Manöver ein, sonst gibt es nicht viel zu tun.

Diplomaten nennen Dschibuti das neue Casablanca: Es wimmele von Spionen und Interessen

Der kleine Staat am Horn von Afrika hat ein interessantes Geschäftsmodell entwickelt. Er vermietet seinen Boden an die Streitkräfte fremder Länder, die hier Militärbasen bauen. Es läuft gut: Franzosen, Briten, Amerikaner, Italiener, Spanier, Deutsche haben sich angesiedelt, die Japaner haben eine Basis, manchmal legen Schiffe aus Südkorea an. China ist der jüngste Neuzugang, Indien und Saudi-Arabien haben auch schon Interesse angemeldet, nach Dschibuti zu kommen. Es ist eine Mischung aus Ländern, die sich nicht alle freundlich gegenüberstehen. Das neue Casablanca wird Dschibuti schon von Diplomaten genannt, weil es hier wie im Marokko der 40er-Jahre wimmele von Spionen, Interessen, Verrat und Intrigen. Kann das gut gehen auf so engem Raum?

Die Chinesen beklagen sich, dass amerikanische Flugzeuge zu dicht an ihrer Basis vorbeifliegen und spionieren würden. Die Amerikaner werfen den Chinesen vor, heimlich Fotos ihrer Anlagen zu machen. Der damalige nationale Sicherheitsberater John Bolton empörte sich 2019 darüber, dass US-Piloten von chinesischen Laserpointern geblendet und verletzt wurden.

Bisher sind es nur kleine Rangeleien zwischen den rivalisierenden Großmächten. Aber es geht um mehr, es geht um die Vormacht am Horn von Afrika, dem Eingangstor zum Kontinent. Dschibuti liegt an der Meerenge von Bab-el-Mandeb, nur 25 Kilometer zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel, an einer der am dichtesten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Ein strategisch umkämpfter Ort.

"Als die Amerikaner kamen, haben alle gesagt, oh-oh, das gibt sicher Ärger mit den Franzosen. Den gab es aber nicht. Und so blieb es auch, als weitere Länder kamen", sagt Dileita Mohamed Dileita. Er sitzt in einem tiefen Sessel der Lobby des Sheraton Hotels. Zwölf Jahre lang, bis 2013, war er Ministerpräsident von Dschibuti, in einer Zeit, in der das Land seine strategische Lage intensiv zu vermarkten begann. Wie ein Immobilienmakler, der die Lage seines Objektes preist.

"Als wir 1977 in die Unabhängigkeit entlassen wurden, glaubten viele in Europa nicht, dass wir als Staat lange existieren würden", sagt Dileita. Die Nachrichtenagentur AP spöttelte damals, dass das Land keinerlei Ressourcen besitze, "außer Sand, Salz und 20 000 Kamelen". Die New York Times vermutete, dass Dschibuti bald von seinen Nachbarn geschluckt werde, so klein und ärmlich sei es, unfähig, alleine zu überleben. Das Gegenteil trat ein. Dschibuti wurde zu einer stabilen Insel in einer Nachbarschaft voller Bürgerkrieg, Terror und Hunger. "Wir haben es geschafft", sagt Dileita. Ein paar spanischen Soldaten laufen durch die Lobby, die im Hotel ihr Quartier aufgeschlagen haben, weil ihre Präsenz zu klein ist für eine eigene Basis.

"Wir hängen zu 80 Prozent von unserem Meerzugang ab."

"Mehr als 300 Meter muss man hier graben, um auf Wasser zu stoßen", sagt Dileita und schüttelt den Kopf, als würde es ihn immer noch wundern. Der einzige See des Landes hat zehn Mal so viel Salz wie das Meer. Dennoch war das Wasser die Lösung. "Wir hängen zu 80 Prozent von Dienstleitungen ab, also von unserem Meerzugang, von den Häfen." Wer Dschibuti kontrolliert, der kontrolliert die Region.

Die Franzosen blieben nach der Unabhängigkeit gleich mit einer Truppenpräsenz im Land, als eine Art Schutzmacht. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bauten die USA hier ihre größte Basis in Afrika, mit 4000 Soldaten und einem Arsenal an Drohnen, die auf dem halben Kontinent unterwegs sind. Als nächstes kamen die Europäer, Deutsche, Spanier und Italiener, um mit der EU-Mission "Atalanta" die Piraten aus Somalia in Schach zu halten.

Und dann kamen die Chinesen, die nicht nur Soldaten brachten, sondern gleich noch eine Eisenbahn bauten, 750 Kilometer nach Äthiopien, eine Wasserpipeline, Straßen und einen Hafen. Vieles ist auf Pump finanziert, die Opposition im Land sieht die Gefahr einer Schuldenfalle. "Wir haben alles unter Kontrolle", sagt dagegen Ex-Premier Dileita.

Nur einmal ist sie dem Land entglitten. Im Jahr 2014 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter im Restaurant "La Chaumière" in die Luft und töteten einen türkischen Staatsbürger, mehrere Deutsche wurden verletzt. Der "Islamische Staat" übernahm die Verantwortung, das Attentat habe sich gegen die ausländische Truppenpräsenz gerichtet. Das Restaurant liegt am zentralen Platz der Stadt, es gibt eine schattige Terrasse und eine Speisekarte, auf der für alle etwas dabei ist: Wok-Gerichte aus China, Burger aus Amerika, Baguettes für die Franzosen. Viel los ist dennoch nicht.

Die Amerikaner dürfen ihre Basis nicht verlassen, der Abzug der französischen Fremdenlegionäre war ein harter Schlag für die Gastronomie in Dschibuti. Nun sind die Restaurants oft leer in der Altstadt, einem Viertel mit französischer Kolonialarchitektur, die würdevoll vor sich hin modert. Die Hitze lähmt, nur am frühen Nachmittag wird es lebendig, wenn das frische Khat aus Äthiopien ankommt, die berauschenden Blätter, die in ganz Ostafrika gekauft werden und die Menschen in den Abend dämmern lassen. Sehr viel bleibt nicht übrig vom Casablanca-Vergleich, zumindest was die Atmosphäre angeht.

Die 20 bis 80 Soldaten der Bundeswehr vertreiben sich ihre Freizeit am Hotelpool

Man gehe nicht so oft aus dem Haus, sagt Korvettenkapitän Oliver Wellinger. Er sitzt auf der Terrasse des Kempinski-Hotels, vor ihm liegen einige Kameraden am Pool, dahinter ist das Meer. Ein Zimmer kostet hier um die 400 Euro, Wellinger sagt: "Wenn man es mit anderen Einsätzen vergleicht, haben wir es hier sehr gut."

Zwischen 20 und 80 Mann hat die Bundeswehr hier im Einsatz, jeder hat ein Einzelzimmer. Wie die Spanier haben die Deutschen zu wenig Leute vor Ort, als dass es sinnvoll wäre, einen eigenen Stützpunkt zu gründen. Besser wäre es, sich bei den Franzosen einzumieten, was die Regierung von Dschibuti aber nicht so gesehen hat. "Gäste laden keine Gäste ein", heißt es. An den Deutschen verdienen sie gut, wenn sie im Hotel sind, danach nicht mehr.

So lange also wird die Bundeswehr weiter am Pool stationiert sein, zumindest nach Feierabend, tagsüber plant sie den Einsatz eines Seeaufklärers, der während der sechs Monate, in denen es das Wetter zulässt, die Küste vor Somalia nach Piraten abfliegt. "Es ist ein kleiner, aber erfolgreicher Einsatz", sagt Wellinger. Als die EU-Mission "Atalanta" 2008 begann, war die Küste vor Somalia ein Haifischbecken, kaperten somalische Piraten Frachtschiffe und verlangten Lösegeld.

Der Verband Deutsche Reeder schätzte den Schaden auf fünf Milliarden Euro im Jahr. Mittlerweile ist es so ruhig geworden, dass der Einsatz verkleinert wurde und sich womöglich bald neue Ziele suchen muss. Die illegale Fischerei vor den Küsten Ostafrikas vielleicht, was ein möglicher Konfliktpunkt mit China wäre, dessen Fischflotten die Meere des Kontinents ausplündern.

Auch Ex-Premier Dileita ist mittlerweile der Ansicht, dass es schon genug Reibungspunkte gibt, noch mehr Militärstützpunkte vielleicht keine gute Idee wären, trotz vieler Millionen Mieteinnahmen. Den Interessenten aus Russland und Iran habe man schon abgesagt.

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