Drohung von Sepp Blatter:"Ich vergebe jedem, aber ich vergesse nicht"

FIFA President Blatter makes a speech before the election process at the 65th FIFA Congress in Zurich

Sepp Blatter in seinem Element: Der Schweizer zeigt sich nach seiner Wiederwahl im Attackemodus.

(Foto: REUTERS)
  • Obwohl die US-Fahnder weiter ermitteln, bringt sich Sepp Blatter direkt nach seiner Wiederwahl in den Angriffsmodus.
  • Der Fifa-Präsident attackiert seinen Widersacher Michel Platini und dessen Uefa scharf - und kündigt Überraschendes an.
  • Jack Warner und Franz Beckenbauer geben erstaunliche Kommentare ab.

Die Aufregung um den Fußball-Weltverband findet kein Ende. Nach der Wiederwahl von Sepp Blatter zum Fifa-Präsidenten deutet sich an, dass der Verband und seine Machenschaften weiter untersucht werden. Der Chef der US-Steuerfahndung geht von weiteren Anklagen im Fifa-Korruptionsskandal aus. Nach einem Bericht der New York Times sagte Richard Weber: "Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine weitere Runde von Anklagen haben werden."

Weber wollte nach Angaben der Zeitung die übrigen Ziele der US-Ermittlungen nicht nennen. Er wollte auch nicht sagen, ob darunter auch der soeben im Amt bestätigte Blatter sei. Die US-Behörden gingen aber davon aus, dass weitere Personen in kriminelle Handlungen verwickelt seien.

Blatter selbst ließ es sich nach seinem Erfolg nicht nehmen, die amerikanischen Justizbehörden scharf anzugreifen - auch Uefa-Boss Michel Platini attackierte der Schweizer scharf. Es gebe "einen Hass, der nicht nur von einer Person bei der Uefa kommt, aber von der Uefa als Organisation, die nicht verstanden hat, dass ich 1998 Präsident geworden bin", sagte der 79 Jahre alte Schweizer in einem TV-Interview des Schweizer Sender RTS.

Vor 17 Jahren hatte sich Blatter gegen den Uefa-Widersacher Lennart Johansson durchgesetzt - gerüchteweise soll es auch damals schon zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gekommen sein. Platini hatte Blatter vor dem fünften Wahlsieg am Freitag beim Fifa-Kongress in Zürich gegen den einzigen Gegenkandidaten Prinz Ali bin al-Hussein zum Rücktritt aufgefordert. "Ich vergebe jedem, aber ich vergesse nicht", sagte Blatter dazu in bedrohlichem Tonfall. Diese Forderung von Platini und die Festnahmen von sieben Fußball-Funktionären in Zürich zwei Tage vor der Wahl auf Antrag von US-Behörden seien "kein Zufall".

Blatter weiter: "Es gibt Zeichen, die nicht täuschen: Die Amerikaner waren Kandidaten für die WM 2022 und sie haben verloren." Zudem sieht er einen Zusammenhang zwischen dem Jordanier al-Hussein und den USA. "Man darf nicht vergessen, dass sie der Hauptsponsor des haschemitischen Königsreichs sind, also von meinem Gegner. Diese Sache riecht nicht gut", sagte Blatter.

Nach Ermittlungen aus den USA waren am Mittwoch sieben Spitzenfunktionäre, darunter auch die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay), in Zürich festgenommen worden. Insgesamt stehen 14 Personen unter Korruptionsverdacht.

Voller Freude über seine wiedererstarkte Macht bereitete Blatter am Freitag die nächste Konfrontation mit den gerade geschlagenen Gegnern aus Europa vor. Noch bevor der 79 Jahre alte Schweizer in Zürich die vierte Wiederwahl als Fifa-Präsident mit seiner Fußballfamilie feierte, nutzte er die Gelegenheit auf der Kongress-Bühne für Nadelstiche in Richtung Uefa.

Die angekündigte Ausdehnung des Exekutivkomitees für wohlgesonnene Konföderationen soll den europäischen Einfluss in der Weltregierung des Fußballs beschneiden. Und für die Exko-Sitzung am Samstag im noblen Fifa-Sitz mit Verhandlungen über die Plätze für die umstrittenen Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar annoncierte Blatter: "Wir haben ein Meeting, sie werden mir zuhören, sie werden einige Informationen und Botschaften erhalten - einige von ihnen werden überrascht sein."

Beckenbauers erstaunliches Statement

Schon seine Ankündigung einer Kommission für Profifußball war ein Angriff auf die Uefa, die dies mit der ertragreichen Champions League als ihr Hoheitsgebiet ansieht. Auch die Momente nach der Wahl zeigten das frostige Verhältnis: Demonstrativ blieb Michel Platini als einziger auf dem Podium sitzen. Als Blatter auf seiner Gratulationstour an seinem früheren Freund vorbeikam, entstand ein kleiner peinlicher Moment, bevor sich beide für einen jugendlichen Handschlag auf Brusthöhe entschieden.

Franz Beckenbauers Reaktion fiel unterdessen deutlich euphorischer aus. Er lobte Blatter nach dessen Wiederwahl und bescheinigte den Gegenspielern des Schweizers eine schlechte Strategie "Blatter ist ohne Zweifel eine starke Persönlichkeit, die ein gewaltiges Standing in der Welt besitzt", sagte der Fußball-Kaiser in einem Interview der Thüringer Allgemeinen.

Die europäischen Widersacher Blatters kritisierte Beckenbauer. "Die Uefa hat ja noch nicht einmal einen eigenen Kandidaten vorzuweisen. Wenn ich etwas ändern will, dann muss ich eine Alternative anbieten", sagte das frühere Exekutivkomitee-Mitglied des Fußball-Weltverbandes. Blatter habe letztlich leichtes Spiel gehabt. "Er hat ja im Grunde immer nur die Europäer gegen sich, sofern die überhaupt in der Lage sind, geschlossen aufzutreten."

Neues gibt es derweil von einem ehemaligen Weggefährten Blatters. Der frühere Fifa-Vizepräsident Jack Warner (Trinidad und Tobago) hat die Vorwürfe gegen seine Person wegen Korruption im Zusammenhang mit Fußball-Geschäften zurückgewiesen. Auf einer Pressekonferenz in Port of Spain bezeichnete der nach einem Haftbefehl aus den USA gegen Kaution freigelassene Ex-Minister die Ermittlungen der US-Behörden als Vergeltungsmaßnahme für die Niederlage bei der Bewerbung um die WM-Endrunde 2022 gegen Katar.

Warner, der 2011 wegen Verstößen gegen den Fifa-Ethikcode aus dem Fußball-Weltverband ausgeschlossen wurde, zeigte drei Tage nach seiner vorübergehenden Festnahme keinerlei Anzeichen für Bereitschaft zur Kooperation mit den US-Ermittlern: "Als sie mich ins Gefängnis steckten, dachten sie, sie würden mich brechen, aber im Gegenteil: Sie haben mich nur stärker gemacht."

Warner hatte sich am vergangenen Mittwoch nach den von den USA beantragten Festnahmen mehrerer seiner Ex-Funktionärskollegen vor dem Fifa-Kongress in Zürich in seiner Heimat der Polizei gestellt. Gegen eine Kaution von umgerechnet 360.000 Euro konnte der frühere Ticket- und Fernsehrechtehändler das Gefängnis wieder verlassen. Über Warners Auslieferung an die USA, wo die Justiz dem früheren Boss des Kontinentalverbandes CONCACAF (Nord- und Mittelamerika sowie Karibik) Betrug und Geldwäsche zur Last legt, soll voraussichtlich im Juli eine Entscheidung fallen.

Die US-Ermittlungen, sagte Warner auf der Pressekonferenz, "sind praktisch etwas Persönliches. Seit die USA 2010 die WM-Endrunde 2022 nicht bekommen haben, versuchen sie, ihren Schmerz auf die Fifa und die entscheidenden Personen bei der Wahl abzuwälzen". Warner gehörte viele Jahre zu den engsten Vertrauten Blatters. Im Zuge zwielichtiger Vereinbarungen erhielt Warner mehrfach wertvolle TV-Rechte an WM-Turnieren für seinen Einflussbereich für einen symbolischen Preis von einem Dollar und konnte dadurch aus dem Weiterverkauf der Senderechte Millionen-Gewinne erzielen. 2011 überwarf sich Warner mit Blatter, machte seine damalige Androhung von explosiven Enthüllungen bislang allerdings nicht wahr.

Einen ersten Verdrossenen haben die aktuellen Entwicklungen auch schon hervorgebracht: Der Engländer David Gill, früherer Club-Direktor von Manchester United, hat seinen sofortigen Rückzug aus dem Fifa-Exekutivkomitee erklärt. "Dieser Schritt fällt mir nicht leicht, aber die fürchterlich beschädigenden Ereignisse der letzten drei Tage haben mich überzeugt, dass es nicht angemessen ist, unter der aktuellen Führung ein Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees zu sein", sagte Gill am Samstag in Zürich.

Er hatte den Platz als Fifa-Vizepräsident übernehmen sollen, der laut Statuten für die vier britischen Verbände reserviert ist. Wer sein Nachfolger werden soll, steht noch nicht fest. Gill galt gemeinsam mit Wolfgang Niersbach als europäische Speerspitze in dem Fifa-Gremium gegen Blatter. Niersbach hat noch nicht endgültig entschieden, ob er sein Mandat ausüben wird. Erste Anzeichen deuten jedoch daraufhin, dass der 64-Jährige nicht aus dem Gremium austreten wird.

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