Süddeutsche Zeitung

Drohung mit "Grexit auf Zeit":SPD-Fraktionsvize wirft Schäuble Alleingang vor

  • Nach der Griechenland-Einigung wird in Deutschland harsche Kritik an der Verhandlungsführung der Bundesregierung laut.
  • Im Fokus steht dabei vor allem Finanzminister Schäuble. Seine Drohung eines "Grexits auf Zeit" wird von der Opposition, aber auch innerhalb der SPD als fragwürdig angesehen.
  • Eine Blitzumfrage des ARD-Deutschlandtrends zeigt: Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet den Verbleib Griechenlands im Euro.

SPD-Fraktionsvize wirft Schäuble "Vertrauensbruch" vor

Nach den harten Verhandlungen mit Athen über ein neues Hilfsprogramm der Euro-Zone wird harsche Kritik an der Verhandlungsführung Deutschlands laut. Vor allem das Verhalten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird von Politikern der Opposition, aber auch aus den Reihen der SPD als unverhältnismäßig betrachtet.

SPD-Fraktionsvize und Finanzexperte Carsten Schneider warf Schäuble vor, Deutschland in Europa mit seinem nicht abgestimmten Vorschlag eines "Grexits auf Zeit" isoliert zu haben. Der Minister habe damit das Bild des "sehr harschen Teutonen" heraufbeschworen, sagte er in der ARD. "Ich kann nicht erkennen, dass das irgendwie sinnvoll war, was Herr Schäuble gemacht hat."

Schneider beschuldigte den Finanzminister, eine eigene Strategie verfolgt zu haben: Schäuble habe eigentlich das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone gewollt. In der Stuttgarter Zeitung sprach Schneider von einem "Vertrauensbruch". Die Bundesregierung handle bei Verhandlungen in Brüssel "nicht völlig frei, sondern im Auftrag des Bundestages. Und den Auftrag der SPD-Fraktion, einen 'Grexit' zu fordern, gab es nicht", kritisierte Schneider. Schlimmer noch aber sei, dass Deutschland auf Schäubles Betreiben als "Spaltpilz" aufgetreten sei, "der Griechenland aus dem Euro drängen wollte".

Die Euro-Länder hatten sich am Montagmorgen nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon grundsätzlich bereit erklärt, Griechenland mit einem neuen Milliarden-Hilfsprogramm zu unterstützen. Sie knüpften dies aber an umfangreiche Bedingungen.

Grüne attackieren Bundesregierung

Auch der Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, kritisierte den Finanzminister. "Schäuble hat mit seinem Grexit-Plan die Gefahr der Spaltung Europas heraufbeschworen", sagte Schick dem Mannheimer Morgen. Das Verhalten des Bundesfinanzministers sei "extrem gefährlich" gewesen. Dieser habe ohne Absprache mit dem Bundestag eine völlig neue Verhandlungsposition eingenommen. Dabei sei "für Deutschland ein massiver Schaden entstanden", kritisierte Schick.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der Mitteldeutschen Zeitung, das Wochenende sei ein "Desaster für Europa" gewesen. "Frau Merkel und Herr Schäuble wollten Alexis Tsipras seine teilweise unkluge Verhandlungsführung Auge um Auge heimzahlen." Einem Partner, der am Boden liegt, trete man aber nicht noch mal in die Seite. "Es geht nicht um Vergeltung", monierte Hofreiter.

Er warf der Kanzlerin und ihrem Finanzminister, aber auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) vor, "antieuropäisch" gehandelt zu haben. "Anstatt Europa zu einen, treibt diese Bundesregierung es auseinander. Das schadet gerade auch uns Deutschen", sagte Hofreiter weiter. Er erwarte von Merkel ein öffentliches Bekenntnis gegen den Grexit. Die Frage, wie die Grünen bei der geplanten Sondersitzung am Freitag im Bundestag abstimmen, ließ er offen.

Linke spricht von "Diktat" und "Erpressung"

Massive Kritik an der Griechenland-Einigung kommt auch von der Linken. Vize-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte am Montagabend auf Phoenix: "Dieses Ergebnis der Verhandlungen ist ein deutsches Diktat und nichts anderes als eine Erpressung." Insbesondere Schäuble habe "unheimlich viel Porzellan zerschlagen". Sein Grexit-Papier habe "die Axt an Europa gelegt". "Es ist schlimm, was er gemacht hat und war auch als Drohung gegen andere Länder gedacht", sagte Bartsch.

Blitzumfrage: Deutsche für Verbleib Griechenlands im Euro

Eine klare Mehrheit der Deutschen ist allerdings mit dem Vorgehen Schäubles und Merkels einverstanden. Das zeigt eine Blitzumfrage für den ARD-Deutschlandtrend. Demnach zeigten sich 64 Prozent der Befragten zufrieden mit der Verhandlungsführung des Finanzministers, 62 Prozent befürworteten das Agieren Merkels.

Auch mit dem Ergebnis ist eine Mehrheit zufrieden: 62 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass Griechenland in der Gemeinschaftswährung bleibt. Nur eine Minderheit von 32 Prozent ist für einen Grexit.

Eine Mehrheit der Deutschen begrüßt demnach auch die zwischen Athen und den Gläubigern getroffene Schuldenvereinbarung, ist aber skeptisch was deren Umsetzung durch die Regierung in Athen angeht. Die weitere finanzielle Unterstützung für Griechenland bezeichneten 52 Prozent der Befragten als richtig, 44 Prozent hielten sie für falsch. Die von Griechenland verlangten Spar- und Reformauflagen fanden demnach 57 Prozent angemessen und 22 Prozent nicht angemessen. Für 13 Prozent gehen sie zu weit.

Auf die Frage, ob sie der griechischen Regierung vertrauten, die vereinbarten Reformen auch umzusetzen, antworteten 78 Prozent der Befragten mit "Nein", nur 18 Prozent mit "Ja". Befragt wurden im Laufe des Montags rund 1000 Menschen.

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SZ vom 15.07.2015/gal/fued
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