Süddeutsche Zeitung

Drohnenkrieg in Somalia:Tod aus der Luft

Der juristische Streit um den Angriff auf einen Somalier, der von einer US-Drohne in Stücke gerissen wurde, während er Kamele hütete, geht weiter: Die Anwälte seines Sohnes wollen per Beschwerde erzwingen, dass die deutsche Justiz in dem Fall ermittelt.

Von Moritz Baumstieger und John Goetz

Der Tod kam in Sekunden über Maxamed Abdullahi, der Somalier hütete Kamele, als ihn Geschosse einer US-Drohne in Stücke rissen. Die juristische Auseinandersetzung um seinen Tod am 24. Februar 2012 dauert mittlerweile Jahre: An diesem Mittwoch legen Anwälte von Abdullahis Sohn Salman Beschwerde gegen Entscheide deutscher Staatsanwälte ein, die Begründungen liegen der SZ vor. Die Anklagebehörden in Zweibrücken und Stuttgart hatten es abgelehnt, Ermittlungsverfahren in dem Fall anzustrengen.

Dass der Angriff vor deutschen Gerichten verhandelt werden könnte, liegt daran, dass der völkerrechtswidrige US-Drohnenkrieg maßgeblich von deutschem Boden aus koordiniert wird: In Stuttgart befindet sich das Kommandozentrum der US-Armee für Afrika, hier werden Informationen ausgewertet und Zielvorschläge erarbeitet. Auch der Angriff auf den Briten Mohamad Sakr dürfte hier vorbereitet worden sein, das mutmaßliche Mitglied der Terrorgruppe al-Shabaab war das eigentliche Ziel der Attacke, bei der Abdullahi starb. Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein dient zudem als Relaisstation für Datenleitungen. Ohne ihn wäre es unmöglich,die unbemannten Flugkörper zu steuern.

Nachdem die SZ im Jahr 2013 über den Drohnenkrieg und den Fall Abdullahi berichtet hatte, stellte dessen Sohn mithilfe der Open-Society-Justice-Initiative Strafanzeige gegen Mitarbeiter des US-Militärs, die an dem Angriff beteiligt gewesen sein könnten. Und gegen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland - weil die nichts gegen die illegalen Tötungen unternehmen würden, obwohl sie etwa durch Verbindungsoffiziere Bescheid wüssten.

Im Mai und Juni nun lehnten Staatsanwälte in Stuttgart und dem für Ramstein zuständigen Zweibrücken ab, sich weiter mit den Anzeigen zu befassen. Der "Verfolgung von Straftaten, die in Ausübung des Dienstes" von US-Personal an beiden Standorten begangen werden, stehe das Nato-Truppenstatut entgegen, hier könnten nur US-Behörden ermitteln. Deutsche Verantwortliche treffe schlicht keine "strafrechtliche Unterlassungshaftung".

Mit dieser Antwort geben sich Abdullahis Anwälte nicht zufrieden. Die Akten belegten, "dass keiner der Staatsanwälte ein effektives Ermittlungsverfahren für diesen Fall durchgeführt hat", sagt Natalie von Wistinghausen, die Abdullahi gemeinsam mit Eberhard Kempf vertritt. Das Nato-Statut gelte zudem nur bei regulären bewaffneten Konflikten, nicht für außergesetzliche Tötungen. In einer "Zeit, in der die Anzahl der Drohnenangriffe unter der Trump-Regierung zugenommen hat", will die Open Society Justice-Initiative den Präzedenzfall weiter verfolgen. "Europäische Staaten sollten gesetzlose Drohnenmorde verhindern, anstatt sie zu ermöglichen", sagte Amrit Singh, ein Jurist der Initiative.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3645233
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.08.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.