Drohnenkrieg:Der Tod des Kamelhirten

Ein unschuldiger Somalier ist bei einem Angriff gestorben. Nun will sein Sohn die Verantwortlichen in den USA und Deutschland juristisch zur Rechenschaft ziehen.

Von Hans Leyendecker und John Goetz

Die Rakete der US-Armee tötete Maxamed Abdullahi beim Kamelhüten. Der Somalier, der in Wahrheit anders heißt, war etwa 50 Jahre alt, als er am 24. Februar 2012 rund 60 Kilometer südlich von Mogadischu starb. Sein Körper wurde in zwei Teile gerissen, aber das Gesicht des Hirten war noch erkennbar. Sechs seiner Kamele wurden ebenfalls getötet.

Abdullahi wurde Opfer eines US-Drohnenangriffs, der ohne die amerikanischen Stützpunkte in Deutschland mutmaßlich nicht möglich gewesen wäre. Dreieinhalb Jahre später verlangt der Sohn des Hirten, der den zerfetzten Leichnam seines Vaters damals gefunden hatte, "Aufklärung und Gerechtigkeit". In seinem Namen wird die Open Society Justice Initiative in diesen Tagen der Staatsanwaltschaft Zweibrücken eine 88-seitige Strafanzeige zustellen: Ein afrikanischer Hirtensohn gegen die Verantwortlichen und Unterstützer des US-Drohnenkriegs.

Die New Yorker Open Society Justice Initiative, eine Stiftung des US-Milliardärs George Soros, kümmert sich seit Längerem um den Fall. Einer der Anwälte, die das Papier unterzeichnet haben, ist der Frankfurter Eberhard Kempf, der seit Jahrzehnten zur ersten Garde der deutschen Strafverteidiger zählt. Wenn einer wie er seine Unterschrift unter eine solche Strafanzeige setzt, muss man sie ernst nehmen.

Der Vorwurf wiegt schwer. Es geht um den Verdacht des gemeinschaftlich begangenen Mordes, sowie gemeinschaftlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, deren Opfer unter anderem der Kamelhirte wurde. Der Vorwurf richtet sich gegen amerikanisches und deutsches Personal auf den Militärstützpunkten Ramstein und Stuttgart. Diese beiden US-Militärbasen in Deutschland spielen eine zentrale Rolle beim Drohnenkrieg der Amerikaner. Über Ramstein werden die Daten der Drohnen übertragen, zudem befindet sich dort eine Art Flugleitzentrale sowie ein Analysezentrum für Drohnenangriffe. In Stuttgart ist seit 2007 der Hauptsitz des Afrika-Kommandos der USA, kurz: Africom. Eines seiner Aufgaben: die Ermittlung von Zielen im Kampf gegen den Terror.

Die Strafanzeige dokumentiert, was die Bundesregierung gewusst haben müsste

Der Angriff im Februar 2012 galt nicht dem Hirten, sondern Mohamed Sakr, der für die afrikanische Terrorgruppe al-Shabaab gekämpft haben soll. Sakr starb bei dem Drohnenangriff in einem Auto, das komplett ausbrannte - Maxamed Abdullahi starb, weil er zufällig in der Nähe war.

Über diesen Drohnenangriff vor dreieinhalb Jahren und den Tod der beiden Männer haben SZ und NDR in der Serie "Der geheime Krieg" berichtet. In der Strafanzeige berufen sich die Anzeigenerstatter auch auf Teile der damaligen Recherchen.

Zeitgleich mit der Strafanzeige reichen sie Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. Diese Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, namentlich gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Kläger ist der Sohn Abdullahis, vertreten durch die Open Society Justice Initiative. Die Argumentation: Die Regierung habe ihre nach Nato-Truppenstatut und Artikel 2 des Grundgesetzes bestehende Überwachungspflicht vernachlässigt. Durch Unterlassen habe sie das Risiko erhöht, dass der Kamelhirte getötet wurde. Für die Nutzung des Geländes durch ausländische Streitkräfte gilt schließlich deutsches Recht.

US-Drohnen und die deutsche Regierung, die angeblich von nichts weiß - das ist eine lange Geschichte, die demnächst im NSA-Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden soll. Stereotyp und routiniert behauptet die Bundesregierung wieder und wieder, ihr lägen keine "eigenen gesicherten Erkenntnisse zu von US-Streitkräften in der Bundesrepublik angeblich geplanten oder geführten Einsätzen vor". Sie habe "keine Anhaltspunkte", für nichts. In der Strafanzeige wird dokumentiert, was die Regierung gewusst haben muss. So findet sich etwa der Name eines deutschen Verbindungsoffiziers bei Africom, der die Arbeit der Amerikaner begleite. Zu den Aufgaben der deutschen Verbindungsoffiziere gehört das "Weiterleiten von Informationen zur Planung, Taktik zu Einsätzen". Schon seltsam, wenn er von den US-Drohnenangriffen in Afrika nichts mitbekommen haben soll - schließlich wurden sie von Stuttgart aus befehligt.

Es ist nicht die erste Strafanzeige in Deutschland wegen der Drohneneinsätze der Amerikaner und es wäre nicht das erste Gerichtsverfahren. Erst Ende Mai hatte das Kölner Verwaltungsgericht die Klage dreier Jemeniten abgelehnt, die den Drohnenkrieg, der über Ramstein läuft, stoppen wollten. Das Gericht wollte völkerrechtliche und außenpolitische Fragen nicht beurteilen. Die Frage, ob Ramstein ein wichtiger Knotenpunkt im Drohnenkrieg sei, beantwortete das Gericht allerdings indirekt mit ja. Die entsprechenden Vorwürfe seien "plausibel" und würden durch "zahlreiche Medienberichte und Dokumente" untermauert.

Air Force, Army leaders discuss new UAS concept of operations

Die Drohnen werden in Amerika gesteuert, aber US-Stützpunkte in Deutschland fungieren als Leitzentrale.

(Foto: Lance Cheung)
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