Drohneneinsatz beim Castor-Transport:Sehenden Auges in die Panne

Lesezeit: 4 Min.

Nicht zuständig, nicht informiert - und "bitte nicht Drohne sagen": Wie sich die niedersächsischen Behörden winden, wenn man sie zu eingesetztem Fluggerät beim Castor-Transport befragt.

Oliver Das Gupta

Eins steht fest: Beim Castor-Transport im Wendland hat die niedersächsische Polizei eine unbemannte Drohne eingesetzt - eine Premiere. Das kleine Überwachungsfluggerät kostete etwa 47.000 Euro, viermal ist es geflogen, einmal zur Probe, drei reguläre Einsätze. Luftaufklärung, Einsatzführung, Beweissicherung und Dokumentation, heißt es in schönem Beamtendeutsch, sollte das sehende Auge liefern.

Friedrich Niehörster, Präsident der Polizeidirektion Lüneburg und Einsatzleiter beim Castortransport. Der Polizist gilt als erfahrener Mann, er managte schon viele Atomtransporte. Diese Aufnahme entstand bei einer Pressekonferenz im Jahre 2006 (Foto: dpa)

Ziel sei es gewesen, mit den Aufnahmen die nachträgliche Aufklärung von Straftaten zu ermöglichen, teilte eine Sprecherin der Polizeidirektion Lüneburg am Dienstag mit.

Mysteriös bis nebulös bleibt bislang aber Folgendes: Die Sprecherin erlärte, dass Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster bei der Pressekonferenz im unmittelbaren Anschluss an den Castortransport noch nicht wusste, dass die Drohne Teil des Castor-Schutzpakets der Polizei war. Deshalb hatte Niehörster auch erklärt, dass die Drohne nicht eingesetzt worden sei.

Das ist erstaunlich: Der Polizeidirektion Lüneburg mit seinem Präsidenten Niehörster oblag - wie schon so oft in den Vorjahren - die Federführung beim aktuellen Transport. Wie also kann Niehörster nichts wissen? Ließ doch jemand anderes die Drohne fliegen? Verlief der Einsatz zufriedenstellend? Und was überhaupt hat das Fluggerät gefilmt und fotografiert?

Erhellende Antworten auf diese Fragen können die niedersächsischen Behörden nicht geben. Statt offen von einem "Kommunikationsproblem" oder gar einer "Panne" zu sprechen, wird lieber kräftig geschwurbelt. Nicht zuständig, nicht informiert und Wortklaubereien: Die Stellen winden sich, wenn man nach Zuständigkeiten fragt. Oder sie verweisen an andere Stellen. Von Pontius zu Pilatus schicken, sagt man in Bayern dazu, wenn man von einer Behörde zur nächsten geschickt wird.

In der Polizeidirektion Lüneburg geht eine Sprecherin ans Telefon - es ist unklar, ob es sich um dieselbe handelt, die am Vortag einräumte, der Polizei sei ahnungslos gewesen, was die Drohne betreffe. Freundlich sagt die Sprecherin, dass sie nichts sagen kann. "Ich rufe sie zurück". Wann denn? "In ein paar Stunden, vielleicht dauert es auch länger". Geht es genauer? "Nein."

Alles Polizeisache

Aber immerhin: Die Aussage vom Vortag steht. Niehörster wusste nichts. Anruf in der Behörde des Dienstherrn, des niedersächsischen Innenministers. Ein Pressesprecher sagt, das Ministerium habe den sogenannten Drohneneinsatz nicht angeordnet und habe auch keine Kenntnisse über Auswertung und Bewertung. Das sei alles Polizeisache. "Die einzige politische Entscheidung war die Anschaffung des Geräts", sagt der Sprecher.

Immerhin hat er eine Erklärung parat, warum Lüneburgs Polizeichef den Einsatz der Drohne verneinte. Der sei ja offensichtlich nach einer militärischen Drohne gefragt worden, also einem Gerät der Bundeswehr. Da sei keine zum Einsatz gekommen, darum habe Niehörster sich so verhalten, vermutet der Sprecher und erklärt weiter: Man könne ja bei dem Polizeigerät nicht von einer Drohne sprechen, sondern von einem "unbemannten Flugobjekt". Kurzum: Demnach wusste Niehörster von der wie auch immer zu nennenden Luftunterstützung, er wurde nur falsch gefragt - ein Widerspruch zur Aussage der Polizeisprecherin.

Der Ministeriumssprecher meint damit offenbar auch: Eine Drohne heißt nicht Drohne, zumindest versteht man offenbar im Innenministerium des Landes Niedersachsen etwas anderes darunter als im Rest der Republik. Die Befrager des Polizeipräsidenten sind also selbst schuld, weil sie so ungenau blieben. Seltsam nur, dass in anderen im Zuge der Recherche angerufenen Behörden in Niedersachsen auch von einer Drohne die Rede ist.

Castor-Transporte
:Die Wahrheit von Wendland - wer will was?

Nichts beschäftigt Deutschland mehr als die Atommüll-Transporte. Klar, dass sich kein Politiker so ein Thema entgehen lässt. Eine Typologie der Meinungen.

So etwa in der Zentralen Polizeidirektion, wo man freundlich darauf hinweist, dass man in Hannover solche "Technik wie die Drohne" nur "vorhalte". Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht man ebenso vom Einsatz "der Drohne". Hier windet man sich weniger als bei den offiziösen Stellen. Die Leute vom GdP-Landesbezirk Niedersachsen haben von den Drohnen beim Atomtransport auch erst über die Medien erfahren.

Eine Überwachungsdrohne, die man - wenn es nach manchem niedersächsischen Staatsdiener geht, besser nicht "Drohne" nennen sollte. Im Hintergrund ist  Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zu sehen. (Foto: dpa)

Bei der Pressekonferenz habe Polizeipräsident Niehörster wirklich nichts von dem Einsatz gewusst, sagt GdP-Sprecher Reiner Fischer, der dabei gewesen ist. Niehörster sei Teil der Gesamteinsatzleitung gewesen und sei offenbar nicht informiert worden.

Unten musste Oben nicht fragen

Fischer vermutet, dass die Drohne wohl im Zuständigkeitsbereich der zentralen Polizeidirektion angesiedelt worden sei: "Da gab es wohl ein Kommunikationsproblem", sagt Fischer, "anders kann ich mir das nicht erklären." "Nein", stellt wiederum die freundliche Dame der Zentralen Polizeidirektion in Hannover klar: "Das fällt nicht in unseren Bereich."

Wie sie sich denn die Panne erklärt, will man noch wissen. "Die Erklärung muss die Polizeidirektion Lüneburg schon selbst finden", sagt sie. Aber die seien wohl noch "auf der Suche".

Noch ein Gespräch mit der Polizeidirektion Lüneburg. Nun könne man mehr sagen, sagt die Polizeisprecherin. Der Einsatz der Drohne sei vom "Einsatzabschnitt selbst und kurzfristig entschieden worden", das sei in Ordnung, denn von der Gesamteinsatzleitung habe es "keinen Vorbehalt" gegeben, sprich: Unten musste Oben nicht um Erlaubnis fragen. Was und wer gefilmt wurde und ob der Drohneneinsatz aus Sicht der Behörden zufriedenstellend verlaufen sei, kann sie nicht sagen.

Polizeichef Niehörster habe bei der Pressekonferenz nicht wissentlich den Drohneneinsatz verneint. "Er hat es wirklich nicht gewusst", beteuert die Sprecherin. Die Vermutung aus dem Innenministerium, Niehörster habe unter dem Begriff "Drohne" militärisches Fluggerät verstanden und deshalb verneint, widerspricht sie.

"Möglicherweise handelte es sich um einen Scherz des Kollegen?" Allerdings trage das Gerät die Bezeichnung "Drehflügler", die Polizei selbst meide den Ausdruck "Drohne". Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizeisprecherin allerdings selbst zweimal den Begriff "Drohne" verwendet.

Bleiben noch diese Fragen: Warum wusste die Einsatzleitung - namentlich der Polizeichef - nichts von der Drohne? Warum war Niehörster selbst nach Abschluss des Castor-Transports nicht informiert worden? "Das kann ich Ihnen leider nicht sagen," sagt die Polizeisprecherin dazu, dass ihr Chef "nackt" vor der Presse saß, schließlich fügt sie noch an: "Da hat wohl der Informationsfluss gehakt". Dass die Drohne so einen "Wind" verursachen würde, war der Polizei so nicht bewusst gewesen, sagt sie und verweist auf Hubschrauber: Die hätten ja schließlich auch Fotos gemacht.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Protest gegen Castor-Transport
:Meckern gegen den Atommüll

Eine Ziegen- und Schafsherde, ein umgebauter Brauerei-Lkw und eine Blockade-Pyramide: Die Anti-Atom-Aktivisten haben sich bei ihren Protesten viel einfallen lassen. Genutzt hat es wenig: Der Atommüll ist nun im Zwischenlager Gorleben eingetroffen.

Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: