Süddeutsche Zeitung

Rüstung:SPD sucht Ausweg aus dem Drohnen-Dilemma

Bisher blockierten die Sozialdemokraten die Bewaffnung unbemannter Flugkörper, weil sich parteiinterne Gegner und Befürworter des Vorhabens nicht einig werden konnten. Nun soll eine Arbeitsgruppe vermitteln.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die SPD unternimmt einen neuen Anlauf, um im Streit über die Bewaffnung von Drohnen zu einer Entscheidung zu kommen. Der Parteivorstand hat am Montag beschlossen, eine zwölfköpfige Projektgruppe unter Leitung der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin einzusetzen. Das Gremium habe den Auftrag, "alle mit der Bewaffnung von Drohnen bezogenen Aspekte aus Außen-, Verteidigungspolitik und aus unserer Verpflichtung zu Rüstungskontrolle und Friedenspolitik, sowie völkerrechtliche und ethische Argumente zu würdigen und zusammenzuführen", heißt es in dem Beschluss, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Projektgruppe soll vertraulich tagen. Empfehlungen werden nach Angaben einer Parteisprecherin bis Ende des Jahres erwartet. Damit ist klar, dass sich die SPD in dieser Frage vor der Bundestagswahl im Herbst nicht mehr festlegen wird.

Eigentlich hatte die Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen vor Weihnachten im Bundestag fallen sollen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte das Beschaffungsvorhaben im Jahr 2020 vorangetrieben. In mehreren Runden ließ sie ausführlich über den Einsatz dieser neuen Waffen diskutieren. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Union verständigt, erst nach "ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung" zu entscheiden.

Obwohl auf Betreiben der SPD bereits enge Vorgaben für den Einsatz von Kampfdrohnen formuliert worden waren und SPD-Verteidigungsexperten eine Zustimmung signalisiert hatten, blockierten Partei- und Fraktionsspitze die Beschaffung auf den letzten Metern. Die Debatte sei noch "nicht ausreichend" geführt worden, hieß es.

Der SPD-Abgeordnete Fritz Felgentreu trat als Konsequenz als verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion zurück. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, die SPD-Politikerin Eva Högl, kritisierte ihre Partei. Über die Bewaffnung von Drohnen sei "seit fast zehn Jahren eine sachgerechte, differenzierte, transparente und ausführliche Debatte" geführt worden.

Die Partei hat sich angreifbar gemacht

Im aufziehenden Bundestagswahlkampf hat sich die SPD angreifbar gemacht. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wirbt etwa damit, dass man mit der SPD wisse, woran man sei. Nun soll die Projektgruppe zeigen, dass die SPD die Drohnenfrage ernst nimmt, und nach einem Ausweg suchen. Ihr gehören sechs SPD-Bundestagsabgeordnete an, drei davon werden dem Lager der Befürworter, drei dem Lager der Gegner zugeschrieben.

Die Sicht der Soldatinnen und Soldaten, die die Kampfdrohnen zum eigenen Schutz einfordern, soll vor allem Hauptmann Andreas Steinmetz, stellvertretender Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, einbringen. Mit in der Runde sitzt auch Florian Kling, SPD-Mitglied, Hauptmann der Reserve und Oberbürgermeister in Calw, wo das Kommando Spezialkräfte seinen Sitz hat. Vertreter aus der Friedens- und Konfliktforschung gehören zum Gremium wie auch ein Völkerrechtler und Gesine Schwan, Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission.

Für Wirbel sorgt, dass eine profilierte Drohnen-Befürworterin dem Gremium nicht angehört. Parteivize Kevin Kühnert hatte nach SZ-Informationen Anne Bressem vorgeschlagen, eine SPD-Politikerin aus Thüringen, die für den Bundestag kandidiert und sich seit Längerem als Oberstleutnant für die Belange der Bundeswehr in der SPD starkmacht. Dies scheiterte, wie aus Parteikreisen verlautete, am Widerstand der Parteiführung und brachte dieser seitens der FDP den Vorwurf ein, das Gremium nicht ausgewogen zu besetzen.

Der Koalitionspartner begrüßt die Projektgruppe. "Es ist gut, dass sich die SPD noch mal mit dem Thema Kampfdrohnen befasst, um die Zweifler mit der Realität zu konfrontieren", sagte Henning Otte, Verteidigungsexperte der CDU, der SZ.

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