Verteidigungspolitik:Bundeswehr will Drohnen als "Ultima Ratio"

MQ-9 Reaper

Jeden Menschen an jedem Ort der Welt töten können: Drohne vom Typ MQ-9 Reaper. Mit einer solchen wurde Qassem Soleimani getötet.

(Foto: dpa)
  • Viele Experten halten unbemannte Flugkörper für die Zukunft der Luftfahrt, bei hoch technisierten Armeen sind sie längst Standard.
  • Für bestimmte Szenarien möchte auch die Bundeswehr über bewaffnete Drohnen verfügen.
  • Soldaten sind der Meinung, mit einer Drohne wäre beispielsweise die Katastrophe von Kundus nicht passiert.
  • Die Opposition allerdings warnt vor Killerkommandos nach amerikanischem Vorbild.

Von Stefan Braun und Joachim Käppner

Die Container sind abgeschirmt und selbst innerhalb des Nato-Stützpunktes noch einmal gesondert gesichert. Das Innere ähnelt dem Cockpit eines großen Flugzeuges: viel Messelektronik, ein Pilot am Steuerknüppel, hinter ihm mehrere Auswerter. Riesige Bildschirme übertragen Aufnahmen, welche die Heron-Drohne live nach Masar-i-Sharif übermittelt. So sieht das Steuerzentrum der Bundeswehr-Drohne aus. Die Heron ist aus Israel geleast und unbewaffnet, sie fliegt allein zur Aufklärung. Nach ihren Bildern haben die Nato-Schutztruppe Isaf oder die afghanische Armee freilich oftmals Waffen eingesetzt.

Seit Jahresbeginn ist die Isaf Vergangenheit, als Teil der Ausbildungsmission "Resolute Support" ist die Heron aber geblieben. Sie ist eine mittelgroße Drohne, steckt voller hochempfindlicher Kameras und anderer Aufklärungselektronik und kann, für das menschliche Auge nicht mehr sichtbar, bis zu 9000 Meter hoch fliegen und mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben. Über weitere Drohnen dieser Art verfügt die Bundeswehr nicht.

Viele Experten halten unbemannte Flugkörper für die Zukunft der Luftfahrt, auch im zivilen Bereich, wie das Aufkommen der Paketdrohne zeigt. Bei hoch technisierten Armeen wie jenen der Nato, Russlands oder Israels sind die Fluggeräte längst Standard, derzeit entwickeln die Vereinigten Staaten eine "Tarnkappendrohne", die für Radar nicht erkennbar sein soll. Die Drohnen sind meist mit Raketen bewaffnet. Hier macht die Heron in Afghanistan eine Ausnahme - aus Sicht der Bundeswehr eine unbefriedigende Lösung.

Die Drohnen-Besatzung in Masar hat manche Videos früherer Flüge, bei denen sie nicht direkt eingreifen konnte und dem Geschehen am Boden ohnmächtig zusehen musste. Grobkörnige Bilder ohne Ton, aber deutlich genug: Bewaffnete vergraben nachts auf einer Dorfstraße Sprengfallen und bedrohen Bewohner, die dagegen protestieren. Norwegische Soldaten geraten in einen Hinterhalt der Taliban und kämpfen um ihr Leben. Ein kleiner Bundeswehrkonvoi fährt in eine Falle und droht umzingelt zu werden. Das sind die Szenarien, für die auch die Luftwaffe über bewaffnete Drohnen verfügen möchte.

Mit den Flugkörpern könne man gezielter eingreifen

"Wir wünschen uns diese Waffe ausschließlich für das Gefechtsfeld und den Schutz der Soldaten dort - und auch nur als Ultima Ratio", sagt ein Offizier. "Aber nicht für gezielte Tötungen, etwa von Terrorverdächtigen in Pakistan - das wäre ohnehin grundgesetzwidrig." Die Nato-Missionen in Afghanistan sind von den UN mandatiert, daher war auch der Einsatz von Kampftruppen völkerrechtskonform.

Befürworter bestreiten, dass die Ausrüstung der Drohnen mit Raketen eine neue und unmoralische Dimension der Kriegführung sei. Eine bewaffnete Drohne sei auf dem Gefechtsfeld ethisch betrachtet nicht anders als eine Kanone, eine Bombe oder ein Panzer. Ihr Einsatz erlaube es sogar, "niedrigschwelliger einzugreifen", wie der Offizier sagt, "Bomben eines Flugzeugs oder Artilleriebeschuss erhöhen die Gefahr enorm, Unbeteiligte zu treffen, da ihr Zerstörungspotenzial viel höher ist als das einer kleinen Rakete."

Bei dem verheerenden Bombenangriff auf zwei entführte Tanklaster in Kundus 2009 war die Heron noch nicht im Einsatz, die Aufklärung war schlecht, und die 250-Kilo-Bombe eines F 15-Jets tötete auch Dutzende Zivilisten, von denen der deutsche Kommandeur nichts wusste. Die Drohne hingegen kann lange unbemerkt über einer Position bleiben und selbst bei Nacht ein Lagebild an die Auswerter senden.

Viele Soldaten meinen: Mit einer Drohne wäre die Katastrophe von Kundus nicht passiert.

Die Linke warnt vor Killerkommandos

Die Opposition fürchtet, die Hemmschwelle zu ganz anderen Szenarien werde sinken - solchen nämlich, wie sie die Amerikaner mit ihren Kampfdrohnen praktizieren, die bezeichnende Namen wie Reaper (Sensenmann) und Predator (Raubtier) tragen. Die Verteidigungsexpertin der Linken, Christine Buchholz, warnt vor "Killerdrohnen". Im völkerrechtlich außerordentlich fragwürdigen Drohnenkrieg der USA werden verdächtige Islamisten in Somalia, in Jemen oder in Pakistan gezielt von Raketen getötet, die im Wortsinn aus heiterem Himmel kommen. Dabei sind auch sehr viele Zivilisten umgekommen.

Zwar verbietet das Grundgesetz solche gezielten Tötungsaktionen eigentlich eindeutig. Doch Kritiker fürchten, dass sie eben doch vorstellbar wären, wenn sie mit dem Mäntelchen einer militärisch notwendigen Operation bedeckt würden - die US Air Force hat das im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet oft vorgemacht.

Alle mittelgroßen Militärdrohnen können mit Raketen bewaffnet werden; insofern geht der deutsche Streit, ob das Wort "bewaffnungsfähig" der Verschleierung diene, an der Wirklichkeit vorbei. Auch die von der Luftwaffe geleaste Heron, von der es mehrere Varianten gibt, wäre nach einer Umrüstung in der Lage, leichte Raketen zu tragen, wie es die israelische Armee wohl ohnehin praktiziert. Umgekehrt könnte man bei jedem Modell die Raketen natürlich schlicht fortlassen und nur Aufklärungsmissionen fliegen, wenn die Politik keine "Kampfdrohnen" erlauben will. Genau so geschieht es ja derzeit in Afghanistan.

Neue Drohnen wären, woher auch immer sie kämen, "bewaffnungsfähig"

Nach SZ-Informationen soll jedenfalls grundsätzlich das Parlament entscheiden, ob die Drohnen dann bewaffnet werden. Als Modell dient der Einsatz von Tornado-Flugzeugen zu Aufklärungsflügen in Afghanistan.

Damals hatte das Parlament bestimmt, die Jets unbewaffnet einzusetzen. Die Heron ist für Deutschland nicht zugelassen, Training und Ausbildung finden in Israel statt. Die Deutschen könnten das Leasing-Modell einfach fortsetzen, das wäre am billigsten. Sie wollen aber die politische Abhängigkeit beenden, die es auch beim Kauf von US-Drohnen geben würde.

Experten gehen davon aus, dass es bei einer europäischen Eigenentwicklung gut zehn Jahre dauern würde, "bis das Ding auf dem Hof steht" - noch dazu einer, deren "Fähigkeiten über die heutiger Systeme hinausgehen", wie am Dienstag erklärt wurde. Käme es bis dahin zu weiteren großen Auslandseinsätzen der Bundeswehr, was die Regierung Merkel eigentlich vermeiden möchte, müsste die Luftwaffe neue Drohnen leasen. Die aber wären, woher auch immer sie kämen, "bewaffnungsfähig".

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