Süddeutsche Zeitung

Drohende Staatspleite:Für Athen wird es richtig eng

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Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Christiane Schlötzer, Brüssel/München

Auch nachdem die Regierung von Alexis Tsipras am Wochenende neue Reformvorschläge in Brüssel vorgestellt hat, bleibt die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite ungewiss. Schon in der ersten oder zweiten Aprilwoche dürfte Athen das Geld ausgehen. Diese Warnung hatte die Regierung selbst am vergangenen Freitag gegeben. Nur falls die Euro-Finanzminister zuvor einhellig zustimmen, könnten bislang blockierte weitere Kredithilfen an Athen ausgezahlt werden. Dazu müssten aber die neuen Reformvorschläge erst einmal akzeptiert werden.

Das zuletzt Präsentierte hat jedoch die Experten in Brüssel eher frustriert. "Die Liste ist viel zu vage und nicht nachprüfbar", sagte ein EU-Diplomat. Ein anderer hoher Brüsseler Beamter berichtete, die Athener Abgesandten hätten ihre Ideen auf Griechisch verfasst. Sie seien weiterhin sehr allgemein gehalten. Vorschläge zu Reformen des völlig überlasteten Pensionssystems und des Arbeitsmarktes sowie konkrete Angaben zur Privatisierung von Staatsbetrieben fehlten. Der Wille sei da, "aber wir sind noch nicht am Ziel", hieß es in Brüssel.

Aus Athen wiederum war am Sonntag zu hören, man habe erneut nachgelegt. Die Regierung sei nun bereit, weitere Teile des Hafens von Piräus zu privatisieren, womit 500 Millionen Euro erlöst werden könnten. Auch die Privatisierung von 14 Provinzflughäfen, darunter der Airport der zweitgrößten Stadt Thessaloniki, sollte fortgesetzt werden. Für dieses Projekt hatte die deutsche Fraport zusammen mit einem griechischen Partner bereits 1,2 Milliarden Euro angeboten.

Twitter-Nutzer spotten über Varoufakis

Zu den Athener Vorschlägen gehört eine Steuer auf digitale Glücksspiele, die Eintreibung von Lizenzgebühren für TV-Konzerne, die trotz eines Gesetzes seit 26 Jahren unterblieb; außerdem eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent und die Bekämpfung von Öl-, Zigaretten- und Alkoholschmuggel. Verwunderung auch in Athen löste ein Vorschlag aus, besonders fetthaltige Lebensmittel mit einer höheren Mehrwertsteuer zu belegen. Twitter-Nutzer spotteten, Finanzminister Yanis Varoufakis wolle aus den Griechen wohl ein Volk von Sushi-Essern machen.

Nicht mehr im Programm ist offenbar die Idee, den ermäßigten Steuersatz für Inseln abzuschaffen, von dem auch Luxusferienorte wie Mykonos oder Santorin profitieren. Die Vize-Finanzministerin Nadja Valavani sagte dazu, sie verstehe die Kritik daran nicht. Auch aus der Touristikbranche gibt es die Forderung, nicht zu Beginn der Saison die Preise zu ändern.

Für den Fall, dass es gelingen sollte, die Reformliste rechtzeitig fertigzustellen, ist für Mittwoch eine Telefonkonferenz der Euro-Gruppe auf der Ebene der Staatssekretäre geplant. Die Minister dürften frühestens nach Ostern beraten. Jedwedes Treffen der Euro-Gruppe, betonte ein EU-Diplomat, hänge klar davon ab, "ob und was Athen zusagt, es muss ausführlich und glaubwürdig sein". Es sei noch "eine Menge weiterer technischer Arbeit" nötig, bevor man von einem umfassenden Reformprogramm sprechen könne. Diese Arbeit sei in Athen und in Brüssel mit Vertretern der Kreditgeber zu erledigen.

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SZ vom 30.03.2015
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