Ukraine:Worum es beim Krim-Referendum geht

Tensions Grow In Crimea As Diplomatic Talks Continue

In der Minderheit? Diese Frau demonstriert in Simferopol dafür, dass die Krim Teil der Ukraine bleibt.

(Foto: Getty Images)

An Sonntag stimmen die Bewohner der Krim darüber ab, ob sie der Russischen Föderation beitreten oder Teil der Ukraine bleiben wollen. Wie bindend ist das Ergebnis? Wie wird der Ausgang das Machtgefüge in der Region beeinflussen? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Krim-Referendum.

Von Hannah Beitzer

An diesem Sonntag, dem 16. März stimmen die Bewohner der Halbinsel Krim ab, ob die Insel zukünftig Teil der Russischen Föderation sein oder autonome Republik innerhalb der Ukraine bleiben soll. Was Sie über das Referendum und seine Folgen wissen müssen.

Was wird in dem Referendum entschieden?

In dem Referendum werden den Bewohnern der Krim zwei Fragen gestellt. Erstens: Soll die Krim wieder zu Russland gehören? Zweitens: Soll die Verfassung der autonomen Republik Krim von 1992 wieder hergestellt werden und die Krim Teil der Ukraine bleiben? Die Krim gehört seit 1954 zur Ukraine. Die Mehrheit der Menschen spricht allerdings russisch. Inzwischen betrachten sich deutlich mehr als die Hälfte der zwei Millionen Menschen dort als Russen, ein Viertel als Ukrainer, ein Achtel als Krimtataren.

Falls das Votum zugunsten des Anschlusses ausfällt, sollen die Bürger zwischen einem ukrainischen und dem russischen Pass wählen können, heißt es von der prorussischen Regierung der Krim. Künftig soll es auf der Halbinsel allerdings nur noch Russisch und Krimtatarisch als Amtssprachen geben. Die Teile der ukrainischen Armee, die bisher neben der russischen auf der Krim stationiert sind, sollen zum Abzug gezwungen werden.

Wer hat auf der Krim eigentlich gerade die Macht?

Nach dem blutigen Machtwechsel in der ukrainischen Hauptstadt hatten Ende Februar russisch sprechende Bewaffnete die Kontrolle über die Krim übernommen, besetzten Flughäfen, Truppenstützpunkte und Regierungsgebäude.

Moskau dementiert bis heute, dass es sich bei den Bewaffneten um russisches Militär handelt - Präsident Wladimir Putin spricht stattdessen von "örtlichen Selbstverteidigungskräften", die sich eben Uniformen besorgt hätten. Immer wieder berichten jedoch Journalisten von Hinweisen, dass es sich dennoch um Angehörige der russischen Armee handeln muss. Inzwischen berichtet auch die OSZE von Beweisen, dass es sich um russische Truppen handele.

Kurz nach der bewaffneten Besetzung des Krim-Parlaments setzten die Abgeordneten die Regierung ab. Ministerpräsident der Krim ist seitdem Sergej Aksjonow - Vorsitzender der Partei "Russische Einheit", die bei der Regionalwahl im vergangenen Jahr auf gerade einmal vier Prozent der Stimmen kam.

Über den 1972 in der Republik Moldau geborenen Aksjonow ist recht wenig bekannt. In den 90er Jahren startete er in Simferopol seine Karriere als Geschäftsmann, es ist viel von kriminellen Verbindungen die Rede, die er jedoch abstreitet. In die Politik stieg er 2009 ein, gilt seitdem als Marionette Moskaus. Das prorussische Parlament der Halbinsel hat bereits für eine Unabhängigkeitserklärung von der Ukraine gestimmt. Außerdem hat die Krim-Regierung ukrainische Kriegsschiffe beschlagnahmt und ist nicht bereit, diese im Falle eines Anschlusses wieder herauszurücken, wie Aksjonow sagt.

Wie steht Russland dazu?

Russland unterstützt das Referendum auf der Krim. Moskau ist offenbar sicher, dass das Referendum zugunsten einer Eingliederung der Krim ausgehen wird. Das russische Parlament will am Freitag, 21. März, mit Beratungen über ein Sondergesetz zur Aufnahme der Krim in die Russische Föderation beginnen. Das bisher geltende Gesetz von 2001 sieht vor, dass ein Staat Moskau um Aufnahme bitten muss. Die nun vorgeschlagenen Änderungen sollen es erlauben, ein Gebiet ohne die Zustimmung des betroffenen Ursprungslandes aufzunehmen, wenn es dort keine legitime Zentralregierung gibt. Moskau erkennt die Übergangsregierung in Kiew nicht als solche an - und verschafft sich somit mit den geplanten Gesetzesänderungen freie Hand.

Eine wichtige Rolle in dem Konflikt spielen auch die staatlichen Medien des Landes und die russischsprachigen Medien auf der Krim. Dort heißt es immer wieder, in Kiew hätten Faschisten und bewaffnete Aufständische die Macht übernommen, die eine Gefahr für die russischsprachige Bevölkerung auf der Krim, aber auch in der Ost- und Südukraine darstellten. Eben diese Bevölkerung gelte es nun zu schützen. Damit rechtfertigt Russland einen möglichen Militäreinsatz, notfalls sogar über die Krim hinaus.

Wie verhält sich die ukrainische Übergangsregierung?

Die Regierung in Kiew erkennt die Abstimmung auf der Krim nicht an. Übergangspräsident Alexander Turtschinow sagt, es werde kein wirkliches Referendum geben, sondern "gefälschte Ergebnisse" der Führung von Russlands Staatschef Putin. Kiew forderte die Krim-Regierung auf, das Referendum abzusagen. Vergeblich.

Unterstützung bekommt die ukrainische Regierung von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den Volksentscheid als "illegal" bezeichnet. Das Referendum über die mögliche Angliederung der autonomen Region an Russland verstoße in seiner jetzigen Form gegen die ukrainische Verfassung, erklärte der Schweizer OSZE-Chef Didier Burkhalter am Dienstag in Genf. Die verbietet solche Abstimmungen in einzelnen Gebieten des Landes, sie müssten wenn überhaupt in der gesamten Ukraine stattfinden.

Die Ukraine begann außerdem am Dienstag mit dem Aufbau einer Nationalgarde, um ihr Militär gegen die Übermacht der russischen Truppen zu verstärken. Auf der Krim will sie allerdings nicht militärisch eingreifen und stattdessen ihre Ostgrenze zu Russland sichern. Die Regierung in Kiew befürchtet einen Einfall russischer Truppen im Osten des Landes, sollte sich die ukrainische Armee auf die Krim konzentrieren.

Wie positioniert sich die EU?

Die EU-Staaten halten das Referendum am Sonntag für völkerrechtswidrig und drohen mit einer Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau. Kanzlerin Angela Merkel spricht etwa von "einer Annexion", Russlands Vorgehen verstoße gegen alle völkerrechtlichen Regelungen, die in der Nachkriegszeit aufgestellt worden seien.

Die EU hatte bereits in der vorigen Woche einen Drei-Stufen-Plan beschlossen, falls sich Russland nicht von der Krim zurückzieht. Als erster Schritt wurden die Verhandlungen mit Moskau über Visa-Erleichterungen für Russen ausgesetzt. Auch über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland wird vorerst nicht weiter verhandelt.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier knüpft nun die nächste Stufe der EU-Sanktionen - Kontensperrungen und Einreiseverbote gegen russische Staatsbürger - direkt an die Volksabstimmung am Sonntag. Auch Polen und Frankreich sprechen sich für eine Verschärfung der Sanktionen aus.

Dennoch gibt es innerhalb der EU auch Stimmen, die vor Sanktionen warne, vor allem aus der Wirtschaft. Russland ist zwar abhängiger von der EU als umgekehrt, dennoch erhält zum Beispiel Deutschland einen großen Teil seiner Energie von dort.

Und auch für das Finanzzentrum London spielen reiche russische Geschäftsmänner eine nicht unbeträchtliche Rolle. An der Londoner Börse sind mehr als 50 Firmen notiert, die ihre Geschäfte in Russland machen, viele Russen leben dort, schicken ihre Kinder auf teure Privatschulen, treiben die Immobilienpreise nach oben.

Wie ist die Rolle der osteuropäischen EU-Staaten?

Das russische Vorgehen in der Ukraine schürt insbesondere in osteuropäischen Staaten alte Ängste, die ebenso wie die Ukraine unter dem Einfluss der Sowjetunion standen und heute der Nato angehören. Die Westorientierung der Länder gefällt wiederum Moskau nicht - erst recht, seit die russische Regierung fürchten muss, auch die Ukraine an Europa zu verlieren. Die Osteuropäer hingegen befürchten nun, dass die großen EU-Länder - insbesondere Deutschland, dem in dem Konflikt eine Schlüsselrolle zukommt - aus Angst vor den wirtschaftlichen Folgen von Sanktionen vor einer harten Linie gegenüber Moskau zurückschrecken könnten.

Wie verhalten sich die USA?

Die USA haben wegen der Krim-Krise schon Sanktionen über Russland verhängt, zum Beispiel erste Einreiseverbote. Außerdem halten sich die USA die Möglichkeit offen, Vermögen von Personen, die sie für Verantwortliche der Eskalation halten, einzufrieren. Außerdem planen sie Finanzhilfen für Kiew in Höhe von einer Milliarde Dollar - das Repräsentantenhaus hat diese Summe bereits freigegeben, die Zustimmung des Senats steht noch aus.

US-Präsident Barack Obama trifft sich außerdem mit dem ukrainischen Übergangspremier Arseni Jazenjuk. Das ist ein Zeichen dafür, dass die USA - anders als Russland - die Übergangsregierung anerkennen. Abgesehen davon sind die Möglichkeiten, wirtschaftlichen Druck auszuüben, für die USA allerdings kleiner als für die Europäische Union. Die Vereinigten Staaten gehören nicht einmal zu den zehn wichtigsten Geschäftspartnern Moskaus.

Polen und dem Baltikum haben die Vereinigsten Staaten eine Ausweitung der militärischen Zusammenarbeit zugesagt. Die Nato entsendet zudem zur Beobachtung der Lage Aufklärungsflugzeuge an die westliche Grenze der Ukraine. Das Bündnis will Awacs-Maschinen über Polen und Rumänien patrouillieren lassen.

Warum ist die Krim so wichtig?

Die Krim war einer der wichtigsten Marine-Stützpunkte der Sowjetunion. Nach deren Zusammenbruch wurde die Schwarzmeerflotte unter der Ukraine und Russland aufgeteilt. In Sewastopol auf der Halbinsel Krim liegt sowohl die russische Schwarzmeerflotte als auch die ukrainische Kriegsmarine. Grundlage dafür ist ein Pachtvertrag, der den Russen die Stationierung auf ukrainischem Gebiet erlaubt. Doch der ist für Moskau zum einen teuer und enthält zum anderen Einschränkung, was den Ausbau der Flotte angeht. Fällt der Vertrag weg, kann Russland seinen Stützpunkt stärken.

Doch nicht nur militärisch, auch wirtschaftlich ist die Region wichtig. Diverse Pipeline-Projekte verlaufen durch die Region, eine Anbindung der Krim an Russland würde Moskau hier einen strategischen Vorteil verschaffen. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zeigt auf einer interessanten Karte, wie geplante Gaspipelines und Wirtschaftszonen in der Region verlaufen und wo die russische Armee ihre Stützpunkte hat.

Für die Krim selbst hätte eine Abspaltung jedoch auch einige negative Folgen. So kommt der Strom auf der Halbinsel größtenteils aus Kiewer Einflussgebiet, der ukrainische Staatskonzern Tschernomorneftegas fördert dort Gas, auch Pipelines, die russisches Gas liefern könnten, verlaufen durch die Ukraine. Berichten zufolge bereitet die Krim-Regierung eine Übernahme von Tschernomorneftegas vor. Unter ortsansässigen Unternehmen dürfte diese Maßnahme kaum für Vertrauen sorgen. Sie befürchten ohnehin, durch die Veränderung des Machtgefüges ihren Besitz zu verlieren .

Mit Material von AFP, dpa und Reuters.

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