Drogenpolitik:Schwarz-grünes Hanfbündnis
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Von Markus C. Schulte von Drach
Schwarz-grüne Bündnisse sind in Deutschland noch immer eine eher seltene Konstellation. Umso ungewöhnlicher erscheint die gemeinsame Stellungnahme von zwei Bundestagsabgeordneten von der CDU und den Grünen. Joachim Pfeiffer und Dieter Janecek, jeweils wirtschaftspolitische Sprecher ihrer Fraktionen, fordern die regulierte Freigabe von Cannabis.
Als wirtschaftspolitische Sprecher geht es ihnen vor allem um die finanzielle Seite der Drogenpolitik: Zwischen ein und zwei Milliarden Euro, so rechnen sie vor, gibt Deutschland pro Jahr allein für die Strafverfolgung von Konsumenten aus. Dabei sollte doch eigentlich der kriminelle Sektor des Drogengeschäfts im Zentrum der Anstrengungen stehen. "Im übertragenen Sinn: Wir verhaften öfter die Zeugen als die Täter", schreiben die beiden. "Und müssen dann feststellen, dass die Unterbindung der Nachfrage durch Abschreckung in der Praxis nicht funktioniert. Der Schwarzmarkt blüht."
Janecek und Pfeiffer schlagen deshalb vor, den Markt für Cannabis staatlich zu regulieren. Vor allem dem Schwarzmarkt würde damit direkt der Boden unter den Füßen entzogen, argumentieren sie. Dass eine Liberalisierung und Regulierung positive Folgen haben könnte, würden auch Beispiele anderer Staaten zeigen. Tatsächlich haben etwa in den USA bereits einige Bundesstaaten Cannabis sogar als Genussmittel zugelassen. Dort ist eine regelrechte Cannabis-Industrie entstanden.
Vorschläge wie diesen gab es schon früher, die Grünen etwa haben vor einigen Monaten bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf präsentiert. Neu ist aber die Schützenhilfe aus dem Regierungslager. Pfeiffer dürfte bei seinen konservativen Parteikollegen zwar auf einigen Widerstand stoßen. So hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) umgehend erklärt, er sei weiter strikt gegen die Freigabe von Cannabis und er könne auch keine Tendenz innerhalb der Union insgesamt feststellen, "einer Freigabe das Wort zu reden", sagte er der dpa. Doch Pfeiffer hat sowohl mit seinem Anliegen als auch mit seiner schwarz-grünen Mini-Koalition mit Janecek ein Signal gesetzt.
Nicht nur die Politik, auch die Gesellschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten ihre Haltung zum Hanf verändert. Etwa ein Viertel der erwachsenen deutschen Bevölkerung hat inzwischen Erfahrungen mit Drogen - mit Abstand am häufigsten mit Cannabis. Von jungen Erwachsenen hatten 2011 immerhin 39 Prozent Erfahrungen mit Cannabis gemacht. Der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zufolge waren es unter Zwölf- bis 17-Jährigen im Jahr 2012 immerhin 7,8 Prozent. "600 000 Personen in Deutschland weisen einen missbräuchlichen oder abhängigen Cannabiskonsum auf", heißt es auf den Internetseiten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler.
Doch was ist missbräuchlich, und wie sollte die Drogenpolitik in Zukunft mit Cannabis umgehen? Immerhin halten Mediziner zumindest den regelmäßigen Konsum der Droge für gesundheitsschädlich - vor allem für Jugendliche. Gewarnt wird vor Sucht, selbst Psychosen drohen.
Andererseits sind bekanntlich die legalen Drogen Alkohol und Nikotin ähnlich gefährlich. Außerdem gilt vielen Experten inzwischen der gegenwärtige Umgang mit "Kiffern" als zu hart. Zwar ist der Konsum von Cannabis an sich nicht mehr illegal. Doch Besitz und Erwerb sind es durchaus. Und wer mehrfach mit Cannabis erwischt wird, dem drohen Geldstrafen oder sogar Gefängnis.
Für Pfeiffer und Janecek jedenfalls stehen die Folgen der Illegalität und der Strafverfolgung in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu den bekannten Gesundheitsrisiken. "Natürlich wollen wir gerade Kindern und Jugendlichen nicht vermitteln, dass der Konsum von Cannabis unbedenklich ist", schreiben die beiden Politiker in ihrer Stellungnahme.
"Vielleicht sollten wir aber die Mittel hierfür überdenken." Es wäre besser, mehr Geld in die Präventionsarbeit zu stecken, als jungen Erwachsenen zu signalisieren, sie wären Kriminelle. Mit zusätzlichen Steuereinnahmen von bis zu zwei Milliarden Euro und ähnlich hohen Einsparungen bei der Strafverfolgung rechnen die zwei Politiker in Deutschland, sollten ihre Vorschläge umgesetzt werden. Mit diesem Geld ließe sich eine deutlich verbesserte Präventionsarbeit finanzieren.
Außerdem verweisen sie auf "einen großen, sehr aktiven, mit der organisierten Kriminalität engstens verflochtenen Schwarzmarkt für illegale Drogen hier in Deutschland". Bisher sei es genauso wenig gelungen, diesen mit Verboten wirksam zu bekämpfen, wie die Zahl der Konsumenten überhaupt zu reduzieren. "Aufklärung", so Pfeiffer und Janecek, "ist gemeinhin effektiver als Repression." Deshalb wollen sie "auf die Kraft der Freiheit" setzen.
Die Drogenbeauftragte Mortler hat sich erst im November 2014 grundsätzlich gegen eine Freigabe ausgesprochen. Bei der Veröffentlichung des Jahresberichts der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenkonsum sagte sie: "Das Kleinreden der Gefahren dieser Droge durch Legalisierungsbefürworter ist mit Blick auf junge Leute verantwortungslos."
Unterstützung finden Janecek und Pfeiffer dagegen bei einer Reihe von Wirtschaftswissenschaftlern. Justus Haucap von der Universität Düsseldorf etwa sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, es sei eine weitgehende Liberalisierung der Drogen Haschisch und Marihuana nötig, um den Schwarzmarkt wirklich in den Griff zu bekommen. Erst im April 2015 hatte Haucap in der Wirtschaftswoche erklärt, die Prohibition in Deutschland sei komplett gescheitert: "Aufklärung ist effektiver als sinnlose Repression."
Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, hatte der Zeitung gesagt, dass sich aus Sicht von Regulierung und Fiskalpolitik eher Gründe anführen ließen, die für eine Legalisierung von Cannabis sprechen. Er hält sogar Steuereinnahmen von bis zu 3,5 Milliarden Euro für möglich - neben den Einsparungen bei der Kriminalitätsbekämpfung.