Drogenpolitik in Nordrhein-Westfalen:Polizeichef darf nicht für Cannabis kämpfen

  • Nordrhein-Westfalens Innenministerium verbietet Münsters Polizeipräsident, an einer Veranstaltung von Befürwortern einer Liberalisierung der Drogenpolitik teilzunehmen.
  • Die Opposition spricht von einem "Maulkorb" gegen einen Abweichler.
  • Die Piraten wollen den Innenminister im Landtag zu dem Fall befragen.

Von Jannis Brühl, Köln

Hubert Wimber steht kurz vor der Pensionierung, aber er ist ein moderner Mann. Wenn es um Drogenpolitik geht, ist Münsters Polizeipräsident seinem Dienstherrn sogar etwas zu modern. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat Wimber verboten, sich in einer Organisation zu engagieren, die für die Freigabe von Cannabis wirbt. Das steht in einem Bericht Jägers an den Landtag. Jetzt lautet der Vorwurf, das Ministerium habe Wimber einen "Maulkorb" verpasst, weil er von der offiziellen Linie abweicht.

Es geht um die Pressekonferenz anlässlich der Gründung des deutschen Ablegers des Netzwerkes Leap (Law Enforcement against Prohibtion - "Strafverfolger gegen Prohibtion") im Bundestag. Bei Leap setzen sich Kriminalexperten für die Freigabe weicher Drogen ein. Die Gruppe wollte sich am 22. Oktober offiziell gründen. Als Teilnehmer waren ein Linken-Politiker, eine ehemalige Offizierin des britischen Geheimdienstes MI5 angekündigt - und eben Wimber. Der ist bekannt ist für seine liberale Einstellung gegenüber weichen Drogen. Die unterscheidet sich klar von der offiziellen Politik des Polizeiapparats und der Sicherheitsbehörden. Wimber hinterfragt die harte Verbotspolitik, er hält den Einsatz von Polizisten gegen Cannabis-Konsumenten für Verschwendung von Ressourcen.

Kurz vor der Veranstaltung sagte er seine Teilnahme jedoch ab, das Treffen fiel aus.

Innenministerium widerspricht sich selbst

Das Innenministerium hatte dazwischen gegrätscht, wie nun bekannt wird. In einer Antwort auf eine Anfrage der Piraten wird die dienstliche Anordnung an Wimber wörtlich zitiert: "Teilnahme und Mitwirkung an dem am 22.10.2014 geplanten Pressetermin im Bundestag in Berlin im Zusammenhang mit der Gründung der Organisation 'Leap Deutschland' sind Ihnen untersagt." (PDF)

Das steht im Widerspruch mit der Aussage der Pressestelle der Münsteraner Polizei, die das Innenministerium zunächst übernommen hatte. So hieß es, Wimber sei aus "organisatorischen Gründen" verhindert gewesen. Verwirrend ist auch, dass ein Sprecher des Ministeriums im Oktober noch von der Münsterschen Zeitung mit den Worten zitiert wurde, man habe keinen Einfluss auf Wimber genommen: "Wir begrüßen, dass er von dieser Aufgabe Abstand genommen hat, aber ein Verbot wurde nicht ausgesprochen - weil Hubert Wimber ein solches Engagement auch nicht beantragt hat." Dieses Zitat sei aber falsch, heißt es nun aus dem Ministerium. Im Bericht an den Landtag steht nun auch, dass Wimber sehr wohl angekündigt hatte, an der Veranstaltung mitzuwirken.

Als Beamter ist Wimber natürlich weisungsgebunden. Doch der Fall wirkt auf manche, als habe das Ministerium ein Problem mit einer offenen Debatte über Cannabis. Der Pirat Lukas Lamla wirft der Landesregierung vor, "unbequeme Wahrheiten zu unterdrücken": Anstatt sich mit der wirkungslosen Verbotspolitik auseinanderzusetzen, greife Jäger zu seinen Lieblingswerkzeugen wie Verbote und Maulkörbe. Der Bundestagsabgeordnete Frank Tempel (Linke), selbst bei Leap dabei, sagt, Düsseldorf verhindere "die Zusammenarbeit unliebsamer Stimmen".

Die Landesregierung befürwortet grundsätzlich die Entkriminalisierung, aber keine generelle kontrollierte Abgabe weicher Drogen. Das Ministerium verweist darauf, dass der Konsum besonders bei Jugendlichen zu "nicht unerheblichen akuten und chronischen körperlichen sowie psychischen Beeinträchtigungen" führe. Es gibt in der Tat Hinweise, dass Cannabis abhängig machen kann, die kognitive Leistungsfähigkeit einschränkt und das Risiko für Psychosen erhöht.

Zielscheibe der Opposition

In Sachen Cannabis verändert sich jedoch die Einstellung der Gesellschaft, und auch in Teilen des Sicherheitsapparates, wie Wimbers Beispiel zeigt. Im "Schildower Kreis" setzen sich mehr als 120 Strafrechtsprofessoren für eine neue Drogenpolitik ein.

Das SPD-geführte Innenministerium wollte Wimber vielleicht auch deshalb nicht auf einem Podium mit anderen Hanf-Verteidigern sehen, weil er damit zur Zielscheibe für die Opposition werden könnte.

Die CDU beobachtet Wimber seit Längerem. Im Februar stellte sie im Innenausschuss die Frage: "Narrenfreiheit' für Münsteraner Polizeipräsidenten?" und bezweifelte, dass er in Sachen Drogendelikte seinem Dienstherrn loyal folge (PDF). Anlässlich des geplanten Leap-Treffens hieß in einer Anfrage der Konservativen spitz: "Verstößt der Polizeipräsident von Münster gegen Recht und Gesetz?" (PDF)

Die Piraten wollen Jäger am Donnerstag im Innenausschuss zum Fall Wimber befragen. Der Innenminister hat schon genug Probleme. Die Opposition wirft ihm Versagen vor, wegen der Gewalt privater Wachmänner in Flüchtlingsunterkünften und wegen der Einsatzplanung vor den Hooligan-Ausschreitungen in Köln.

Wimber wird im Frühjahr in Rente gehen. Eine neue Aufgabe hat er schon. Befreit von Weisungen des Innenministers soll er dann Vorsitzender des deutschen Ablegers von Leap werden. Dann wird auch die Pressekonferenz stattfinden.

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