Süddeutsche Zeitung

Drogen-Vorwürfe:Warum der Fall Beck nicht zum Skandal taugt

Nach Bekanntwerden seines möglichen Drogenkonsums hat der Grünen-Politiker vieles richtig gemacht. Er hat eine zweite Chance verdient.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Natürlich, diese Häme. Alle die den Grünen-Politiker Volker Beck ohnehin nicht mochten, haben jetzt einen Grund, mal ordentlich Dampf abzulassen. Das soll hier nicht alles wiederholt werden. Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, weiß ohnehin, auf welche Weise dumpfbackige Mitbürger ihrem Unmut Luft machen.

Das ist passiert: Volker Beck ist offenbar mit Drogen erwischt worden. Die Bild-Zeitung will wissen, dass er angeblich 0,6 Gramm der synthetischen Droge Crystal Meth bei sich hatte, als er am Dienstag in Berlin in eine Polizeikontrolle geriet.

Ein Skandal? Nein, kein Skandal. Die politischen Folgen der Angelegenheit sind gering - auf die derzeit laufenden Landtagswahlkämpfe der Grünen dürften sie nur wenig Einfluss haben. Es geht in dieser Geschichte um die menschliche Fehlbarkeit eines Einzelnen. Mit dem Unterschied, dass Beck innenpolitischer Sprecher einer Fraktion ist. Als solcher ist er in besonderer Weise in der Pflicht, sich an Recht und Gesetz zu halten. Gerade wenn es um Drogen geht.

Ein innenpolitischer Sprecher kann sich nicht zurücklehnen und sagen: Ich bin doch nur Konsument. Als Konsument stützt er mit dem Ankauf seiner Drogen kriminelle Strukturen. Als Sprecher für Innenpolitik ist er damit nicht länger tragbar. Sein Rücktritt von allen Ämtern in der Fraktion ist folgerichtig.

Geschadet hat sich Beck vor allem selbst. Zuerst seiner Gesundheit. Und außerdem seiner Karriere. Ist seine Karriere damit beendet? Wiederum nein. Dafür fehlt der Geschichte die nötige Fallhöhe. Beck hat sich immer für eine liberale Drogenpolitik eingesetzt. Eine Politik, die nicht den Drogenkonsum kriminalisiert. Sondern vor allem die Herstellung und den Handel. Wo es geht, wollen die Grünen weiche Drogen legalisieren. Cannabis zum Beispiel. Das ist übrigens auch Beschlusslage der FDP.

Crystal Meth ist nun wahrlich keine weiche Droge. Sie zieht Menschen in eine selbstzerstörerische Abhängigkeit. Da gibt es wenig zu beschönigen. Politiker - auch Grünen-Politiker - müssen da Vorbild sein. Aber Abgeordnete sind Menschen, keine Maschinen. Sie machen Fehler. Die einen rauchen, andere trinken, manche beides. Einige von beidem zu viel. Und einige nehmen Drogen.

Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann ist im Sommer 2014 mit Crystal Meth erwischt worden. Auch er war innenpolitischer Sprecher und trat schnell zurück - wenn auch etwas zögerlicher als jetzt Beck. Er begründete damals den Konsum damit, leistungsfähiger sein zu wollen. Anders als Beck war Hartmann stets dagegen, weiche Drogen zu legalisieren.

Dennoch stand nach seinem Rücktritt für die meisten in der SPD-Fraktion außer Frage, dass Hartmann sein Mandat behalten kann. Das ist im Arbeitsleben nicht anders. Der Konsum von Drogen selbst während der Arbeitszeit führt nicht unweigerlich zur Kündigung. Dafür muss der Arbeitnehmer erst abgemahnt werden.

So gesehen: Ihre Abmahnungen haben haben Hartmann und Beck jetzt erhalten. Tatsächlich können nur sie allein über ihr Mandat entscheiden. Selbst verurteilten Abgeordneten kann das Mandat nicht ohne Weiteres entzogen werden.

Beck wird wohl weiter Politik machen. Und das ist gut so. Beck sitzt seit 1994 für die Grünen im Bundestag. Er gehört zu den wenigen Abgeordneten mit sechs Sternen im Kürschner, dem rot-weiß-gestreiften Abgeordnetenhandbuch. Jeder Stern steht für eine Legislaturperiode. Beck ist immer dahingegangen, wo es wehtut. Als Kämpfer für die Rechte Homosexueller hat er sich in den düsteren Kohl-Jahren dumme Sprüche im Bundestag anhören müssen. In Moskau hat er sich für seine Homosexualität blutig schlagen lassen. Beck ist keiner, der sich wegduckt. Keiner, der sich anschmiegt, um von allen gemocht zu werden. Beck mag Drogen nehmen. Harmoniesüchtig ist er nicht.

In der Pädophilie-Affäre der Grünen allerdings hat er zu spät gemerkt, dass er eine Mitverantwortung trägt für unsägliche Schriften und Ideen aus den Anfangsjahren der Grünen. Er hat sich dafür entschuldigt. Besser spät als nie. Im vergangenen Jahr hat er für seine Verdienste im Kampf gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit den Leo-Baeck-Preis des Zentralrates der Juden in Deutschland bekommen.

Beck hat für sein Fehlverhalten Kritik einstecken müssen, auch aus der eigenen Partei, etwa vom wahlkämpfenden Ministerpräsidenten Kretschmann. Der schnelle Rücktritt nötigt aber selbst politischen Gegnern Anerkennung ab. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) twitterte:

Diese Art der Anerkennung wird Beck stützen, wenn er den Neustart angeht. Der schnelle und deutliche Rücktritt kann ihn stärken. Und ihm helfen, auch diejenigen in seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen zu überzeugen, die schon vorher Zweifel hatten, Beck 2017 noch einmal, ein siebtes Mal in den Bundestag zu schicken. Und ihn dafür mit einem sicheren Platz auf der Landesliste auszustatten.

Fehler passieren. Beck hat einen Fehler gemacht. Er hat ihn umgehend eingeräumt und ohne zu zögern seine Ämter zur Verfügung gestellt. Das gelingt nicht jedem. Es sei nur an den einstigen CSU-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg erinnert. Der hat Wochen gebraucht, um zu merken, dass er mit einer abgeschriebenen Doktorarbeit nicht einfach weitermachen kann wie bisher. Hätte er gehandelt wie Beck jetzt, Guttenberg könnte längst wieder eine wichtige Rolle auf der politischen Bühne spielen.

Über die Zukunft eines Politikers, der einen Fehler gemacht hat, entscheidet meist nicht die Qualität des Fehlers selbst. Erst sein Umgang mit dem Fehler lässt erkennen, ob er eine zweite Chance verdient hat. Beck hat sie verdient.

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