Dritte TV-Debatte zur US-Außenpolitik:Mit Bin Laden gegen Romney, mit Bengasi gegen Obama

Die Amerikaner interessieren sich vor der Präsidentschaftswahl für Wirtschaft, Jobs, Benzinpreise. Doch da das Rennen zwischen Obama und Romney unglaublich knapp wird, kann heute Nacht die TV-Debatte zur Außenpolitik entscheidend sein. Der Herausforderer inszeniert sich als Hardliner, Obamas Trümpfe liegen woanders.

Johannes Kuhn

Nun ist tatsächlich passiert, was vor anderthalb Monaten noch völlig unwahrscheinlich schien: Gut zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl liegen Amtsinhaber Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney in Umfragen gleichauf. Die dritte TV-Debatte, die in der Nacht zum Dienstag in Boca Raton, Florida, stattfindet, könnte den Ausgang der Wahl tatsächlich entscheidend beeinflussen.

Dies ist deshalb ungewöhnlich, weil die Außenpolitik im Mittelpunkt des Fernsehduells steht. Während sich die Welt von den Aussagen der beiden Kandidaten Klarheit über den Kurs erhofft, den der schwächelnde Weltpolizist Amerika in den nächsten vier Jahren einschlagen wird, schert den US-Bürger die internationale Komponente recht wenig. Die Perspektiven der Wirtschaft, die Staatsverschuldung und die Entwicklung des Benzinpreises sind ihm traditionell wichtiger. Die gute Nachricht für Obama aus den vergangenen Wochen: Arbeitslosenzahlen und Spritkosten sinken. Die schlechte: Seine Umfragewerte tun es in vielen wichtigen Staaten auch.

Beim TV-Duell zur Außenpolitik will er deshalb als Amtsinhaber die Gelegenheit nutzen, sich als Staatsmann und Macher zu präsentieren und so die letzten noch unentschlossenen Wähler auf seine Seite zu ziehen. Sein Herausforderer hingegen muss den schwierigen Beweis erbringen, es besser machen zu können.

Raus aus dem Irak, beginnender Abzug aus Afghanistan

Für Romney dürfte das keine einfache Angelegenheit werden: Obama kann immerhin auf der Habenseite verbuchen, den Abzug aus dem Irak vollzogen und den aus Afghanistan eingeleitet zu haben. Romney vertritt zwar die Meinung, dass die Irak-Entscheidung vorschnell getroffen wurde und behält sich vor, den für 2014 festgelegten Afghanistan-Abzugstermin in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit zu überprüfen. Doch wirklich angreifen kann er seinen Kontrahenten hier nicht - zu klein sind die Unterschiede der Rivalen, zu groß ist die Kriegsmüdigkeit der Amerikaner.

Andere Punkte wie Obamas Einsatz von Drohnen zur Eliminierung mutmaßlicher Terroristen oder die (bereits vor vier Jahren angekündigte und noch immer nicht vollzogene) Schließung des Gefangenenlagers von Guantanamo sind umstritten - aber vor allem im liberalen Lager. "Die Obama-Regierung hat viele sicherheitspolitische Strategien von der Bush-Regierung übernommen", sagte jüngst Jameel Jaffer, Direktor der liberalen American Civil Liberties Union, zur BBC. Dort, wo Obama rechts von der Mitte steht, ist für die Konservativen nur wenig zu holen.

Und da wäre noch die Trumpfkarte des Amtsinhabers. Beim Alfred E. Smith Dinner vergangene Woche gab der Präsident einen ironischen Ausblick auf seine Taktik für die TV-Debatte: "Spoiler-Warnung. Wir haben Bin Laden erwischt." Die Tötung des Top-Terroristen gilt als symbolträchtigster außenpolitischer Erfolg Obamas, stets betont sein Team, wie sehr die Entscheidung zum riskanten Einsatz der Navy Seals die Entschlusskraft und Stärke des Präsidenten dokumentiere.

Zweifel an der Führungsstärke

Dass es an dieser Führungsstärke allerdings inzwischen Zweifel gibt, spielt Romney in die Karten und hat vor allem mit dem (geschichtlich symbolträchtigen) 11. September dieses Jahres zu tun. Damals kamen beim Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi vier Amerikaner ums Leben, unter ihnen Botschafter Chris Stevens.

Die Republikaner, lange auf der Suche nach einem Angriffspunkt, versuchen inzwischen immer wieder, den Vorfall zum Symbol für die gescheiterte Außenpolitik Obamas zu machen. Ihr Theorie: Die Regierung möchte den Anschlag nicht mit dem islamischen Terrorismus in Verbindung bringen, weil der (angebliche) Niedergang des Terrornetzwerks im Wahlkampf als Erfolg verkauft werden soll.

Welche Rolle China und Iran spielen

Ob wirklich, wie einige Medienberichte suggerieren, die Milizen des Islamisten Ahmed Abu Khattala hinter dem Anschlag stecken, ist zwar nach wie vor unklar. Doch die diffuse Informationspolitik des Weißen Hauses nach dem Attentat bot den Republikanern genügend Möglichkeiten, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Regierung aufzuwerfen.

Bei Kongressanhörungen war herausgekommen, dass das US-Außenministerium mehrere Anfragen zur Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen an der Vertretung in Bengasi abgelehnt hatte. Vor wenigen Tagen übernahm deshalb US-Außenministerin Hillary Clinton die Verantwortung für den Umgang Washingtons mit den Sicherheitsbedingungen im Konsulat.

Nach der Attacke identifizierte die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice zudem "spontane Demonstrationen" als Auslöser, eine von den Republikanern heftig kritisierte Darstellung, zu der Rice aber offenbar ein CIA-Papier brachte, aus dem die Washington Post am Freitag zitierte. Auch Obama selbst leistete sich Fehler und bezeichnete den Tod der US-Bürger vergangene Woche lakonisch als "nicht optimal", was ihm viel Kritik einbrachte. Romney selbst hingegen blamierte sich im zweiten TV-Duell, als er Obama fälschlicherweise beschuldigte, den Angriff erst nach 14 Tagen als terroristischen Akt bezeichnet zu haben.

Die Vorfälle von Bengasi und Fragen nach Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus dürften auch in der dritten Fernsehdebatte einen größeren Platz einnehmen, wird Romney doch versuchen, sie mit Obamas Politik der "Führung aus dem Hintergrund" in Verbindung zu bringen. Das Weiße Haus bezeichnete so die Unterstützung des Libyen-Lufteinsatzes unter Führung der Franzosen und Briten im Jahr 2011; die Republikaner verwenden den Ausdruck inzwischen, um den vermeintlichen Einflussverlust der USA unter Obama zu illustrieren. "Die Verbündeten wünschen sich mehr, nicht weniger amerikanische Führung", betont der republikanische Kandidat immer wieder.

Vor allem mit Blick auf den Atomstreit mit Iran fordert der Kandidat ein stärkeres Bekenntnis der US-Regierung zu seinem Verbündeten Israel und lehnt jegliche Anreicherungskapazitäten für Teheran ab. Obama hält sich seinerseits bedeckt und warnt vor einer Eskalation der Situation, im Hintergrund sollen einem Bericht der New York Times zufolge angeblich bald bilaterale Gespräche zwischen Iran und den USA beginnen. Damit soll weiterhin auf diplomatischem Wege versucht werden, ein mögliches Atomwaffenprogramm Irans zu stoppen. Israel, aber auch die Republikaner, sehen die Zeit für diplomatische Lösungen hingegen rasch schwinden. Nicht alle, aber die Mehrheit der Republikaner sieht einen "Präventivkrieg" gegen Teheran als realistische Option. Auch Romney sieht es als "letzte Option", falls alle anderen Bemühungen scheitern sollten.

China als Sündenbock

Einen Streit mit Israels konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu konnte der amtierende US-Präsident jüngst entschärfen, dennoch gilt das Verhältnis der beiden Regierungen als angespannt. Die Positionierung bei diesem Thema ist von immenser innenpolitischer Bedeutung, geht es doch (auch) um die Stimmen der jüdischen Wähler, die gerade im wichtigen Wechselwählerstaat Florida das Stimmlein an der Waage sein könnten.

Zudem dürften beide Kandidaten das Verhältnis der USA zu China nutzen, um innenpolitisch Punkte zu sammeln. Immerhin bringen beide den Niedergang der amerikanischen Industrie in wichtigen Staaten wie Ohio mit dem Aufstieg Chinas und Pekings umstrittener Währungspolitik in Verbindung.

Während Obama darauf hinweist, dass die Politik seiner Regierung zu einer sanften Abwertung des chinesischen Yuan geführt habe, will Romney auch hier rücksichtsloser agieren: Die Volksrepublik soll im Falle seiner Wahl am ersten Tag seiner Amtszeit auch formell als Währungsmanipulator gebrandmarkt werden, eine Aktion, die diplomatische Verstimmungen, Strafzölle und damit einen Handelskrieg zur Folge haben könnte.

Hardliner-Rhetorik schadet Romney nicht

Ob Romney seine Ankündigungen im Falle seiner Wahl wirklich ohne Rücksicht umsetzen wird, steht in den Sternen. Die Unterschiede der beiden Lager in der Außenpolitik könnten am Ende wie so oft eher symbolischer als realpolitischer Natur sein.

Geschadet hat dem Herausforderer seine Hardliner-Rhetorik zumindest nicht: In Umfragen liegt er bei den Kompetenzwerten für Außenpolitik nur noch vier Prozentpunkte hinter Obama. Der Amtsinhaber hatte hier vor wenigen Wochen einen Vorsprung von 15 Prozent.

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