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Dresden:Was es mit der Bilderberg-Konferenz auf sich hat

In Dresden treffen sich die Mächtigen der Welt. Worüber geredet wird? Vielleicht über die Weltherrschaft? Streng geheim. Sechs Fragen zu dem Treffen.

Von Deniz Aykanat

Der rechtsextreme NSU ist eine Erfindung deutscher Geheimdienste, die Anschläge vom 11. September wurden von der amerikanischen Rüstungsindustrie angezettelt, um einen neuen Krieg im Nahen Osten zu provozieren und die Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel sind in Wirklichkeit absichtlich versprühte Chemikalien, die dazu dienen, die Bevölkerung zu reduzieren. Die Liste an kruden Vorstellungen lässt sich weiter fortsetzen. Verschwörungstheorien sind in einer durch die Globalisierung immer komplexer werdenden Welt auf dem Vormarsch. Denn sie liefern einfache Erklärungen und Rezepte.

Fragt man Anhänger von Verschwörungstheorien, dann werden sicher auch bei den streng geheimen Zusammenkünften der Bilderberg-Konferenzen Pläne zur Übernahme der Weltherrschaft geschmiedet. Oder womöglich ist die Bilderberg-Konferenz bereits eine Art Weltregierung! Bestand hat die Konferenz nämlich schon seit 62 Jahren. Am Donnerstag kommt sie in Dresden zusammen. Die wichtigsten Fragen zu dem Geheimtreffen:

Wie entstand die Bilderberg-Konferenz?

Das erste informelle Treffen einflussreicher Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien fand vom 29. bis zum 31. Mai 1954 im Hotel de Bilderberg in Oosterbeek in den Niederlanden statt. Der Tagungsort gab der Konferenz ihren späteren Namen. Initiiert hatte das Treffen der polnische Exil-Politiker Józef Retinger, der einen aufkeimenden Antiamerikanismus in Westeuropa sah und diesem durch die Förderung der transatlantischen Beziehungen entgegenwirken wollte.

Unterstützer fand er dafür unter anderen in Prinz Bernhard der Niederlande und dem früheren belgischen Premier Paul Van Zeeland. Prinz Bernhard und Van Zeeland sollen Kontakte hergestellt haben zum damaligen Chef des US-Geheimdienstes CIA, Walter Bedell Smith, und zu Charles Douglas Jackson, einem Berater von US-Präsident Dwight D. Eisenhower. Und so kamen zur ersten Bilderberg-Konferenz 50 Delegierte aus elf Ländern Westeuropas sowie elf Abgesandte aus den USA in den Niederlanden zusammen.

Aus dem Treffen entstand eine jährlich an wechselnden Orten stattfindende Konferenz - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was noch zu vielen Spekulationen und Verschwörungstheorien führen sollte.

Wie ist die Konferenz strukturiert?

Das Treffen dauert in der Regel drei Tage. Nach außen dringt nur die Liste der Teilnehmer und eine Agenda mit den Tagesordnungspunkten. Transatlantische Beziehungen spielen immer noch eine Rolle - die meisten Teilnehmer stammen aus Nato-Staaten. Diskutiert wird heute aber vor allem ganz allgemein über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen.

Die Konferenz wird nach der sogenannten "Chatham House Rule" abgehalten. Sie gestattet Teilnehmern zwar, die erhaltenen Informationen zu verwenden. Aber weder Identität noch Zugehörigkeit der Redner oder anderer Teilnehmer dürfen preisgegeben werden. Es gibt weder offizielle Beschlüsse, Resolutionen noch eine Abschlusserklärung. Die Teilnehmer hingegen bekommen die Protokolle der Treffen zugeschickt.

Organisiert werden die Treffen von einem Vorsitzenden. Bekannter deutscher Vorsitzender war lange der ehemalige Chefredakteur der Zeit, Theo Sommer. Die Teilnahme erfolgt durch Einladung. Eine Mitgliedschaft ist nicht möglich.

Wer wird eingeladen?

Die Gästelisten der Bilderberg-Konferenzen lesen sich zum einen wie das Who is Who der Weltwirtschaft. David Rockefeller und Giovanni Agnelli vom Fiat-Clan etwa waren rege Teilnehmer, Vertreter der Deutschen Bank sind auch stets dabei. Zum anderen sind militärische Strategen des Nato-Bündnisses geladen und traditionell auch Mitglieder europäischer Königshäuser.

Auch deutsche Politiker und Medienmacher nahmen regelmäßig teil, wie etwa der vor Kurzem verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt. Einladungen haben in diesem Jahr unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel und mehrere Mitglieder des Bundeskabinetts erhalten - mit Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière sind drei Bundesminister dabei. Im Jahr zuvor waren zum Beispiel der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eingeladen.

Die letztjährige Konferenz fand im österreichischen Telfs statt. Dieses Jahr treffen sich die Experten und Entscheider nicht ganz so abgeschieden wie sonst üblich, nämlich im Luxushotel Taschenbergpalais in der Dresdner Altstadt.

Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Die Stadt hat ein Versammlungsverbot rund um den Tagungsort verhängt. Für Drohnen und andere Flugobjekte wurde eine Sperrzone eingerichtet. Die Mischung der Demonstranten steht der illustren Gästeliste in nichts nach: Die "Rote Fahne/Antifaschistische Aktion", die rechtsextreme NPD, AfD, Pegida und zahlreiche Parteien, Gruppen und Einzelpersonen haben knapp zwei Dutzend Protestkundgebungen gegen die Dresdner Konferenz angekündigt.

Nach Angaben der Bilderberg-Veranstalter stehen Themen wie internationale Sicherheit, Arbeitsmarktpolitik, Finanz- und Handelsfragen oder der Umweltschutz im Fokus der Diskussion. Und sehr viel detaillierter werden die Informationen auch nach Veröffentlichung der Tagesordnungspunkte nicht. Zumindest für die Außenwelt.

Warum die ganzen Verschwörungstheorien?

Die Geheimhaltung in Kombination mit einem Aufgebot an mächtigen Teilnehmern befeuert Gerüchte über die Bilderberg-Konferenz. Nicht unbedingt verwunderlich, denn die ganze Aufmachung und Struktur des Treffens wirkt so, als stamme sie aus der Feder von "Illuminati"-Autor Dan Brown.

"Je weniger über bestimmte Ereignisse kommuniziert wird oder Informationen darüber vorliegen, desto mehr neigen die Menschen dazu, anzunehmen, dass es da um irgendetwas Geheimes geht, was sie nicht wissen sollen", sagt Eva Kimminich der Deutschen Presse-Agentur. Die 59-jährige Professorin lehrt Kulturwissenschaften an der Universität Potsdam und beschäftigt sich mit dem Entstehen von Verschwörungstheorien, die derzeit Konjunktur haben.

"Den Bilderbergern wird unterstellt, dass sie die Weltherrschaft antreten wollen. Und das geht natürlich gegen ein völkisch-nationales Bild, das gerade die rechten Gruppierungen vertreten, die ja auch der US-Regierung vorwerfen, die Weltregierung übernehmen zu wollen", sagt Kimminich.

Was Teilnehmer der Konferenz zu den Vorwürfen sagen

"Es ist eine informelle Gruppe, die über verschiedene Themen spricht und die Diskussion hinter verschlossenen Türen führt, um die Gespräche zu erleichtern", sagt Henri de Castries, Chef des Axa-Versicherungskonzerns und Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Bilderberger. Dass es sich bei den Konferenzteilnehmern um eine Machtelite handelt, sei nicht relevant. "Es ist kein Parlament, keine operative Organisation." Schließlich würden auch keine Entscheidungen getroffen. "Warum sollten diese Menschen nicht das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?"

Einer, der schon mal dabei war und aus seiner Partei dafür auch Schelte bezog, ist Jürgen Trittin. 2012 war er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. "Von der Diskussionskultur ist das eigentlich mit jeder Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Münchner Sicherheitskonferenz zu vergleichen", sagt er. Und in der Verschwiegenheitsklausel kann der Alt-Grüne durchaus auch Positives erkennen. "Denn es macht Sinn, gelegentlich mal in einem solchen Rahmen zu reden."

Auch bei anderen internationalen Konferenzen gebe es solche Gespräche. "Es wird dort genauso viel oder eher weniger Weltpolitik gemacht als bei der Münchner Sicherheitskonferenz oder beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos und mit Sicherheit weniger Weltpolitik gemacht als beim G-20-Treffen der Staats- und Regierungschefs", sagt Trittin. Die Mythenbildung könne mit der Entstehung der Konferenz zusammenhängen. "Bilderberg hat seine Tradition schon aus der Zeit des Kalten Krieges." Die Konferenz-Lenker hätten auch viel selbst dazu beigetragen, "weil sie lange Zeit doch noch viel abgeschlossener als heute miteinander getagt haben".

Abgesehen davon: Auch die Mächtigen aus Europa und Nordamerika sind sich oft genug uneins. Und das ganz öffentlich. Dass sich mehr als hundert Machtmenschen an drei Tagen im Jahr darauf einigen, wie man die ganze Welt regiert? Unwahrscheinlich.

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur

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