Dresden-Preis für Prinz Edward:Der royale Versöhner

Prinz Edward bekommt den Dresden-Preis

In der Semperoper bekommt Prince Edward, Duke of Kent den Dresden-Preis überreicht.

(Foto: AFP)
  • In Dresden wird Prince Edward, Duke of Kent, mit dem Dresden-Preis ausgezeichnet. Dieser wird an Menschen vergeben, die sich für Frieden und Verständigung in der Welt engagieren.
  • Vor 70 Jahren fanden die verheerenden Luftangriffe der Royal Air Force auf Dresden statt.
  • Edward, der Cousin von Königin Elisabeth II., ist seit den neunziger Jahren Schirmherr des Dresden Trusts, eines Förderkreises, der sich für den Wiederaufbau der Frauenkirche einsetzte.

Von Oliver Das Gupta

Als Prince Edward 1935 zur Welt kam, herrschte Adolf Hitler schon zwei Jahre in Deutschland. Als er fünf Jahre alt war, bombardierte die deutsche Luftwaffe die mittelenglische Stadt Coventry derart fatal, dass NS-Propagandaminister Joseph Goebbels das Wort "coventrieren" erfand. Als nach dem Unfalltod seines Vaters 1942 der Titel Herzog von Kent auf Edward überging, stieß die deutsche Wehrmacht in Richtung der sowjetischen Stadt Stalingrad vor.

Am 13. Februar 1945 war Edward neun Jahre alt. Damals "coventrierte" die Royal Air Force Dresden. Die ob ihrer barocken Schönheiten als "Elbflorenz" bezeichnete sächsische Metropole versank in Schutt und Asche, inklusive des Zwingers, der Frauenkirche und der Semperoper. Etwa 25000 Menschen starben.

Schöner Gegensatz zu tagespolitischen Sprücheklopfern

70 Jahre später geht es gedämpft feierlich zu in der Semperoper und Edward steht im Mittelpunkt. Der Prinz erhält den Dresden-Preis. Mit der Auszeichnung werden Menschen gewürdigt werden, die sich für Frieden und Verständigung in der Welt engagieren.

"Versöhnung kann immer möglich sein", sagt der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Der CDU-Politiker würdigt in seiner Laudatio den Einsatz Edwards und seiner königlich-britischen Familie für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche.

Mit Lob für Adelshäuser sollte man vorsichtig sein - Blaublütigkeit macht noch keinen besseren Menschen aus. Doch in diesem Fall ist die Dresdner Ode an Edward verdient und überfällig. Denn das englische Königshaus hat in Dresden unterschwellig eine Art Nebenaußenpolitik im Kleinen betrieben, die in ihrer positiven Ausrichtung im schönen Gegensatz zu tagespolitischen Sprücheklopfern steht.

Nobelpreisträger Günter Blobel rief den Preis ins Leben

Doch zuerst zur Auszeichnung: Diese geht auf private Initiativen zurück, finanziert wird der mit 25 000 Euro dotierte Dresden-Preis von SAP-Mitbegründer Klaus Tschira. Initiiert hat ihn der deutsch-amerikanische Wissenschaftler Günter Blobel.

Der Medizin-Nobelpreisträger war im Februar 1945 als Kind durch das unzerstörte Dresden gekommen, seine aus Schlesien stammende Familie war auf der Flucht vor der Roten Armee. Wenige Tage später erlebte Blobel den Feuersturm ein paar Kilometer von Dresden entfernt.

Mit der Idee eines internationalen Friedenspreises will Blobel auch seiner im Krieg getöteten Schwester ein Andenken setzen. Und diejenigen würdigen, die sich um den Frieden verdient gemacht haben. Der Dresden-Preis ist eine positive Gegenveranstaltung zu den Aufmärschen rechtsdrehender, revisionistischer Kräfte, die den 13. Februar für ihr bräunliches Gedankengut missbrauchen.

Der erste Preisträger: Michail Gorbatschow

2010 wurde der Preis das erste Mal vergeben, damals an Michail Gorbatschow, der als letzter sowjetischer Staatschef begann, den Kalten Krieg zu beenden und dabei half, die deutsche Teilung zu überwinden. Vor fünf Jahren musste die Veranstaltung noch um einen Tag verschoben werden: Das Landesinnenministerium bat aus Sicherheitsgründen darum.

Die seitdem geehrten Persönlichkeiten hatten sich allesamt um den Frieden verdient gemacht, etwa der ehemalige Kindersoldat Emmanuel Jal oder der ehemalige Sowjetsoldat Stanislaw Petrow, der 1983 die Menschheit vor einem Atomkrieg bewahrte (hier mehr dazu).

Mit der Historie Dresdens hatten diese Menschen nichts zu tun - Prince Edward schon. Die meisten Nicht-Briten kennen ihn bestenfalls als diejenigen, der beim Tennisturnier von Wimbledon die Siegerpokale überreicht, als Mitglied der britischen Royals auf Familienbildern posiert oder mit seiner Cousine Elisabeth II. in der Kutsche fährt.

Preisträger aus guten Gründen

Edward erhält den Preis aus guten Gründen. Seit den neunziger Jahren fungiert er als Schirmherr des Dresden Trusts, jenes britischen Förderkreises, der dabei half, die durch das Bombardement zerstörte Frauenkirche wiederaufzubauen. Für Edward scheint das Engagement für die sächsische Hauptstadt zu einer späten Lebensaufgabe geworden zu sein.

Edward kommt die Rolle des königlichen Wiedergutmachers zu. Wie bedeutungsschwer das ist, zeigt der Blick in die Vergangenheit. Die britische Regierung ließ die deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg (unter der Herrschaft von Edwards Onkel König Georg VI.) bombardieren, weil sie glaubte, den deutschen Widerstand früher brechen zu können - eine These, die umstritten ist (hier mehr dazu).

Städtepartner Dresden und Coventry

Noch vor der deutschen Kapitulation entstand der Dresden-Mythos (hier mehr dazu). Schon zu DDR-Zeiten schloss das vom Bombenkrieg zerstörte Dresden eine Städtepartnerschaft mit dem vom Bombenkrieg zerstörten Coventry. Das erlittene Schicksal verband die Menschen damals über den Eisernen Vorhang hinweg.

Nach der Wende und der Deutschen Einheit sollte die Frauenkirche wiederauferstehen, der legendäre Kuppelbau des George Bähr. Der Dresden Trust wurde gegründet, Edward übernahm die Schirmherrschaft. Das war nicht nur deshalb bemerkenswert, weil auch der Buckingham Palast in London während des Zweiten Weltkriegs deutsche Bombentreffer erhielt. Die britischen Royals hätten sich wahrlich angenehmeren Dingen in Deutschland widmen können, als der Auslöschung einer Stadt durch eine Luftflotte, deren Oberbefehlshaber der Vater der heutigen Königin war. Aber die Royals war es offenbar ein Bedürfnis, aktiv an der Vergangenheitsbewältigung und Aussöhnung mitzuwirken.

Die Familie Windsor will offenbar ihre deutschen Wurzeln pflegen

Das hat vermutlich auch historische Gründe. Die Familie Windsor, die bis zum Ersten Weltkrieg den Namen Sachsen-Coburg-Gotha führte, will offenbar ihre deutschen Wurzeln bewusst pflegen. Edward sammelte nicht nur Gelder für die Frauenkirche, ihm ging es auch um Symbolkraft. Er sorgte dafür, dass das neue Kuppelkreuz von Alan Smith geschmiedet wurde, dessen Vater als Pilot einen Bomber der ersten Angriffswelle vom 13. Februar 1945 steuerte.

Bevor das Kreuz nach Dresden kam, wurde es in britischen Städten gezeigt, die während des Zweiten Weltkriegs Opfer deutscher Angriffe waren. Und Edward spannte seine Cousine Elisabeth mit ein. Sie ließ das Kreuz auf ihrem Schloss Windsor ausstellen. Bei einem Staatsbesuch in Deutschland lud sie zu einem Benefizkonzert in die Berliner Philharmonie ein - der Erlös floss in den Aufbau der Frauenkirche. Elisabeth II. besuchte bald nach der Einheit Dresden, woran nun Laudator Biedenkopf in seiner Rede dankbar erinnerte.

Keine Angst vor Europa

Edward, der direkter Nachfahre von griechischen und britischen Königen sowie des russischen Zaren ist, erhält den Dresden-Preis wohl auch deshalb, weil er den europäischen Gedanken vertritt. Der britischen Königsfamilie ist aktive Politik verboten, darum bleiben die Aussagen der Royals stets vage. Angesichts der im Vereinigten Königreich grassierenden Europaskepsis (die sich bisweilen in offener Feindlichkeit zeigt), scheint Edward keine Angst vor Europa zu haben. Er schreibt davon, dass "wir gemeinsam ein freies und friedliches Europa aufbauen".

Das sind Töne, die man in der Londoner Parteipolitik selten vernehmen kann. Britische Regierungen (und die Oppositionsparteien) sind nicht gerade für ihre Europafreundlichkeit berüchtigt. Diejenigen Kräfte, die einen Austritt der Briten aus der Europäischen Union wollen, erstarken. Eine Kriegsschulddebatte - diesmal ging es um 1914 - gipfelte vergangenes Jahr in schrillen Tönen.

Den Jüngeren die Botschaft vermitteln: "Nie wieder!"

Die britischen Royals scheinen da schon weiter zu sein. Den Blick auf die grauenhafte Vergangenheit des Zweiten Weltkrieges hält der nun geehrte Prinz für unerlässlich. "Wir sollten (...) aus der Erinnerung Kraft schöpfen, damit wir dafür sorgen können, dass so etwas nie wieder passiert und dass Umstände, wie sie dazu geführt hatten, gar nicht erst eintreten", schrieb Edward vor ein paar Jahren. Deshalb seien "die gemeinsamen Erfahrungen von Dresden und Coventry so wichtig".

Edwards Engagement für Dresden hat weder durch Wahlerfolge der sächsischen NPD gelitten, noch dürften die fremdenfeindlichen Parolen der Pegida-Bewegung den Prinzen davon abhalten, sich weiter für die Aussöhnung einzusetzen.

Edwards Worte beim heutigen Festakt könnte auch ein Pazifist formuliert haben: "Wir müssen die Erinnerung wachhalten und gleichzeitig den Weg nach vorn richten, um der jüngeren Generation die eindringliche Botschaft zu vermitteln: Nie wieder!"

Dresden kann froh sein, Freunde wie den Herzog von Kent zu haben.

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