Dresden: Historiker zu Bombennacht:Mindestens 20.000 Tote, keine Tiefflieger

Nach fünf Jahren Arbeit legen Historiker ihren Bericht über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 vor - und widerlegen die rechte Propaganda. Ein Überblick

Zehntausende Menschen starben in der Bombennacht von Dresden am 13. Februar 1945. Jahrelang hat eine Historikerkommission geforscht, um eine möglichst genaue Zahl angeben zu können - auch weil Rechtsradikale das Ereignis immer wieder für ihre Zwecke zu instrumentalisieren suchten. Nun liegt die Studie vor.sueddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was geschah am 13. Februar 1945?

Es sollte noch knapp drei Monate dauern, bis das Ende des Zweiten Weltkriegs verkündet wurde. Ab 22:03 Uhr fliegen mehrere hundert britische Bomber Angriffe auf Dresden. In vier Wellen bombardiert die britische Luftwaffe drei Tage lang die Stadt, zum Teil mit amerikanischer Unterstützung.

Die Bomben lösen großflächige Brände aus, das historische Stadtzentrum wird fast vollständig zerstört. Die berühmte Frauenkirche liegt in Trümmern. In der Bombennacht sterben Zehntausende Menschen; wie viele den Tod finden, ist lange unklar und Gegenstand vielfältiger Spekulationen. Nach Kriegsende legt sich die Stadt Dresden auf eine Zahl von etwa 35.000 Todesopfern fest.

Was ist die Historikerkommission?

Zwölf Historiker untersuchten unter der Leitung von Rolf-Dieter Müller fünf Jahre lang die alliierten Bombenangriffe auf Dresden. Ihr Ziel war es, die historische Wirklichkeit möglichs detailliert nachzuzeichnen und verbindliche Opferzahlen vorzulegen. Beteiligt waren unter anderem der Zeitzeuge Götz Bergander, der Leiter des Stadtarchivs Thomas Kübler und der Totalitarismusforscher Thomas Widera. Nach ersten Zwischenberichten, die bereits 2008 veröffentlicht wurden, legte die Kommission jetzt ihren Abschlussbericht vor.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Historikerkommission eingesetzt wurde.

Warum die Kommission?

Wieso wurde die Historikerkommission eingesetzt?

Lange Zeit war die tatsächliche Opferzahl unbekannt, die Schätzungen reichten von 20.000 bis zu einer halben Million Toten. Die Diskussion über die historischen Fakten zur Dresdner Bombennacht ist seit jeher stark emotional aufgeladen, in den vergangenen Jahren wurde sie allerdings mehr und mehr zum Gegenstand hitziger politischer Debatten. Zunehmend wurde sie auch von rechtsradikalen und rechtsextremen Parteien wie der NPD dazu missbraucht, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren - dazu nutzte die NPD auch den Sächsischen Landtag als Podium für ihre Propaganda.

Um die Diskussion zu entschärfen und auf eine sachlichere Ebene zu heben, setzte 2004 der damalige Oberbürgermeister der Stadt Dresden, Ingolf Roßberg (FDP), die Historikerkommission ein. "Die unabhängige Arbeit der Historikerkommission soll historische Klarheit schaffen", sagte Roßberg damals, "und somit der Instrumentalisierung der Opferzahlen in dieser Diskussion entgegenwirken." Ihr Mandat wurde 2007 vom Dresdner Stadtrat bestätigt und ausgeweitet.

Wie wird die Dresdner Bombennacht instrumentalisiert?

Seit einigen Jahren nutzen Rechtsradikale die Bombennacht für ihre Zwecke. Jedes Jahr versammeln sich am 13. Februar Tausende Neonazis in Dresden zu Aufmärschen und Kundgebungen. Sie beziffern die Opferzahl bisweilen mit bis zu einer halben Million und benutzen sie, um die deutsche Kriegsschuld zu verharmlosen. Rechtsradikale sprechen in Bezug auf die Dresdener Bombardierungen auch von "Bomben-Holocaust". In diesem Jahr kamen zum 13. Februar etwa 5000 Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet nach Dresden. Etwa doppelt so viele Gegendemonstranten traten ihnen entgegen und protestierten gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Der Schriftsteller Ingo Schulze schilderte in der Süddeutschen Zeitung, wie er diesen Tag erlebte.

Maximal 25.000 Tote

Zu welchen Ergebnissen kam die Historikerkommission?

Nach Ansicht der Experten starben in der Dresdner Bombennacht bis zu 25.000 Menschen. Die Experten werteten fast 60.000 Einzelinformationen aus - Zahlen aus der Bergungsstatistik, Opferlisten von Firmen und Institutionen und Aufzeichnungen von Bestattungen. Diese konnten 18.000 Personen zugeordnet werden. Dazu kommt die Dunkelziffer der nicht registrierten Toten. Nach Ansicht der Historiker bewegt sich diese Zahl zwischen 2000 und maximal 7000.

Welche Mythen wurden widerlegt?

Von rechtsradikaler Seite werden die um ein Vielfaches höheren Opferzahlen damit begründet, dass in dem Inferno Menschen ohne Überreste verbrannt seien. Den Experten zufolge haben die Flammen allerdings nie die dafür notwendigen Temperaturen erreicht.

In Interviews mit 900 Überlebenden des Bombenangriffs fanden sich außerdem keine Hinweise auf Flüchlingsmasssen in der Dresdener Innenstadt. Zeitzeugen und auch Fachleute waren bisher davon ausgegangen, dass sich zum Zeitpunkt des Bombardments Tausende Vertriebene in der Stadt aufhielten. Auch für die von Augenzeugen beschriebenen Tieffliegerangriffe fand die Kommission keine Belege.

Wird nun die Instrumentalisierung durch die Rechten aufhören?

Das bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings, dass die Ergebnisse anerkannter wissenschaftlicher Arbeit und Konsens unter führenden Historikern die Kräfte am rechten Rand in der Vergangenheit nicht daran gehindert haben, die Geschichte verzerrt darzustellen und für ihre Zwecke zu nutzen. Daran wird vermutlich auch die akribische Arbeit der Dresdner Historikerkommission nichts ändern.

Die Studie ist auf der Website der Stadt Dresden nachzulesen.

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