Pegida und NPD:Arbeitsteilung auf sächsisch

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Sachsens Landesregierung hat angekündigt, gegen Gewalttäter bei der Kundgebung gegen eine Flüchtlingszeltstadt in Dresden mit ganzer Härte vorzugehen. (Foto: Roland Halkasch/dpa)

Pegida ist für Worte zuständig, wenn gegen Flüchtlinge protestiert wird. Die NPD sammelt jene ein, denen Taten näher sind.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Am Freitag waren vor dem Zeltlager in der Dresdner Friedrichstadt Wörter und Böller geflogen, Flaschen und sogar eine Warnbake. Am Samstag zog dann auch noch ein Sturm heran. Zeljko. Der Name, das nur am Rande, kommt aus dem Slawischen, er ist auf dem Balkan sehr beliebt, und er bedeutet so viel wie: "Der Erwünschte".

Die Frage, wer in diesem Land erwünscht ist, führt seit Monaten zu stürmischen und oft hässlichen Auseinandersetzungen, bei denen sich Hass und Hilfsbereitschaft gegenüberstehen. Die Ereignisse vor der Notunterkunft in der Dresdner Friedrichstadt sind dafür nicht das erste Beispiel, aber ein besonders eindrückliches. Konfliktlinien und Herausforderungen wurden hier klarer sichtbar als anderswo und das innerhalb weniger Tage. Das zeigt die Chronologie des Geschehens, das zeigen die Reaktionen darauf, und das zeigen auch die möglichen Implikationen.

Die Chronologie: Am Mittwochabend erfährt die Landesdirektion Sachsen, dass dem Freistaat kurzfristig 1100 Flüchtlinge zugewiesen werden.

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Knallkörper, Wurfgeschosse, mehrere Verletzte. Die Ankunft von 500 Asylbewerbern aus Syrien wird in Dresden von gewalttätigen Ausschreitungen überschattet.

Am Donnerstagabend beginnen ehrenamtliche Helfer, ein 10 000 Quadratmeter großes Grundstück in Dresden für ein Zeltlager herzurichten. Noch während des Aufbaus der Notunterkunft erhalten die Helfer von Technischem Hilfswerk und DRK Drohungen, einige werden angepöbelt. Rüdiger Unger, Landeschef des DRK, sagt, derlei Angriffe hätten ihn überrascht: "Das sind wir nirgendwo in der Welt gewohnt."

Am Freitagabend erreichen die ersten 500 Flüchtlinge das Zeltlager in Bussen - hauptsächlich Syrer, auch Afghanen und Albaner, Pakistani und Inder. Am Freitag bildet sich auch die Konfliktlinie entlang der Bremer Straße heraus.

Nur große Herrenschuhe fehlen

Auf der einen Seite gibt es eine von der rechtsextremen NPD angemeldete Demo, sie zählt etwa 200 Teilnehmer. Auf der anderen Seite meldet ein Landtagsabgeordneter der Linken eine Gegendemo an, dieser schließen sich etwa 350 Teilnehmer an. Aufseiten der NPD gibt es gewaltbereite Hooligans. Aufseiten der Asylbefürworter gibt es am Ende dieses Abends drei Verletzte: zwei junge Frauen im Alter von 15 und 25, einen 60-jährigen Mann.

Die Reaktionen: Sachsens Staatskanzleichef Fritz Jaeckel (CDU) sagt, mit den Angriffen auf Helfer und Asylbefürworter seien Grenzen überschritten worden, und "diejenigen, die das tun, werden wir unerbittlich verfolgen und zur Rechenschaft ziehen".

Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen sagt, die Polizei habe die Lage am Freitag offenbar vollkommen unterschätzt. Die Ausschreitungen aus den Reihen der NPD-Demo zeigten, "welches Gewaltpotenzial in der Hetze gegen Asylbewerber in Sachsen steckt".

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Welches Potenzial auch in Menschen in Sachsen steckt, zeigt eine kleine Mitteilung des Bündnisses "Dresden für alle" am Sonntagmittag auf Facebook. Das Bündnis bittet darum, keine Spenden mehr für die Geflüchteten vorbeizubringen. Das Lager mit Sachspenden sei "übervoll", allenfalls fehle es noch an "großen Herrenschuhen". So überrascht das DRK von den Pöbeleien war, so überwältigt ist es von der Hilfsbereitschaft der Dresdner.

Die möglichen Implikationen: Am Freitag hatte Pegida-Gründer Lutz Bachmann bei Facebook seine Sympathisanten aufgerufen, der NPD-Demo fernzubleiben. Eine Veranstaltung wie diese diene der Eskalation "und dazu, Pegida zu diskreditieren".

Der NPD-Landesvorsitzende Jens Baur wiederum sagte, seine Partei wolle künftig weitere Veranstaltungen anmelden. Dabei wolle man aber nicht "im Kreis spazieren, bis einem schwindlig wird", sondern "laut protestieren". Die an Bedeutung verlierende NPD könnte in den Auseinandersetzungen vom Freitag eine Chance sehen, den extremen und gewaltbereiten Teil der Asylgegner für sich zu mobilisieren.

"Hauptsache, es wird gemacht"

Bislang ist es der Partei auch in Sachsen kaum gelungen, von den Protesten zu profitieren. Versucht hat sie das immer wieder, etwa bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden im Sommer. Zugunsten der von Pegida getragenen Kandidatin Tatjana Festerling hatte die NPD auf einen eigenen Bewerber verzichtet. Lutz Bachmann aber verwahrte sich öffentlich gegen die Unterstützung durch die NPD. Er tut dies regelmäßig, wenn es um die nach seiner Ansicht nur unterstellte Nähe zwischen Pegida und der NPD geht.

Schon die Menschen, die auf seiner Facebookseite kommentieren, sehen das anders. Für seinen Aufruf, die Demo nicht zu besuchen, bekam Bachmann von Anhängern viel Kritik. Ramona M. schrieb, das nur als ein Beispiel: "Egal wer es macht, Hauptsache es wird gemacht."

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Bachmanns Distanzierung und die gewalttätigen Angriffe vom Freitag lassen den Eindruck zumindest zu, es könnte sich eine Art arbeitsteilige Koexistenz zwischen Partei und Protestbewegung entwickeln, ganz gleich, ob jemand und wer diese aktiv vorantreibt: Pegida ist weiterhin für das Wort zuständig, die NPD sammelt jene ein, denen die Tat näher ist.

Neue Eindrücke in der Sache wird es schon an diesem Montag geben. Die Pegida-Bewegung hat für den Abend zu einer Kundgebung und einem Demonstrationszug aufgerufen. Das Bündnis Dresden Nazifrei und andere haben ebenfalls für den Abend eine Demonstration angekündigt, eine für die "sichere und menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten".

Lauter Gegenprotest

In dem Aufruf dazu heißt es, die Anmeldung laufe bis in die Nacht, Ziel ist die Notunterkunft in der Bremer Straße. Man wolle vorbereitet sein, falls sich Übergriffe wie jener am 2. März wiederholen sollten. Damals war nach einer Pegida-Demonstration ein Camp von Flüchtlingen auf dem Dresdner Theaterplatz angegriffen worden.

Wie der von der NPD eingeforderte "laute Protest" auch enden kann, zeigte am Freitag übrigens ein Fahrer des Technischen Hilfswerks. Als er mit schwerem Wagen an der Demo und dem gerade redenden Baur vorbeifuhr, stoppte er - und drückte ausdauernd auf die Hupe.

Am Sonntagabend allerdings flogen erneut Steine auf eine Flüchtlingsunterkunft, diesmal im Stadtteil Stetzsch. Laut Polizei wurden sie aus einer Gruppe von etwa 30 Menschen heraus geworfen. Dabei gingen sechs Scheiben zu Bruch.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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