Süddeutsche Zeitung

Dreikönigstreffen:Lindner ist der Stoiber der FDP

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Weil der FDP-Chef flinker ist als Stoiber, macht er dessen Fehler früher. Bei Stoiber war die Weigerung, in die Berliner Regierung zu gehen, der Anfang vom Ende. Womöglich ist auch Lindner ein Zauderer, der sich verkalkuliert.

Kommentar von Heribert Prantl

Zum Schluss seiner langen Rede beim Dreikönigstreffen in Stuttgart kündigte Christian Lindner "fünf kurze Gedanken" an. Er begann mit dem Klimaschutz, beklagte sich über den grünen Fraktionsvorsitzenden Hofreiter, über Tempolimits und über Fahrverbote in Deutschland; er erklärte sodann, wie er, Lindner, sich den Klimaschutz vorstelle: als "smarten Weg" zwischen Ökologie und Wohlstand. Zur sachlichen Konkretisierung dieser Smartheit fiel Lindner aber nicht so viel ein; er versuchte, das durch persönliche Zelebrierung zu ersetzen. Nun ist Lindner zwar ein hochbegabter Redner und Politschausteller, aber so etwas ist ihm schon einmal besser gelungen als bei diesem Dreikönigstag 2018 in Stuttgart.

Seitdem Lindner die Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition hat platzen lassen, sind seine Popularitätswerte abgestürzt. Man merkte ihm das an, bei aller Smartheit: Lindner war diesmal von dünnhäutiger Beredsamkeit. Die Rechtfertigungsarien Lindners und seiner Vorredner klangen etwas gekünstelt. Lindner und die FDP müssen sich gegen den Vorwurf verteidigen, im Bund "regierungsscheu" zu sein; sie taten es bei ihrem Stuttgarter Treffen mit der Formel, dass man nicht "Steigbügelhalter" für Merkel und Co. sein wollte, und dass man "aus staatspolitischer Verantwortung" in die Opposition gegangen sei, wo man jetzt "gestalten" statt regieren werde. Zweifel an diesen Darlegungen, so schien es, klatschten sich die Liberalen mit Entschlossenheit weg.

Noch ist Lindner ihr großer Mahdi und die Inkarnation des Erfolgs. Nein, niemand in der FDP stellt die Führung der Partei durch Lindner in Frage. Aber interessant war es schon, dass am Wochenende Wolfgang Kubicki ihn gegen eine nicht existente Führungsdebatte verteidigte. Lindner ist ein politisches Großtalent, er ist schnell, er ist vif; er war mit 30 Jahren Generalsekretär seiner Partei, mit 34 Jahren ihr Vorsitzender - und er war 38, als er die aus dem Bundestag geflogene Partei glorreich dorthin zurückführte. Am Sonntag feierte er seinen 39. Geburtstag.

Weil Lindner flinker ist als Stoiber, macht er dessen Fehler früher

Lindner hat die FDP in einer Weise regeneriert und vitalisiert, wie es einst Stoiber mit der CSU gelang. 2003 errang Stoiber mit der Zweidrittelmehrheit für die CSU in Bayern einen Triumph, der mit der Rückführung der FDP durch Lindner in den Bundestag vergleichbar ist.

Aber mit dem Triumph setzten damals Stoibers Fehler ein; er begann, zwischen Größenwahn und Timidität zu schwanken. Erst traute er sich 2004 nicht, Nachfolger von Prodi als EU-Kommissionspräsident zu werden. Dann traute er sich 2005 nicht, als Superminister in die große Koalition unter Merkel zu gehen.

Wenn Lindner heute erklärt, warum er nicht in eine Regierung Merkel wollte, dann erinnert das an die Begründungen Stoibers von damals. Lindner ist der Stoiber der FDP. Weil er flinker ist als dieser, macht er die Stoiber'schen Fehler viel früher. Bei Stoiber war die Weigerung, in die Berliner Regierung zu gehen, der Anfang vom Ende. Aus dem strahlenden wurde ein stumpfer Stoiber. Ist Lindner angebröckelt und angestoibert? Die Stimmung auf dem Dreikönigstreffen sprach dagegen. Die FDP ist Lindner zutiefst dankbar dafür, dass er ihr zu achtzig Mandaten im Bundestag verholfen hat. Aber einen Keim des Unbehagens gibt es schon. Ob der wächst, hängt von den nächsten Landtagswahlen ab.

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Quelle:
SZ vom 08.01.2018
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