Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat einen Linksrutsch in Deutschland beklagt und dafür die Bundesregierung verantwortlich gemacht. In seiner Rede auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart griff Westerwelle die Große Koalition scharf an, der er "bürokratische Staatswirtschaft" vorwarf.
Nur indirekt ging der FDP-Chef auf die innerparteiliche Debatte über mangelndes Profil und eine breitere personelle Aufstellung der Liberalen ein. Er verwies auf die Wahlerfolge der FDP und rief aus: "Wir halten Kurs."
Eine negative Bilanz zog Westerwelle für die politische Entwicklung 2007. "Das Verteilen wurde wichtiger als das Erwirtschaften", kritisierte er in der vollbesetzten Stuttgarter Staatsoper. Künftig müsse "der Neosozialismus wieder klein geschrieben werden".
Vor einem Jahr hätte man es kaum für möglich gehalten, "dass sogar die schmalen Reformen der Agenda 2010 eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers von einer CDU-Bundeskanzlerin rückabgewickelt werden". Auch habe kaum jemand erwartet, dass die Regierung in Deutschland die Höhe von Löhnen festlege und damit bei privaten Postunternehmen Tausende von Arbeitsplätzen vernichte.
Zudem monierte Westerwelle, dass es 2007 die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik und die Einführung der Planwirtschaft im Gesundheitswesen gegeben habe. "2007 war das Jahr des Pendelausschlags nach links. 2007 war das Jahr, in dem die bürokratische Staatswirtschaft neue Freunde gefunden hat - bis in die Reihen der Union hinein", sagte Westerwelle.
Nach diesem Jahr der "verpassten Chancen" wollten die Freien Demokraten den Linksrutsch beenden und sich bei den Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg an die Bürger wenden, "die eine soziale Marktwirtschaft mit Leistungsgerechtigkeit wollen". Dabei wende sich die Partei an die Mitte, die aus der Deckung kommen und die FDP unterstützen müsse.
"2008 muss das Jahr derjenigen Bürger werden, die den Karren in Deutschland ziehen", betonte Westerwelle und fügte hinzu: "Es ist eine stille Mehrheit. Es ist die vergessene Mitte".
Scharf wandte sich der FDP-Chef gegen die von der Großen Koalition beschlossene Vorratsdatenspeicherung und die Pläne für Online-Durchsuchungen. Was Jugendkriminalität angeht, lehnte Westerwelle eine Erhöhung des Strafmaßes für schwere Straftaten ab: "Wir haben kein wirkliches Gesetzesdefizit, wir haben ein Vollzugsdefizit." Die Strafen müssten auf dem Fuße folgen, damit Jugendliche daraus etwas lernten. Genau das sei aber zum Beispiel in Hessen nicht der Fall.
An der Kundgebung nahm auch der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt teil, der kurz vor dem Dreikönigstreffen mit einer Denkschrift "Für Freiheit und Fairness" Furore gemacht hatte. Darin forderte er eine nachhaltigere politische Akzentuierung und breitere personelle Aufstellung der FDP an der Spitze. Gerhardt, dessen Warnung vor einer "One-Man-Show" als indirekte Kritik an dem FDP-Vorsitzenden verstanden wurde, trat aber nicht als Redner in Stuttgart auf.
Zu Gerhards Kritik erklärte Westerwelle lediglich: "Die Freien Demokraten sind kampfeslustig und diskussionsfreudig. Wir wären seit Jahren nicht so erfolgreich, wenn wir nicht ein gutes Team wären." Im Bund verfüge die FDP über zehn Prozent, und in Baden-Württemberg sei sie mit elf Prozent in der Regierung. "Da gab es auch schon andere Zeiten", fügte der FDP-Vorsitzende hinzu und sagte: "Wir halten Kurs. Das ist nicht spektakulär, aber richtig."