Süddeutsche Zeitung

Dreikönigstreffen der FDP:"Ich freue mich, dass Sie alle sitzen geblieben sind"

FDP-Chef Guido Westerwelle gibt den Einpeitscher: Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart steigt er mit Pathos ein, warnt vor der Rückkehr der "roten Gefahr" und bekommt stehenden Applaus. Aber ein Thema klammert er aus.

Die Bühne für den großen Auftritt ist perfekt: Der Raum im Stuttgarter Opernhaus, wo die Liberalen ihr Dreikönigstreffen abhalten, hat etwas Herrschaftliches. Die Wand hinter dem Rednerpult ist blau, auf dem Pult der Schriftzug: "Zukunft braucht Entschlossenheit". Kämpferisch sollte die Rede des Parteichefs werden, ein Auftakt für einen "tollen Wahlkampf", wie die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger vor Beginn der Veranstaltung sagte.

Keine Frage: Reden kann der FDP-Chef. Doch wohl selten war der Auftritt eines Spitzenpolitikers mit so hohen Erwartungen aufgeladen worden wie diese Dreikönigsrede. Und so steigt Westerwelle auch mit großen Themen ein: Er beschwört das historische Erbe seiner Partei.

Im Hegelsaal also schwört Westerwelle seine Partei auf seinen Kurs ein. Es geht um "Freiheit zur Verantwortung", für die seine Partei eintrete. Dazu steigt Westerwelle mit großem Pathos ein, er bemüht Themen wie die soziale Marktwirtschaft, die Wiedervereinigung, die schwierige europäische Integration unter seinem großen Vorbild Hans-Dietrich Genscher. Westerwelle sagt: "Wer regieren will, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen." Dann sagt er noch den Satz, der vor ihm am Rednerpult steht: "Zukunft braucht Entschlossenheit." Dabei hämmert er mit seinen Fäusten immer wieder auf einen nicht vorhandenen Tisch ein: "Wir Liberale haben diesen Mut." Und weiter: "Es geht Deutschland heute besser als vor der Bundestagswahl." Das ist Balsam für die angeschlagene Parteiseele. Dafür gibt es Zwischenapplaus.

Mit Blick auf die Kritik am Zustand der FDP sagt Westerwelle: "Mir ist ein schwieriges Dreikönigstreffen lieber, in dem es Deutschland gut geht, als ein einfaches Dreikönigstreffen, und Deutschland geht es schlecht." Er verteidigt sich gegen den Vorwurf, wonach seine Partei in der schwarz-gelben Koalition Klientelpolitik betrieben habe: "Natürlich kann man elf Jahre, die falsch gelaufen sind, nicht in einem Jahr erfolgreich vergessen. Aber wir haben den Anfang des Politikwechsels gemacht." Und der Kampf für politische Inhalte müsse weitergehen, denn: "Gekämpft werden muss, weil Deutschland nicht Links überlassen werden darf."

Die Rückkehr der roten Gefahr

Überhaupt, die Linken. Die scheinen der Lieblingsgegner des FDP-Parteivorsitzenden in dieser Rede zu sein. Die Steilvorlage dazu lieferte ihm Linken-Chefin Gesine Lötzsch, die kürzlich in einem Beitrag für die linksradikale Zeitung Junge Welt über Wege zum Kommunismus philosophiert hatte. Westerwelle warnt in seiner Rede vor der "Rückkehr der roten Gefahr". Eine starke FDP werde dies zu verhindern wissen.

Der FDP-Chef gibt sich als Einpeitscher der Republik, die Partei müsse "einen Kampf um die mentale Standortfähigkeit unseres Landes" führen. Westerwelle streift die Themen Bildungspolitik, Innoviation, Fortschritt. Gleichzeitig geißelt er die Politik der Opposition: "Es ist keine Haltung zu sagen, wir sind immer dagegen. Damit kann man kein Land führen." Und er greift auch die SPD scharf an, namentlich Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der für Berlin den Ausspruch "Arm, aber sexy" geprägt hat: "Ich bin viel in der Welt unterwegs: Arm ist alles andere als sexy", findet Westerwelle.

Ein Thema aber klammert Westerwelle aus: Die Kritik an der eigenen Person, die Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei. Nach fast 70 Minuten bedankt er sich beim Publikum: "Ich freue mich, dass Sie alle sitzen geblieben sind." Die Zuschauer wiederum danken es dem Vorsitzenden mit stehendem Applaus. Von Krise keine Spur.

Dieses Bild hatte die Partei auch vor der mit Spannung erwarteten Rede bemüht: Aller Gruppenbildungen in den eigenen Reihen zum Trotz hatte man sich an diesem Donnerstag geschlossen hinter den Vorsitzenden gestellt. Auch als Westerwelle den Saal betrat, gab es lang anhaltenden Applaus. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sowie Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms klopften ihm auf die Schulter. Dann hatten zunächst einmal andere das Wort.

Zum Beispiel FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Der rief die Liberalen dazu auf, in der derzeitigen "Bewährungsprobe" die liberalen Grundsätze nicht aus den Augen zu verlieren. Nur so sei die FDP auch schon aus früheren schwierigen Situationen hervorgegangen. Es gelte nun, den Bürgern zuzuhören und als Anwalt der bürgerlichen Mitte in Deutschland die liberalen Vorhaben in der schwarz-gelben Koalition "konsequent" umzusetzen.

Lindner machte deutlich, dass die FDP bei der Umsetzung der Steuervereinfachungen Druck auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machen wolle. Er sagte: "Wir arbeiten in einer Koalition, in der wir selbst um kleine Schritte ringen müssen. (...) Wenn man die Union nicht treibt, treibt sie nichts."

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte zur Begrüßung, die Liberalen stünden mehr als andere Parteien für die Freiheit: "Es gibt nur eine Partei, die unter Freiheit auch Freiheit versteht. Und das ist die Freiheitspartei in Deutschland, die FDP." Sie räumte zwar Fehler im ersten Regierungsjahr der schwarz-gelben Koalition ein, sagte aber auch: "2010 war erfolgreich, und der Politikwechsel wird erkennbar."

Die FDP beharre darauf, die von der schwarz-gelben Koalition geplanten Steuervereinfachungen zum Großteil rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft zu setzen. Es sei klar vereinbart, dass dies für alle Maßnahmen gelte, die technisch machbar seien, sagte sie weiter. "Daran hält die FDP fest." Deshalb gehe sie davon aus, dass Finanzminister Schäuble den Entwurf nachbessere, der ein Inkrafttreten der meisten Maßnahmen erst für 2012 vorsieht. "Sollte er das nicht tun, werden wir das im Parlament für ihn erledigen", sagte Homburger. Auch Wirtschaftsminister Brüderle hatte von Schäuble Klarheit im Koalitionsstreit um Steuervereinfachungen gefordert.

Spekulationen um Homburger

Zudem warb Homburger, die auch Landeschefin in Baden-Württemberg ist, für das Bahnprojekt "Stuttgart 21" - eines der Topthemen für die im März anstehende Landtagswahl. "Wer den Mut zur Zukunft verliert, der landet im Museum", sagte Homburger. "Wir Liberale kämpfen um Chancen in unserem Land. Wir wollen nicht, dass Deutschland im Museum landet."

Zuletzt hatte es neben dem Parteivorsitzenden auch Personalspekulationen um Birgit Homburger gegeben. Auslöser war eine Meldung der Bild-Zeitung, wonach sie aufgrund der schlechten Umfragewerte möglicherweise nach den Landtagswahlen im Frühjahr ihren Posten für einen Jüngeren räumen müsse. Im Gespräch seien dem Blatt zufolge Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr und FDP-General Christian Lindner.

Die FDP verharrt seit langem in einem Umfragetief und erreicht zwischen drei und fünf Prozent der Wähler - und das zu Beginn eines Superwahljahres: 2011 stehen sieben Landtagswahlen an, unter anderem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Die Erwartungen an Westerwelles Auftritt waren seit Wochen in den eigenen Reihen stetig gewachsen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberg forderte eine "inhaltlich-pointierte" Rede ihres Parteichefs, Generalsekretär Lindner sprach von einem "Turnaround", den Westerwelle schaffen müsse.

Tags zuvor hatte es Wirtschaftsminister Brüderle beim Landesparteitag der Südwest-FDP dem Parteichef vorgemacht: "Wir müssen Kurs halten und nicht mit dem Wind mitflattern", rief Brüderle und erinnerte an eine alte Boxerregel: "Man muss im Ring immer einmal mehr aufstehen als man hinfällt." Der FDP-Vize fügte hinzu: "Ihr im Südwesten seid Kämpfer. Jetzt kämpft, dann werden wir gewinnen!"

Auch für ihn gab es stehenden Applaus von den Delegierten.

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