Süddeutsche Zeitung

Dreikönigs-Parteitag:Der FDP fehlt das Feuer, nicht die Farbe

FDP-Chef Christian Lindner will auf dem Dreikönigs-Treffen eine neue Parteifarbe präsentieren. Das ist Schnickschnack. Man hätte von der FDP lieber farbige Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit.

Kommentar von Heribert Prantl

Der Mensch hat keine natürlichen Feinde; der einzige Feind des Menschen ist der Mensch. So ähnlich ist das auch bei der FDP. Der einzige Feind der FDP ist diese selbst.

Das Problem der liberalen Partei sind nicht ihre Gegner; sie hat kaum mehr welche. Es gibt kaum noch Anti-Liberale, weil alle Parteien sich ja für irgendwie liberal halten. Das Land ist voll von "Auch-Liberalen": es gibt sie in der CDU, es gibt sie in der SPD und bei den Grünen; es gibt sie dort in den Geschmacksrichtungen wirtschaftsliberal, bürgerrechtsliberal und sozialliberal. Sogar die CSU behauptet, sie sei "liberal, aber nicht blöd". Und wahrscheinlich findet man auch bei der AfD und der Pegida Leute, die das so sagen.

Genau das war und ist das Problem der FDP: Sie konnte und kann nicht zeigen und nicht erklären, was einen FDP-Liberalen von einem Irgendwie-angeblich-auch-Liberalen unterscheidet. Deswegen sitzt die Partei nicht mehr im Bundestag, deswegen wurde und wird sie aus einem Landtag nach dem anderen gewählt. Eine FDP, so wie sie sein sollte, wäre das genaue Gegenteil von Pegida.

Liberalismus braucht neue Leidenschaft

Es wäre besser, die FDP hätte Gegner, denn wer keine Gegner mehr hat, hat auch kaum Freunde. Die FDP hat kaum Gegner und wenig Freunde, weil sie bei keiner der entscheidenden Zukunftsfragen der Gesellschaft Meinungsführerschaft gewonnen hat. Das war schon so, bevor sie vor 15 Monaten aus dem Bundestag gewählt wurde; seitdem aber kämpft sie gegen das Vergessenwerden. Es ist bisher kein sehr aussichtsreicher Kampf - weil man nicht weiß und nicht spürt, was diese Partei umtreibt außer der Sorge um die eigene Existenz.

Wird daran der bevorstehende Dreikönigs-Parteitag der FDP in Stuttgart etwas ändern können? Der Parteitag, mit dem jahrzehntelang das politische Jahr in der Bundesrepublik begann, erscheint einem diesmal beinah schon als eine Vorlesung des Fachbereichs zeitgenössische Archäologie.

Christian Lindner, der Parteichef, will bei der Dreikönigs-Kundgebung in Stuttgart eine neue Parteifarbe präsentieren. Zum bisherigen Parteilogo in Gelb und Blau soll als dritte Parteifarbe "Magenta" kommen - ein Rot-Blau, ein helles Purpur also, das man als Markenfarbe der Telekom kennt. Damit wolle er, so sagt Lindner, den Auftritt der FDP modernisieren.

Das ist Schnickschnack. Man hätte von der FDP lieber farbige Antworten: Wie sieht liberale Ausländerpolitik, wie sieht liberale Integrationspolitik aus? Welche Vorschläge für eine neue Flüchtlingspolitik hat die Partei, die sich einst Rechtsstaatspartei nannte? Und wie will die Partei ihre einstige Kernkompetenz in der Finanz- und Wirtschaftspolitik wieder gewinnen? Früher haben die Liberalen den Einzelnen gegen die Macht des Staates verteidigt. Sollte sie ihn heute nicht gegen den neuen Leviathan, die Macht des globalisierten Finanzmarkts verteidigen?

Es gibt Sehnsucht nach liberalen Antworten - aber in der FDP ist niemand, der diese Sehnsucht befriedigt. Christian Lindner versucht es; aber es ist bisher nicht klar geworden, welche politische Linie er für die FDP entwickeln will. Womöglich will er nun auf einen radikalen Wirtschaftsliberalismus setzen, in dem Glauben, da sei parteipolitisch eine Nische.

Wer steht für die Zukunft der FDP?

Aber an einer eiskalten FDP wird sich kaum jemand wärmen wollen, schon gar nicht, wenn ihr, wie seit Langem, das intellektuelle Feuer fehlt. Das Feuer kommt nicht mit einer neuen Farbe; das Feuer kommt mit der Leidenschaft der Leute, die diese Partei repräsentieren.

Wer kennt Marie-Agnes Strack-Zimmermann? Sie ist Vize-Parteichefin. Wer kennt die Generalsekretärin, wer den Bundesgeschäftsführer? Feuer haben noch die Alten in der Partei - Leute wie Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. Sie stehen für eine große Vergangenheit der FDP. Wer steht für ihre Zukunft? Das Team um Lindner hat noch ein gutes Jahr Zeit, diese Frage zu beantworten. Dann stellt sie sich nicht mehr.

Es wird aber "eines Tages wieder sehr modern sein, liberal zu sein. Dann wird einer kommen, der wird eine geradezu donnernde Entdeckung machen: er wird den Einzelmenschen entdecken. Er wird sagen: ,Es gibt einen Organismus, Mensch geheißen, und auf den kommt es an. Und ob der glücklich ist, das ist die Frage. Dass er frei ist, das ist das Ziel. Es kommt nicht darauf an, dass der Staat lebe, es kommt darauf an, dass der Mensch lebe!' Die Leute werden seiner These zujubeln und werden sagen: Das ist ja ganz neu! Welch ein Mut! Das haben wir noch nie gehört!"

Kurt Tucholsky hat das 1930 geschrieben. Es wäre nicht schlecht, wenn die FDP seine Prophezeiung am Dreikönigsparteitag laut läse. Dann wüsste sie vielleicht wieder, was die Liberalen von den Auch-Liberalen unterscheiden muss.

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SZ vom 05.01.2015/fued
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