Drama an der libyschen Grenze:Gaddafis Truppen plündern Flüchtlinge aus

Soldaten rauben Wertsachen und Mobiltelefone, in den Flüchtlingslagern fehlt es am Nötigsten, trotzdem fliehen noch immer Tausende Menschen vor der Gewalt in Libyen. In Tripolis und anderen Städten toben weiter Kämpfe.

Die internationale Hilfe für die in Tunesien gestrandeten Flüchtlinge aus Libyen läuft langsam an, die Versorgung der Zehntausenden Menschen bleibt aber schwierig. Auch wenn inzwischen weniger Menschen die Grenze überqueren, sei die Lage immer noch dramatisch, so die EU-Kommission. Das UN-Flüchtlingshilfswerk beklagte, dass Flüchtlinge, die Libyen in Richtung Tunesien verlassen wollten, von libyschen Truppen schikaniert würden.

Die Lage in den provisorischen Flüchtlingslagern an der libysch-tunesischen Grenze sei angespannt. "Es fehlt am Nötigsten", berichteten deutsche Helfer der Organisation I.S.A.R Germany vom Grenzübergang Ras Jedir der Agentur dpa. Viele Flüchtlinge hätten die Nacht im Freien verbracht, bei Sturm und Temperaturen von fünf bis acht Grad. Viele hätten nicht einmal Decken. In den vergangenen Tagen waren täglich bis zu 15.000 Menschen in Tunesien eingetroffen, darunter viele Ägypter, Schwarzafrikaner und auch Gastarbeiter aus Bangladesch, die nicht wissen, wie sie in ihre Heimat weiterreisen sollen. Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, sagte in Genf, Flüchtlinge hätten berichtet, ihnen seien auf dem Weg Wertsachen wie Mobiltelefone und Kameras von Bewaffneten geraubt worden.

Fleming sagte, seit Donnerstag lasse der Flüchtlingsstrom deutlich nach. Die Ursachen dafür kenne man noch nicht. An der Grenze seien jetzt auf libyscher Seite schwer bewaffnete Regierungstruppen stationiert. Das hätten Menschen berichtet, denen es gelungen sei, die Grenze zu überschreiten. Viele Flüchtlinge seien auch verängstigt und nicht bereit, über ihre Erlebnisse zu sprechen, betonte die Sprecherin. Der ägyptische Botschafter in Tunis, Ahmed Ismail, bestätigte, es kämen nur noch wenige Ägypter über die Grenze. Am Freitag sollen es weniger als 300 gewesen sein, während in den zwei Wochen zuvor fast 44.000 Ägypter in Tunesien eingetroffen waren.

An deren Weitertransport in die ägyptische Hafenstadt Alexandria will sich an diesem Wochenende auch die deutsche Marine mit zwei Fregatten beteiligen. Mit einem ersten Charterflug von der tunesischen Insel Djerba wurden bereits am Freitag etwa 180 Menschen - die meisten Ägypter - zurück nach Kairo gebracht. Bis zu zehn Flüge sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin geplant. Die Bundeswehr hat bislang 262 Menschen, unter ihnen 125 Bundesbürger, aus Libyen ausgeflogen. Etwa 40 Deutsche sollen sich noch in der libyschen Hauptstadt Tripolis befinden.

An der Luft- und Seebrücke beteiligten sich auch mehrere europäische Staaten mit etwa 50 Maschinen, sagten EU-Diplomaten in Brüssel. Auch zwei Militärflugzeuge aus den USA trafen am Freitag in Tunesien ein. Ein vom UN-Welternährungsprogramm beauftragtes Schiff mit 1000 Tonnen Weizenmehl an Bord für den Osten Libyens konnte in Bengasi nicht entladen werden, weil es in der Nähe Luftangriffe gab, wie eine UN-Sprecherin sagte.

In Tripolis gab es nach Augenzeugenberichten neue Auseinandersetzungen zwischen Regimegegnern und Gaddafi-Anhängern. Nach dem Freitagsgebet gingen vor einer Moschee Tausende mit Fäusten aufeinander los, Panzer umstellten die Demonstranten. Weiter umkämpft war die Öl-Stadt Brega, die große Bedeutung für die Aufständischen im Osten des Landes hat. Wer Brega beherrscht, kontrolliert einen Großteil der Erdölexporte Libyens. Bei einem Angriff von Regierungstruppen in der westlich von Tripolis gelegenen Stadt Sawija wurden nach Berichten von Einwohnern 18 Menschen getötet.

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