Pränataldiagnostik:"Diese Bluttests sind nicht das Ende, sie sind der Anfang"

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Am Donnerstag wird der Bundestag in einer Orientierungsdebatte über Fragen zur Pränataldiagnostik beraten. (Foto: imago)

Sollen Krankenkassen für Bluttests aufkommen, um festzustellen, ob ein Kind das Downsyndrom hat? Die SPD-Politikerin Dagmar Schmidt hat einen Sohn mit Trisomie 21 und erklärt, warum es in der Debatte um viel grundsätzlichere Fragen geht.

Interview von Michaela Schwinn

Schon vor der Geburt lässt sich mithilfe eines Bluttests recht sicher feststellen, ob ein Kind das Downsyndrom hat. Könnte diese Untersuchung bald zu einer Regelleistung der Krankenkassen werden? Damit beschäftigt sich heute der Bundestag in einer Orientierungsdebatte.

Dagmar Schmidt, 46, ist SPD-Politikerin und Abgeordnete und setzt sich zusammen mit anderen für eine ethische Diskussion der Frage ein. Ihr Sohn Carl wurde mit Downsyndrom geboren. Inzwischen ist er fünf Jahre alt, spielt gerne auf dem Klavier, interessiert sich für Fußball und ist "das Glück der ganzen Familie", sagt Schmidt.

SZ: Frau Schmidt, was halten Sie davon, dass solche Bluttests von der Krankenkasse übernommen werden sollen?

Dagmar Schmidt: Das kommt ganz auf die Rahmenbedingungen an. Zum Beispiel würde ich nie zustimmen, dass der Bluttest zur regulären Schwangerschaftsuntersuchung wird. Wenn, dann sollte er nur bei Risikoschwangerschaften gezahlt werden. Aber es geht nicht nur darum, ob die Tests von den Kassen bezahlt werden sollen oder nicht. Es geht in der Debatte um noch viel größere, grundsätzlichere Fragen.

Welche denn?

Diese Bluttests sind nicht das Ende, sie sind der Anfang. Bald werden wir wissen, ob ein Kind eine Neigung zu Adipositas hat, zu Rheuma, zu Krebs, zu allem Möglichen. Da frage ich mich: Wird Eltern bald ein Zettel mit Dutzenden Anomalien vorgelegt, auf dem sie ankreuzen müssen, was getestet werden soll? Und: Wie will unsere Gesellschaft mit diesen Möglichkeiten umgehen? Was bedeutet es, diese Dinge vor der Geburt zu wissen?

Als Sie schwanger waren, wurde Ihnen da ein Test auf Downsyndrom empfohlen?

Ich hatte eine sehr gute Frauenärztin. Sie sagte mir, dass es diese Möglichkeiten gibt, aber verbunden mit der Frage: "Was würde sich denn für Sie ändern, wenn Sie das Ergebnis bekommen?" Wir haben uns als Eltern in die Augen geschaut, und uns war klar: Da würde sich nichts ändern. Deswegen haben wir uns dagegen entschieden. Ich weiß aber von Bekannten, dass eine solche Beratung nicht der Standard ist.

Die Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt mit ihrem Kind. (Foto: Privat)

Was haben die erlebt?

Zum Beispiel, dass Ärzte sie überreden wollten: "Machen Sie doch den Test, dann können Sie sich sicher sein, dass nichts ist." Das finde ich falsch. Eltern sollten auch das Recht haben, eine hoffnungsvolle Schwangerschaft zu erleben, ohne sich mit Tests zu belasten. Wir brauchen ein Recht auf Nichtwissen.

Aber wenn es Eltern doch wissen wollen?

Das ist selbstverständlich völlig in Ordnung. Dann dürfen sie mit ihrer Entscheidung aber nicht alleingelassen werden. Denn oft drängen Ärzte auf den Test, wenn dann aber etwas festgestellt wird, dann bekommen die Eltern oft keine Hilfe mehr. Hier bräuchte es mehr Aufklärung und Beratung: Was ist eigentlich das Downsyndrom? Wie leben Menschen mit Downsyndrom? Wie leben Familien damit? Um das zu verstehen, könnten etwa Gespräche mit Familien angeboten werden, die ein Kind mit Downsyndrom haben.

Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Kind Downsyndrom hat?

Gleich nach der Geburt. Wir haben es sofort gesehen. Die Ärzte haben lange rumgedruckst und waren überhaupt erst in der Lage, uns etwas zu sagen, nachdem wir sie am nächsten Tag danach gefragt haben. Das war wirklich skurril. Was die Ausbildung der Ärzte angeht, besonders den menschlichen Umgang und die psychosoziale Beratung und Begleitung in solchen Situationen, da sehe ich noch sehr viel Verbesserungspotenzial.

Wie wird Ihr Sohn in Ihrem Umfeld aufgenommen?

Wir haben nur positive Erfahrungen gemacht. Mein Sohn geht in einen normalen Kindergarten im Ort und im kommenden Jahr wird er auch ganz normal eingeschult. Trotzdem sind wir noch weit entfernt von einer wirklich inklusiven Gesellschaft. Ich würde mir eine Willkommenskultur für jedes Kind wünschen. Dann würde es werdenden Eltern auch leichter fallen, das Kind, das sie erwarten, so anzunehmen, wie es eben ist.

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