Süddeutsche Zeitung

Luanda Leaks:Europa muss auf der Seite der Armen stehen

Der Fall der reichsten Frau Afrikas, Isabel dos Santos, zeigt: Europa redet zwar immer davon, der Jugend Afrikas helfen zu wollen, stützt dann aber doch die Diktatoren.

Kommentar von Bernd Dörries

Die Bucht von Luanda ist ein Ort, an dem Afrika so tut, als liege es an der französischen Riviera. In der Hauptstadt von Angola hatte eine kleine Elite keine Lust mehr, immer nach Europa zu fliegen - also baute man sich zu Hause einen schönen Yachthafen, teure Hotels und schicke Nachtclubs. Es wirkt wie der Sprung in eine neue Zeit, wie eine Vision von dem, wie Afrika bald überall aussehen könnte.

Schaut man aber nur um die Ecke, landet man doch wieder in dreckigen Slums, in denen die Menschen an Cholera sterben. Viele wurden aus ihren Vierteln vertrieben, um Platz zu machen für die Prachtbauten einer kleinen Elite um den langjährigen Präsidenten und dessen Tochter Isabel dos Santos. Die wurde lange als reichste Frau Afrikas gefeiert, als Milliardärin, die den Kontinent in einem anderen Licht zeigt, nicht als ewiges Opfer. Hunderttausende Dokumente, die die SZ und andere Medienorganisationen nun ausgewertet haben, zeigen aber ein ganz anderes Bild der Prinzessin, wie sie viele Angolaner nennen. Sie verdankt ihren Aufstieg vor allem ihrem Vater, der sie in einflussreiche Posten hievte. In Europa wirkte das smart, für viele Angolaner war es einfach der plumpe Diebstahl von Volkseigentum.

Die Frage ist, warum Europa immer davon redet, die Jugend Afrikas stützen zu wollen, dann aber doch die alten Diktatoren stützt

Die Plünderung Angolas ist wie ein schlecht nachgespieltes Klischee des Kontinents, die Bereicherung fiel dort aber besonders schamlos aus, weil zwei Probleme zusammenkommen. Das erste sind die Befreiungsbewegungen, die im südlichen Afrika die Menschen von den weißen Kolonialisten und Rassisten erlöst haben. Was diese Bewegungen im Kampf gegen die Diktatur erfolgreich gemacht hat, wurde in der Freiheit zum Problem. Die Rebellen waren im Inneren alles andere als demokratisch, Kritik galt als Verrat. Und im Nachhinein muss man sagen, dass nicht Freiheit und Gleichheit das Ziel waren, sondern einfach nur, sich die Reichtümer des Landes unter den Nagel zu reißen. Und davon, Problem Nummer zwei, gibt es in Angola genug, das Öl vor allem, das lange kräftig sprudelte, sodass es keine Notwendigkeit zu geben schien, in etwas anderes zu investieren.

Angola hat doppelt so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen, aber in etwa das gleiche Haushaltsbudget. Es müsste kein in weiten Teilen bitterarmes Land sein. Dass es das doch ist, liegt vor allem an der korrupten Elite. Sehr viele Probleme des Landes und Afrikas im Allgemeinen können nur in Afrika gelöst werden, die Frage ist aber auch, warum Europa zwar immer davon redet, die Jugend Afrikas stützen zu wollen, damit sie in ihrer Heimat Perspektiven findet und nicht nach Europa kommen will, dann aber doch die alten Diktatoren stützt. Es ist sicher richtig, dass deutsche Banken Exporte absichern. Wenn eine deutsche Staatsbank aber der Präsidententochter Isabel dos Santos indirekt einen Kredit gibt, widerspricht das allem, was die deutsche Außenpolitik sonst so erzählt.

Nicht besser verhält es sich mit dem Internationalen Währungsfonds, der gerade Äquatorialguinea einen Kredit gewährt hat, der perversesten Kleptokratie des Kontinents. Der IWF finanziert damit die Plünderung des Landes durch eine andere, jahrzehntealte Herrschaftsdynastie, die sich in der Hauptstadt sechsspurige Straßen baut, um dort mit ihren Luxuskarossen herumzurasen, während der Rest hungert. Europa muss auf der Seite der Hungernden stehen.

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SZ vom 21.01.2020/cck
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