Süddeutsche Zeitung

Dortmund:Was über den Anschlag auf den BVB-Bus bekannt ist - und was nicht

Die Polizei hat zwei Verdächtige aus der islamistischen Szene im Visier. Ihre Wohnungen wurden durchsucht, einer von ihnen wurde festgenommen.

Von Georg Mascolo und Jana Stegemann

Was wir wissen

Was passiert ist: Auf den BVB-Mannschaftsbus hat es am Dienstagabend kurz vor dem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco einen Anschlag gegeben. Drei Sprengsätze explodierten um 19.15 Uhr in der Nähe des Busses, als dieser vom Mannschaftshotel im Dortmunder Stadtteil Höchsten in Richtung Stadion losfuhr. Die Sprengsätze waren hinter einer Hecke an der Ausfahrt des Hotels versteckt. Der Bus kam an der Einmündung auf eine Allee zum Stehen. Durch die Wucht der Explosion zersplitterte das Sicherheitsglas auf der rechten Seite des BVB-Busses, ein Metallstift bohrte sich in die Kopfstütze eines Bussitzes.Torwart Roman Bürki sagte dem Schweizer Boulevard-Blatt Blick später: "Es gab einen Riesenknall. Wir haben uns alle weggeduckt, wer konnte, hat sich auf den Boden geworfen." Die Partie wurde nach dem Anschlag abgesagt. Die Fans verließen das Stadion in Dortmund ohne Zwischenfälle.

Die Verletzten: Durch das splitternde Glas im Heckbereich des Busses wurde BVB-Innenverteidiger Marc Batra schwer verletzt. Er wurde von einem Notzarzt behandelt und im Krankenhaus an der Hand operiert. Er hat einen Speichenbruch und Fremdkörper-Einsprengungen am rechten Handgelenk erlitten. Außerdem wurde ein Polizist verletzt, der den Mannschaftsbus auf einem Motorrad begleiten sollte. Der Beamte erlitt ein Knalltrauma und einen Schock.

Der oder die Täter: Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und zwei Verdächtige aus der islamistischen Szene ins Visier genommen. Die Polizei nahm einen 25-jährigen Iraker aus Wuppertal als Tatverdächtigen fest. Ihm wird eine Nähe zur terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" vorgeworfen. Bei einem zweiten Verdächtigen handelt es sich um einen 28-jährigen Deutschen aus Fröndenberg im Kreis Unna. Bei beiden waren nach Angaben der Bundesanwaltschaft die Wohnungen durchsucht worden.

Die Schreiben am Tatort: Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wurden am Tatort drei textgleiche Schreiben gefunden (hier im Wortlaut), die mit den Worten "Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen" beginnen. In einem der Schriftstücke wird auch Bezug auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt genommen und behauptet, dass deutsche Tornados daran beteiligt seien, Muslime im Kalifat des sogenannten Islamischen Staates zu ermorden. Deshalb stünden ab sofort Sportler und andere Prominente "in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen" auf einer "Todesliste des Islamischen Staates". Dies gelte solange, bis die deutschen Tornados abgezogen seien und die amerikanische Luftwaffenbasis im pfälzischen Ramstein geschlossen werde. Die Schreiben tragen keine Unterschrift. Die Behörden sind allerdings sehr vorsichtig. Denkbar sei auch, dass der oder die Täter bewusst eine falsche Spur hätten legen wollen, hieß es.

Das Schreiben im Internet: Das vierte Schreiben tauchte im Internet auf der Seite Indymedia auf und soll aus der linken Szene kommen. Linke Aktivisten übernehmen darin die Verantwortung für den Anschlag auf den BVB-Bus. Dazu teilte die Bundesanwaltschaft mit: "Nach einer ersten Bewertung bestehen erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Bekennung."

Die Auswirkungen auf die Viertelfinal-Partie AS Monaco gegen BVB: Nach dem Anschlag war das Spiel zunächst abgesagt worden. Es wurde am Mittwoch um 18.45 Uhr nachgeholt. Bei der Partie galten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen: Die Fans durften keine Rucksäcke mit ins Stadion bringen, Taschen waren nur bis zu einer Größe von DIN A4 erlaubt. Dutzende Mannschaftswagen der Polizei waren in der ganzen Stadt und rund um das Stadion zu sehen, Polizisten auf Motorrädern und Pferden in kugelsicheren Westen, manche mit Maschinenpistolen bewaffnet. Das Spiel verlief im Hinblick auf die Sicherheitslage ohne besondere Vorkommnisse.

BVB-Trainer Tuchel hatte seinen Spielern zuvor freigestellt, zu spielen. Er hatte den europäischen Fussballverband UEFA für die Entscheidung kritisiert, das Spiel bereits einen Tag später stattfinden zu lassen.

Die Auswirkungen auf die Champions-League-Partie Mittwochabend in München: Auch bei diesem Spiel galten aufgrund des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus strengere Einlasskontrollen. Die Polizei setzte 80 zusätzliche Beamte ein. Insgesamt 450 Polizisten sicherten das Gelände. Die Partie verlief ohne Zwischenfälle. "Es war ein normales Fußballspiel", sagte ein Polizeisprecher.

Was wir nicht wissen

Hintergrund der Tat: Die Behörden ermitteln noch immer in alle Richtungen: "Die genaue Motivlage des Anschlags ist gegenwärtig noch unklar", hieß es von der Bundesanwaltschaft. Es wird geprüft, ob ein Haftbefehl gegen den festgenommenen Verdächtigen beantragt wird. Die Bundesanwaltschaft hält einen terroristischen Hintergrund des Anschlags auf den BVB-Bus aber für wahrscheinlich und islamistische Motive für möglich.

Die Art der Sprengsätze: Die Frage nach dem Zündmechanismus und der Art des verwendeten Sprengstoffes ist derzeit Gegenstand der kriminaltechnischen Untersuchungen. Klar ist bisher, dass die drei Sprengsätze mit Metallstiften besetzt waren und eine Sprengwirkung von mehr als 100 Metern gehabt hätten. "Wir können froh sein, dass nicht mehr passiert ist", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft.

Mit Material der Agenturen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3461934
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/vbol/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.