Doppelte Staatsbürgerschaft:Sich zwischen zwei Ländern entscheiden müssen

Der CDU-Parteitag will die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft stark einschränken und die Optionspflicht wieder einführen. Was bedeutet das? Und ist das realistisch?

Von Christian Gschwendtner und Markus C. Schulte von Drach

Worum geht es?

Wer in Deutschland geboren wird, ist nicht automatisch Deutscher. Die Staatsbürgerschaft hängt zuerst einmal davon ab, welchen Pass die Eltern haben bzw. ein Elternteil hat (Abstammungsprinzip). Das Kind einer deutschen Mutter oder eines deutschen Vaters ist automatisch Deutscher.

Wer sich einbürgern lassen wollte, musste bis 2000 mindestens 15 Jahre in Deutschland gelebt haben. Die vorherige Staatsbürgerschaft musste aufgegeben werden.

Seit 2000 hat sich in Bezug auf die Staatsangehörigkeit jedoch einiges getan: In jenem Jahr setzte die rot-grüne Regierung eine Staatsbürgerschaftsreform durch. Jetzt genügte es für eine Einbürgerung, dass ein Elternteil mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hatte und das Aufenthaltsrecht nicht befristet war. Auch wer selbst bereits acht Jahre hier gelebt hatte, konnte einen Antrag auf Einbürgerung stellen. (Eingebürgert wurde seit 2008 allerdings nur nach dem Bestehen eines Einbürgerungstests.)

Außerdem wurde die Optionspflicht eingeführt. Kinder, bei denen beide Eltern Ausländer sind, bekamen nun mit der Geburt automatisch beide Staatsangehörigkeiten - die deutsche und die ihrer Eltern. Sie mussten sich im Alter zwischen 18 und 23 aber entscheiden, ob sie die von den Eltern "geerbte" Staatsbürgerschaft beibehalten wollten, oder nur Deutsche würden.

Mehrstaatlichkeit war sonst nur in Ausnahmefällen möglich, etwa bei Kindern mit einem deutschen und einem ausländischen Elternteil. Außerdem können seit 2007 Staatsbürger anderer EU-Staaten und der Schweiz eingebürgert werden, ohne ihren ursprünglichen Pass abgeben zu müssen. Und auch Menschen, die Deutsche werden wollten, deren Herkunftsländer sich jedoch weigerten, sie aus der Staatsbürgerschaft zu entlassen, können eine doppelte Staatsbürgerschaft bekommen.

Umgekehrt müssen Deutsche, die in einem anderen EU-Land oder der Schweiz Staatsbürger werden, ihren deutschen Pass nicht mehr automatisch abgeben. Für andere Länder benötigen Deutsche dafür eine besondere Genehmigung.

2014 vereinbarten Union und SPD in der großen Koalition in Berlin, dass Kinder von Ausländern in Deutschland, für die zuvor die Optionspflicht galt, sich nicht mehr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen. In Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern oder solche, die vor dem 21. Geburtstag mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt oder hier für sechs Jahre eine Schule besucht haben, können nun neben der deutschen auch die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern haben - also eine doppelte Staatsbürgerschaft.

Die CDU hat auf ihrem Parteitag nun beschlossen, dass sie zur Optionspflicht für den Nachwuchs ausländischer Eltern zurückkehren will.

Wie realistisch ist es, dass die Optionspflicht wieder eingeführt wird?

Die Union regiert derzeit mit der SPD, sie wird auch nach der kommenden Bundestagswahl kaum allein regieren können. Die Sozialdemokraten und auch die Grünen, die inzwischen ebenfalls von manchen als Koalitionspartner der CDU nicht mehr völlig ausgeschlossen werden, lehnen die Rückkehr zur Optionspflicht vehement ab.

Justizminister Heiko Maas (SPD) hat nach dem Beschluss des CDU-Parteitags umgehend erklärt: "Der Doppelpass bleibt." Die einzige Partei, mit der die CDU die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft umsetzen könnte, wäre die AfD, so Maas. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat sich bereits festgelegt: Eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft sei mit der SPD nicht zu machen.

Der Parteichef der Grünen, Cem Özdemir, kritisierte die Entscheidung der CDU heftig: "Wir Grüne wollen aus Ausländern Inländer machen, die sich unserem Grundgesetz verpflichtet fühlen. Die CDU will dagegen hier geborene und lebende Deutsch-Türken ausgrenzen und damit dem autoritären Herrscher Erdoğan überlassen."

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält den Beschluss für falsch. In dieser Legislaturperiode werde es sowieso keine Änderung geben, sagte die CDU-Chefin nach dem Ende des Parteitags. Und "ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben." Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits zuvor erklärt, er sehe nirgendwo eine Mehrheit, mit der sich der Kompromiss mit der SPD von 2014 umdrehen ließe.

Die Optionspflicht hat demnach keine großen Chancen, in einen Koalitionsvertrag aufgenommen zu werden. Außer die CDU würde tatsächlich die AfD als Partner akzeptieren.

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