Doppelte Staatsbürgerschaft:Doppelpass wird zum Wahlkampfthema

Türkei Deutschland doppelte Staatsbürgerschaft

Entscheidung zwischen zwei Pässen: Immer mehr Politiker halten die geltende Regelung für absurd und grotesk.

(Foto: dpa)

Deutscher und Türke gleichzeitig - das geht per Staatsbürgerschaft nur bis 23. Dann müssen sich die Ausländerkinder entscheiden. Nun verlieren die ersten Doppelstaatler ihren deutschen Pass und Politiker wollen die bestehenden Regelungen ändern. Nur noch CDU und CSU halten an der absurden Regelung fest.

Von Roland Preuß, München, und Viktoria Großmann, Berlin

Die Wirklichkeit hat sich nicht an die Vorstellungen vieler Politiker gehalten, dies lässt sich beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft schon jetzt sagen. Als das neue Staatsbürgerschaftsrecht 1999 verabschiedet wurde, sagte Guido Westerwelle: "Wir freuen uns, dass wir jetzt eine Linie der Vernunft haben." Sein damaliger Vizefraktionschef Rainer Brüderle hatte die Linie mit ausgehandelt, als Kompromiss zwischen rot-grüner Bundesregierung und oppositionell dominiertem Bundesrat.

Der Inhalt: Kinder ausländischer Eltern bekommen per Geburt neben dem ausländischen auch den deutschen Pass, müssen spätestens bis zum 23. Lebensjahr aber eine der Staatsangehörigkeiten abgelegt haben. Für EU-Bürger und eine Reihe anderer Staatsangehörige gelten Ausnahmen: Sie dürfen beide Pässe behalten.

"Es gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit"

Seit Januar greift das Gesetz voll und lässt die "Linie der Vernunft" als Pfad des Irrsinns erscheinen: Die ersten Doppelstaatler verlieren ihren deutschen Pass, Behörden ächzen unter dem Aufwand und Experten kritisieren die Regel als unsinnig.

Immerhin ist es nun die FDP selbst, die Änderungen fordert: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verlangte, mehr doppelte Staatsbürgerschaften zu ermöglichen. "Integration kann auch durch doppelte Staatsbürgerschaft gefördert werden, wie die vielen Fälle von gut integrierten Bürgern mit Doppelstaatsbürgerschaft zeigen", sagte sie am Dienstag Spiegel Online. Dazu solle das Staatsangehörigkeitsrecht entsprechend reformiert werden.

Kanzlerin Angela Merkel ließ noch am selben Tag ausrichten, dass sie keinen Handlungsbedarf sehe. "Es gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit. Dafür gibt es gute Gründe", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Innenminister Hans-Peter Friedrich griff seine Kabinettskollegin direkt an. "Frau Leutheusser-Schnarrenberger bereitet offensichtlich eine Ampelkoalition vor", sagte er. Mit ihm werde es die geforderte Erleichterung nicht geben. Der Doppelpass dürfte nun Wahlkampfthema werden - nicht nur zwischen Union und FDP.

CSU befürchtet Loyalitätsprobleme

CDU und CSU stehen zunehmend isoliert da. Denn Linke, Grüne und SPD kritisieren seit Langem die Optionspflicht, nun forcieren auch die Liberalen eine Lockerung. Die SPD hat angekündigt, die Pflicht zur Entscheidung für einen Pass abzuschaffen, falls sie die Bundestagswahl gewinnen sollte.

"Die Regelung ist absurd und grotesk", sagte der SPD-Innenexperte Michael Hartmann der SZ. "Das Optionsmodell ist integrationsfeindlich." Von der Vorschrift sind vor allem Deutsch-Türken betroffen. "Das ist eine klare Ungleichbehandlung", sagte Hartmann. Er räumte ein, dass sich durch den Doppelpass Probleme ergeben könnten, etwa wenn ein Straftäter ausgeliefert werden soll - und der Zweitstaat dies mit Hinweis auf den zweiten Pass verweigert.

Als Negativbeispiel gilt der mutmaßliche Haupttäter einer tödlichen Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz, der in die Türkei geflüchtet ist. "Diese Probleme sind aber nicht gravierend - wir dürfen Zuwanderungspolitik nicht betreiben mit der Unterstellung: Jeder kann ein Terrorist oder Krimineller sein", sagte Hartmann.

"Die Doppelstaatler müssen sich positiv für ein Land entscheiden"

Der integrationspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Frieser, verteidigte dagegen die Optionspflicht - und denkt sogar über eine Verschärfung nach. "Ich erwarte am Ende ein klares Bekenntnis. Die Doppelstaatler müssen sich positiv für ein Land entscheiden. Diese Entscheidung mache ich aber mit einer dauerhaften doppelten Staatsbürgerschaft nicht leichter", sagte Frieser.

Ein Doppelpass schaffe Probleme, etwa durch Ansprüche auf Sozialleistungen in zwei Staaten. Im CSU-geführten Bundesinnenministerium heißt es, die Loyalität eines Menschen mit zwei Pässen zu dem einen Land könne sehr leiden, wenn er etwa für das andere Land in einen Krieg ziehe, wie zu Zeiten des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien.

Schon heute gibt es Schätzungen zufolge mehrere Millionen Doppelstaatler in Deutschland, ohne dass gravierende Probleme daraus bekannt wären. Frieser sprach von einer Reihe historisch gewachsener Ausnahmen. "Man muss eher diese Ausnahmen überprüfen, ob sie der historischen Begründung heute noch standhalten, als neue Ausnahmen schaffen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: